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Interview

„Die GEW ist groß, vielfältig und in alle Schularten vernetzt“

Der Hauptpersonalrat ist ­vielen Lehrkräften fremd. Was genau macht eigentlich ein Personalrat auf der Ebene des Kultusministeriums? Ricarda Kaiser gibt einen Einblick in ihre Arbeit und beschreibt, warum sie als GEW-Personalrätin im Vorteil ist.

Ricarda Kaiser, stellvertretende GEW-Landesvorsitzende, Hauptpersonalrat GHWRGS
Ricarda Kaiser, stellvertretende GEW-Landesvorsitzende, Hauptpersonalrat GHWRGS

Die Personalratsarbeit auf der Ebene des Kultusministeriums (KM), dem Hauptpersonalrat (HPR), ist ­vielen Lehrkräften fremd oder sie haben nur eine vage Vorstellung davon, was dort besprochen und ­verhandelt wird. Ricarda Kaiser ist seit 2014 Mitglied im Hauptpersonalrat GHWRGS. Sie gibt einen Einblick in ihre Arbeit und beschreibt, warum sie als GEW-Personalrätin im Vorteil ist.

Du kandierst wieder für den HPR. Was motiviert dich?

Ricarda Kaiser: Mir macht die Arbeit im HPR Spaß, weil wir im Vorstand ein richtig gutes Team sind und unsere Arbeit ohne viel Absprache gut und unkompliziert funktioniert. Ich bin für die Lehrkräftefortbildung, das ZSL, Grundschulthemen, Arbeits- und Gesundheitsschutz und Beratungslehrkräfte zuständig. Das sind Themen, an denen ich eh nah dran bin, weil ich Lehrbeauftragte am Seminar und Beratungslehrerin war.

Du gehörst mittlerweile zu den alten Hasen.

Kaiser: Ich bin jetzt insgesamt seit 19 Jahren im Personalrat, hab im ÖPR angefangen, war im BPR und bin jetzt im HPR. Über die Jahre häuft man ein großes Wissen an. Es ist auch sehr hilfreich im HPR, wenn man die anderen Ebenen kennengelernt hat, und weiß, welche Aufgaben sie haben.

Was muss man wissen, damit man im HPR gut arbeiten kann?

Kaiser: Man muss sich inhaltlich gut auskennen. Das KM und das ZSL haben für jeden Bereich eine Referentin oder einen Referenten. Wir haben im HPR zwar auch unsere Zuständigkeiten, aber wenn Referent*innen zu Erörterungen kommen, muss ich genauso wissen, was das IBBW macht, wie ich wissen muss, was zum Beispiel im Referat ­Grundschule läuft. Wir wollen auf Augenhöhe verhan­deln. Da sollte man sich schon gut auskennen.

Verhandlungskompetenz und Beratungsfähigkeit sind auch ganz wichtig. All dein Wissen nützt dir nichts, wenn du nicht gut im Gespräch und Austausch bist. Wir erreichen viel, wenn wir gute Beziehungen zu den Verantwortlichen pflegen. Im Grundschulreferat und im ZSL beispielsweise könnte ich jederzeit anrufen, wenn es etwas zu klären gibt. Wir werden auch zum Austausch eingeladen und können offen unsere Bedenken ansprechen.

Was tut ihr dafür, dass ihr einen guten Draht zur Kultusverwaltung habt?

Kaiser: Wir sagen zwar klar, was wir wollen, bleiben aber trotzdem kompromissbereit.

Haltet ihr euch manchmal mit Kritik zurück, weil ihr denkt, das schadet der Beziehung?

Kaiser: Nein. Wenn Referent*innen zur Erörterung kommen, wählen wir klare Worte. Es ist auch klar, dass das unserer Rolle als Personalrat*in ist. Trotzdem wählen wir einen Ton, dass wir hinterher noch gemeinsam einen Kaffee trinken könnten.

