Schulsozialarbeit
Aktiv auf Kinder und Familien zugehen
Fachkräfte und Träger in der Schulsozialarbeit haben sich online über ihre Arbeit in Zeiten von Corona ausgetauscht. Sie gehen sehr unterschiedlich mit der Krise um. GEW-Referentin Heike Herrmann berichtet.
Während der Schulschließungen organisierten das Netzwerk Schulsozialarbeit, der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) und Fortbildner Uwe Straß Webseminare für Fachkräfte und Träger in der Schulsozialarbeit. Die Resonanz war groß, rund 160 Online-Teilnehmer*innen tauschten sich binnen weniger Tage über ihre Arbeit in Zeiten von Corona aus. GEW-Referentin Heike Herrmann berichtet.
Als alle seine Supervisionen abgesagt wurden, regte Fortbildner und Coach Uwe Straß, den viele Schulsozialarbeiter*innen von ihren Jahrestagungen kennen, ad hoc Online-Meetings an. Ihm und seinen Mitveranstaltern war klar, dass es für Fachkräfte und Koordinator*innen in der Schulsozialarbeit während der Coronakrise enorm wichtig ist, sich auszutauschen, voneinander zu erfahren und sich zu orientieren.
Niemand kann auf Erfahrungen mit einer derartigen Situation zurückgreifen und deshalb sind auch Schulsozialarbeiter*innen verunsichert. Fachkräfte und Träger gehen sehr unterschiedlich mit der Krise um. Einige Schulsozialarbeiter*innen werden ganz oder teilweise freigestellt, andere fachfremd eingesetzt, zum Beispiel in der Notbetreuung, in Wohngruppen, der Nachbarschaftshilfe oder der Bürgerberatung. Recht viele arbeiten im Homeoffice an ihrer Konzeption, Dokumentation oder entwickeln spezielle Angebote für die Zeit in der Krise. Die meisten versuchen mit den Kindern und Jugendlichen über mediale Wege in Verbindung zu bleiben beziehungsweise zu kommen. Das bloße Angebot „ich bin erreichbar“, beispielsweise auf der Homepage, reicht nicht aus. Es wird kaum angenommen. Fachkräfte, die aktiv auf die jungen Menschen und ihre Familien zugehen, beispielsweise mit Briefen, Telefonanrufen, Videokonferenzen, in der Schulcloud, erreichen ihre Zielgruppe besser.
Kein Kind darf verlorengehen
Und genau das erwartet Axel Eisenmann-Braun, Teilnehmer am Webseminar und Koordinator von 24 Sozialarbeiter*innen bei den Martin-Bonhoeffer-Häusern in Tübingen. Er war froh, sich im Webseminar mit anderen Trägerverantwortlichen über die derzeitige Rolle der Schulsozialarbeit austauschen zu können. „Ich sehe es als genuine Aufgabe der Schulsozialarbeit an, dafür Sorge zu tragen, dass kein Kind verlorengehen darf, gerade in der jetzigen Phase. Es gibt Kinder, die leicht zu erreichen sind, es gibt aber auch benachteiligte Kinder, die in belasteten Familiensituationen leben und/oder digital nicht ausgestattet sind. Das betrifft viele Kinder. Die Gefahr ist groß, dass gerade sie jetzt von keiner Seite Unterstützung erhalten.“
Eisenmann-Braun weiß von Lehrkräften, die zu einigen Kindern keinen Kontakt mehr haben und ratlos sind. Der sozialpädagogische Ansatz verpflichte seiner Ansicht nach die Schulsozialarbeit, genau hinzuschauen, herauszufinden, wo die Kinder sind, wie sie unterstützt, reingeholt und integriert werden können. „Da muss Schulsozialarbeit aktiv wirken. Wir müssen eigeninitiativ werden und gemeinsam mit den Lehrkräften die Frage klären, wer an wem dranbleibt. Basis dafür ist eine gute Kooperation, die wir an allen Schulen haben.“
Im Webseminar berichteten die Fachkräfte aus der Jugendhilfe über erhebliche Unterschiede in der Zusammenarbeit mit den Schulen. Manche fühlen sich derzeit sogar unerwünscht. In anderen Schulen hingegen wird größter Wert auf die Expertise der Schulsozialarbeiter*innen gelegt und sie werden ganz selbstverständlich in die Planungen einbezogen. Schulleitungen und Lehrkräfte besprechen mit ihnen, wie die Öffnung der Schule aussehen kann und was für die Zeit danach wichtig ist.
Schulsozialarbeiter*innen technisch ausstatten
Das Sozialministerium, das die Schulsozialarbeit im Land finanziell unterstützt, sieht die Aufgabe der Schulsozialarbeit in der Krisensituation jedenfalls als dringend erforderlich an und eindeutig auf die individuelle Begleitung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien ausgerichtet. In einem Schreiben an die Träger Anfang April wurde dazu ermutigt, „kreativ unterschiedliche Ideen telefonischer oder digitaler Kommunikation in die Wege zu leiten, um gerade auch schwer belastete Familien im Blick zu behalten.“
Die digitale Kommunikation ist in der Schulsozialarbeit aber alles andere als einfach. Viele Webseminarteilnehmer*innen nutzen aus der Not heraus private Geräte und drücken beim Datenschutz ein Auge zu. Deshalb lautet die Forderung an Träger und Schulen: Schulsozialarbeiter*innen müssen technisch ausgestattet werden. Und Schulsozialarbeit muss nach Auffassung der GEW in diesen Zeiten genau dort wirksam sein, wo sie hingehört, nämlich an der Schule, während der Schließungen selbstverständlich überwiegend digital. Es ist nicht sinnvoll, sie fachfremd einzusetzen, und es ist geradezu absurd, sie in die Kurzarbeit zu schicken. Ihre Expertise wird jetzt an der Schule mehr gebraucht denn je.