Fachgruppe Gymnasien
Abiturprüfungen 2022 – same procedure as ...?
... Nein! – Es gibt für das Abitur 2022 einige wichtige Änderungen, über die die Landesfachgruppe Gymnasien der GEW euch informieren möchte.
Zunächst einmal: Am 3. Februar hat das Kultusministerium (KM) die Schulen über eine Veränderung der Korrekturtageregelung informiert:
- „Für die Erstkorrektur werden grundsätzlich bis zu zwei Korrekturtage und in Fällen, in denen 18 oder mehr Klausuren zu korrigieren sind, bis zu drei Korrekturtage gewährt.“
Bei den bestehenden Regelungen für die Zweitkorrektur und die Endbeurteilung gibt es allerdings keine Änderung.
Die veränderte Regelung für die Erstkorrektur soll bereits für das diesjährige Abitur gelten. Das ist endlich ein Schritt in die richtige Richtung: Die Formulierung „werden grundsätzlich [...] gewährt“ hat eine deutlich normative Strahlkraft. Hoffentlich kann damit der Missstand einer recht knausrigen Gewährung von Korrekturtagen überwunden werden. Mit der genannten Anzahl von drei Korrekturtagen ab 18 Arbeiten wurde jetzt auch zum ersten Mal die lange geforderte Relation genauer beziffert.
Wir Gymnasiale in der GEW fordern weiterhin eine nach oben offene Skalierung von einem Korrekturtag pro fünf Arbeiten für die Erst- und Zweitkorrektur. Außerdem fordern wir einen freien Tag pro fünf Prüflingen für die Vorbereitung der mündlichen Prüfungen. Ähnliches brauchen wir für die Vorbereitung der fachpraktischen Abiturprüfungen.
Wir Kolleg*innen möchten ja nicht mehr und nicht weniger, als alle Abiturprüfungen qualitätvoll durchführen zu können. Für diese Belastungsspitzen halten wir einen angemessenen Zeitausgleich für entscheidend wichtig. Es ist längst Zeit für mehr Zeit! Vor allem auch deshalb, weil die Beteiligung des Landes Baden-Württemberg an den deutschlandweiten Abiturprüfungsterminen bei gleichzeitigem Festhalten am nun wieder dreistufig geplanten Korrekturverfahren einer Quadratur des Kreises gleichkommt.
Unvertretbar hart trifft es in diesem Jahr die Kolleg*innen, die Arbeiten von den beiden letzten Prüfungstagen der schriftlichen Abiturprüfung („seltenere“ Sprachen sowie Geschichte bilingual französisch) korrigieren sollen. Diesen bleiben bis zum regulären Abgabetermin nur ein bis zwei Tage. Dieses Problem ist weiterhin ungelöst.
In Gesprächen wurde von Seiten des Kultusministeriums aber immer wieder versichert, dass die Kolleg*innen der Regierungspräsidien bei individuellen zeitlichen Engpässen zusätzliche Korrekturzeit einräumen können. Falls ihr betroffen seid: Fragt also bitte unbedingt über eure Schulleitungen nach, bevor ihr Korrekturnachtschichten einlegen müsst.
Null-Punkte-Regelung
Schon vor dem letztjährigen mündlichen Abi hatten wir von der GEW-Landesfachgruppe Gymnasien uns an die damals neue Kultusministerin Theresa Schopper gewandt und (zunächst vergeblich) um Aussetzung gebeten: „Es besteht bei der Kultusministerkonferenz (KMK) seit Jahrzehnten Einigkeit darüber, dass sich die Gesamtqualifikation der Abiturprüfung aus zwei Bereichen zusammensetzt: aus Kursergebnissen, die über die zwei Jahre in der Kursstufe gesammelt wurden, sowie aus den Ergebnissen der Abiturprüfung. Mit der diesjährigen Einführung der Null-Punkte-Regelung geht Baden-Württemberg einseitig weit über diese bewährten Vorgaben hinaus und führt ein zusätzliches ‚KO-Kriterium‘ ein, das dazu führen wird, dass in diesem Jahr Abiturient*innen ihre Abschlussprüfung nicht bestehen werden, die nach den aktuellen KMK-Vorgaben (und im Vergleich zu früheren Jahrgängen und den anderen Bundesländern!) ihre Prüfung bestanden hätten.“
Offenbar hat die erstmalige Anwendung der Null-Punkte-Regelung im Abitur 2021 inzwischen zur Einsicht geführt, dass eine solche neue Sonderregelung kein wirksames Instrument der Qualitätssicherung darstellt, sondern vor allem individuelle Härten bei den Betroffenen verursacht.