Müsst ihr den Leuten im KM und ZSL immer mal wieder sagen: „Was Sie sich ausgedacht haben, das funktioniert in der Praxis nicht.“?

Kaiser: Ja. Das ist die Stärke des HPR. Deshalb ist es schon wichtig, dass wir aus der Schule kommen. Ganz oft können sich die Zuständigen nicht vorstellen, was ihr Vorhaben konkret für die Schule heißt. Dann machen wir deutlich, wie sich neue Regelungen auf die Schulleitung oder die Arbeit der Lehrkräfte auswirken. Die Kultusverwaltung sieht ihre jeweilige Einzelaktion, zum Beispiel BISS-Transfer (Transfer von Sprachbildung, Lese- und Schreibförderung in Schulen und Kitas). Es gibt aber wenig Menschen im KM und ZSL, die einen Gesamtüberblick über alle laufenden Projekte haben. Sie bearbeiten ihre Teilbereiche, die für sich gesehen auch gut sind. Aber das Gesamte, und was die Umsetzung für die Schulen konkret heißt, wird oft unterschätzt. Dafür braucht es Personalräte, die das klar sagen.

Wird im KM zu sehr darauf geachtet, dass alles juristisch wasserdicht ist?

Kaiser: Regelungen sind ist oft nicht pädagogisch gedacht. In der Schule wollen wir aber pädagogisch arbeiten. Auf der KM-Ebene werden die Entscheidungen politisch, finanziell und juristisch gesteuert. Um gute Argumente fürs KM zu haben, ist es wichtig, dass wir aus der Praxis kommen. Ich erlebe oft, dass Personalräte wie Michael Hirn, die noch in der Schule arbeiten, gut die Realität veranschaulichen können. Daher ist es auch wichtig, dass wir Personalräte, die voll freigestellt sind, Kontakt zu Schulen und Lehrkräften halten.

Du und andere GEW-Personalräte kommen über die GEW-Gremien ganz automatisch mit Menschen ins Gespräch, die an Schulen arbeiten.

Kaiser: Die Fach- und Personengruppen sind dafür sehr hilfreich. Die sind sehr nah an der Praxis. Ich bin als stellvertretende GEW-Vorsitzende zuständig für den Vorstandsbereich allgemeine Bildung und damit im regen Austausch mit allen Schularten. Das ist ein großer Gewinn. Als Personalrätin bin ich aktuell freigestellt und dadurch sehr flexibel. So kann ich mich im Gegenzug für die Kolleg*innen im Personalrat und in der GEW einbringen.

Ist die gute Mischung eine Besonderheit der GEW?

Kaiser: Ich denke schon. Die GEW ist groß, vielfältig und in alle Schularten vernetzt. Wir können so auch HPR-übergreifend beraten. Unabhängig davon, in welchem Personalrat ich arbeite, bei der GEW finde ich immer jemand, der sich auskennt. Das ist auf jeden Fall eine Stärke der GEW.

Bei der GEW ist man folglich bei der Bildung aufgehoben und nicht bei den einzelnen Schularten?

Kaiser: Ich habe vorwiegend die Grundschulen im Blick. Aber trotzdem spielen bei mir alle anderen Schularten und Bildungsbereiche auch eine Rolle. Ich sehe, wie alles zusammenhängt. Ich höre, welche Erwartungen Lehrkräfte aus der Sek I und Sek II haben, wenn Kinder aus der Grundschule in die weiterführenden Schulen kommen. Die hören dagegen von uns, welche Herausforderungen es an Grundschulen gibt, und warum dort nicht alles so läuft, wie sie denken.

Das macht die GEW schon mal besser als ihre Mitbewerber*innen. Was noch?

Kaiser: Durch die hauptamtliche Struktur gibt es Spezialist*innen in allen Fachgebieten, zum Beispiel zur Jugendhilfe oder zum Beamtenrecht, und ich kann jederzeit Informationen über Studien, Zahlen oder Zusammenhänge bekommen. Bei unserem neu gegründeten AK zum Ganztag beispielsweise erlebe ich, welch großes und breites Wissen vorhanden ist. Es ist ein Gewinn, dass man bei der GEW jede Expertise bekommt, die man braucht. Ob sich unsere Mitbewerber*innen mit übergreifenden Themen in der Tiefe fachlich so vernetzen und auseinandersetzen, bezweifle ich.

14 von 19 Hauptpersonalräten in GHWRGS gehören zur GEW-Fraktion. Was ist euer Wahlziel?

Kaiser: Mein Traum ist, dass wir den Platz vom RLV wieder zurückholen. Wir hätten gerne 15 Plätze.

Stell dir eine Lehrkraft vor, die keine Gremienarbeit kennt und bei der GEW nicht aktiv ist. Was müssen Lehrkräfte wissen, damit sie die Bedeutung der Wahlen ermessen können?

Kaiser: Ich merke oft, dass wir zu viel voraussetzen und meinen, unsere potenziellen Wähler*innen wissen, was die GEW macht, wer der VBE ist, welche Unterschiede es gibt, welche Aufgaben Personalrät*innen haben und so weiter. Wenn ich mit den Leuten spreche, merke ich, dass vieles unklar ist und die Wahlen weit weg sind. Für Nicht-Mitglieder wird der Personalrat erst dann wichtig, wenn sie ein Problem haben, und die GEW wird wichtig, wenn sie Rechtsschutz brauchen.

Wir müssen erlebbar machen, dass wir mit unserem Wissen etwas für sie tun können. Bei den Personalversammlungen müssen wir die Menschen mit ihren Themen abholen. Im Gespräch hören sie, die GEW sagt an einigen Punkten was anderes als der Realschulverband oder der VBE. Es ist auch wichtig, Kolleg*innen direkt anzusprechen. Wenn ich jemand beraten habe und sie zufrieden sind und sich bedanken, dann sage ich: „Sie können was für uns tun. Sie können mich und alle meine GEW-Kolleg*innen wählen.“ Wir brauchen viel mehr Selbstbewusstsein und sollten klarmachen: „Auch wenn wir nicht immer Verbesserungen erreichen, wenn es uns nicht gäbe, wäre es an der Schule schlimmer.“

Gilt es tatsächlich als Makel, wenn man einen Personalrat oder eine Personalrätin in Anspruch nimmt?

Kaiser: Viele denken, zu Personalrät*innen geht man nur, wenn man ein Riesenproblem hat. Das ist gar nicht so. Wir beraten zu alltäglichen Dingen und Abläufen, sagen, worauf es ankommt. Erst wenn Kolleg*innen sich zu spät Rat holen, wird es ein Problem.

Muss man betonen, dass ihr Personal­rät*­innen nette Menschen seid?

Kaiser: Es ist unterschiedlich. Für manche in der Schulverwaltung sind Personalrät*innen erstmal der natürliche Feind. Motto: Wenn die kommen, gibt es Stress. Ich habe das im Schulamt Mannheim anders erlebt. Der Schulamtsleiter hat zu mir gesagt: „Wenn wir auf Augenhöhe arbeiten, haben alle was davon, alle 7.000 Lehrkräfte.“ Er hat mich ins Boot geholt, bevor es schwierig wurde.

Lehrkräfte müssten sagen: Perso­nal­rät*innen helfen mir. Wir sind ja dafür da, die Kolleg*innen zu unterstützen, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Wenn wir an eine Schule kommen und vieles erklären, das Konferenzrecht beispielsweise, dann finden es alle toll. Oft höre ich: „Das wusste ich alles gar nicht. Und das ist super. Kommt ihr nochmal?“ Dann ist die Tür offen. Das sollten alle nutzen.

Das Interview führte Maria Jeggle, Redakteurin der b&w.

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Maria Jeggle
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