- Für das Abitur 2022 wurde nun eine Zweite-Chance-Regelung bewilligt: In einer zusätzlich ermöglichten mündlichen Nachprüfung reicht ein einziger Notenpunkt, um das Nichtbestehen der Abiturprüfung wegen eines mit null Punkten bewerteten schriftlichen oder mündlichen Prüfungsteils doch noch abzuwenden.
Ab dem Abitur 2023 soll die Möglichkeit einer zusätzlichen mündlichen Prüfung zwar erhalten bleiben, doch werden dann die Konditionen modifiziert werden.
Zeitlich eng wird es durch die mündlichen Nachprüfungen trotzdem: Am 15. Juli ist Bewerbungsschluss bei der Stiftung für Hochschulzulassung. Und außerdem verursacht die modifizierte neue Regelung einen zusätzlichen Arbeitsaufwand für uns Lehrkräfte.
Das erste „echte“ Corona-Abi
Die diesjährigen Abiturient*innen (und auch wir als ihre Kurslehrkräfte!) werden die ersten sein, die die komplette zweijährige Kursstufe unter Pandemiebedingungen zugebracht haben, und davor auch noch Teile der Einführungsphase. Leider ist zu befürchten, dass die Durchführung der diesjährigen Abiturprüfungen erneut herausfordernd wird.
In einem Beschluss am 21. Dezember 2021 hat sich die Konferenz der Kultusminister*innen wie im Vorjahr auf Eckpunkte zur Durchführung der Abiturprüfung 2022 unter Pandemiebedingungen geeinigt.
Baden-Württemberg hat frühzeitig wieder einige dieser Vorschläge aufgegriffen:
- Es soll für die schriftlichen Abiturprüfungen zusätzlich ein Zeitzuschlag von jeweils 30 Minuten (bei Klausuren mit mindestens dreistündiger Dauer) beziehungsweise 15 Minuten (bei kürzeren Klausuren) gewährt werden.
- Außerdem sollen den Fachlehrkräften zusätzliche Prüfungsaufgaben zur Auswahl gestellt werden, um eine bessere Passung zum tatsächlich stattgefundenen Unterricht sicherzustellen.
Das ist auf jeden Fall hilfreich. Gleichzeitig fällt auf, dass diejenigen Vorschläge der KMK, die zu tatsächlichen Entlastungen für Prüflinge und auch für uns Kurslehrkräfte führen, einfach ignoriert werden.
Die KMK bietet zum Beispiel die Möglichkeit zur:
- „Reduzierung der Anzahl der Klassenarbeiten/Klausuren zur Gewinnung von mehr Lernzeit“ und
- „Präzisierung der länderinternen Prüfungshinweise, zum Beispiel Schwerpunktsetzung oder Ermöglichung von Wahlthemen“.
Das pandemiebedingt eingeführte zweistufige Korrekturverfahren sowie die schulinterne Bildung der Fachausschüsse bei der mündlichen Prüfung sollen zum Abi 2022 wieder abgeschafft werden. Warum wird die Idee dieser Vereinfachungen nicht weiterverfolgt, um die Arbeitsbelastung von uns Kolleg*innen in diesem sensiblen Bereich endlich spürbar zu senken? Und was ist überhaupt mit der jahrelangen psychosozialen Zusatzbelastung der Lehrkräfte? Wir stehen vor der Durchführung der dritten Abiturprüfung unter Coronabedingungen. Und so manche(r) ist mit seiner/ihrer Geduld und Kraft am Ende. Die Einmalzahlung im März stellt keine nachhaltige Problemlösung dar. Es ist Zeit für mehr Zeit, und zwar für alle am Schulleben Beteiligten!
Zum Schluss noch zwei Details, die wir über den Hauptpersonalrat Gymnasien ins Kultusministerium eingebracht haben:
- Wir hatten angeregt, dass die Durchführung der neuen Abiturprüfung (nach Allgemeiner Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)) mit besonderem Blick auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte evaluiert wird. Im Zentrum steht dabei vor allem die Anzahl der mündlichen Prüfungen pro Tag, zweistellige Prüfungszahlen waren im letzten Jahr in vielen Fächern die Regel.Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass eine solche Evaluation tatsächlich durchgeführt werden könnte.
- Es ist ein langjähriges Ärgernis, dass die Anrechnungsstunden für die anspruchsvolle und wichtige Aufgabe der Oberstufenberatung an den Schulen intern als „Arbeitsgemeinschaft“ verbucht werden. Es ist längst überfällig, dass diese Stunden separat und zweckgebunden ausgewiesen werden und damit nicht (wie andere AG-Stunden) gekürzt werden können.
Gebt gerne auftretende Probleme und Fragestellungen an uns weiter. Wir tragen diese entweder direkt an die politische Spitze im Kultusministerium heran oder speisen sie über die personalrätlichen Gremien oder Arbeitsgruppen im Kultusministerium ein. Bleibt tapfer!