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Corona und Studium

Alle warten auf sinnvolle Lösungen

Das Wintersemester hat begonnen und die zweite Corona-Welle rollt durchs Land. Hochschulen und Studierende müssen kreativ sein, um den Alltag zu meistern. Die Politik hat keine Lösungen, obwohl viele Baustellen die gleichen wie letztes Semester sind.

Die Corona-Pandemie hat die Hochschulen und Student*innen im Land vor bis dahin noch nicht gekannte Herausforderungen gestellt. Um die Pandemie einzudämmen, setzten die Hochschulen in Baden-Württemberg für das Sommersemester 2020 auf Online-Lehre. Eine Situation, die sowohl für die Studierenden als auch für die Lehrenden neu war. Zahlreiche Studierende beschwerten sich, der Arbeitsaufwand wäre exponentiell gestiegen und der persönliche Austausch fehlte. Prinzipiell herrschte große Unzufriedenheit mit der Situation, da bis dato Wenige überhaupt Erfahrungen mit der digitalen Lehre gehabt hätten, ganz besonders nicht in einem solchen Umfang, wie die Sprecherin der Studierenden der GEW Baden-Württemberg, Marie-Therese Reck, berichtet.

In der sich gegenwärtig wieder verschärfenden Krisensituation durch Corona hat mittlerweile das Wintersemester 2020/2021 begonnen, und die Hochschulen sind damit konfrontiert, den Lehrbetrieb weiterhin den besonderen Umständen anzupassen.

Während das vergangene Sommersemester größtenteils als Fernlehre organisiert war, strebt etwa die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg eine Präsenzlehre vor allem für Studierende der unteren Semester und für Klausuren an. Die Universität in Tübingen möchte so viel Präsenzlehre wie möglich stattfinden lassen, wozu Lehrzeiten auf abends und samstags ausgeweitet werden. Die Duale Hochschule in Stuttgart dagegen setzt auf so viel Online-Lehre wie möglich. Die Autonomie, über die die Hochschulen verfügen, führt dazu, dass es für die außergewöhnliche Situation ebenso viele Lösungsansätze wie Hochschulen gibt. Ein „normaler“ Alltag an Hochschulen wird in der bisher dagewesenen Form lange nicht möglich sein, so viel steht fest.

Es fehlen an vielen Hochschulen nach wie vor einheitliche Hygienekonzepte, die zu erstellen vielerorts bisher schlicht und ergreifend versäumt wurde. „Diejenigen Hochschulen, die in die Präsenzlehre zurückkehren, müssen jetzt allerdings unbedingt Konzepte erarbeiten“, so Reck weiter. An der Hochschule Freiburg gäbe es beispielsweise besondere Hygienebestimmungen wie Abstandsregelungen und Maskenpflicht. Auch die Nutzung der Universitätsbibliotheken sowie der Mensabetrieb sind dort eingeschränkt und unter Beachtung der entsprechenden Regelungen wieder möglich.

Trotz der schrittweisen Rückkehr mancher Hochschulen zur Präsenzlehre müssen sie weiterhin flexibel auf einen weiteren Anstieg der Zahl Corona-Infizierter reagieren können. Ob etwa der Lehrbetrieb umfassenderweise wieder auf die digitale Lehre beziehungsweise die Fernlehre umgestellt werden muss, bleibt abzuwarten.

Generell scheint die digitale Lehre weiterhin ein Problem darzustellen. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg hatte bereits im vergangenen Semester Schulungen und Lehrvideos zu diesem Thema angeboten. Doch es sind nicht nur die Lehrenden, für die diese Form der Lehre weiterhin mit Unklarheiten und Herausforderungen verknüpft ist.

Der Studienbeginn ist, auch unabhängig von Corona, für viele Erstsemester mit Überforderung und einer anfänglichen Orientierungslosigkeit verknüpft. Corona könnte dies weiter verschärfen. Reck berichtet, dass sich besonders die Fachschaften darum bemühen, den Studierenden den Start ins Studium auch unter den besonderen Umständen zu erleichtern. Neue Wege, die Studienanfänger*innen zu erreichen, werden gesucht, beispielsweise durch Videoführungen durch die jeweiligen Institute. Aber auch Dozierende werden dazu angehalten, die ungewöhnliche Situation zu berücksichtigen und die eine oder andere Gruppenfindungseinheit zusätzlich in die digitale Lehre mit einzubauen.

Trotz aller Bemühungen gibt es zahlreiche Probleme, für die bisher noch keine Lösungen gefunden wurden, oder es wurden nur halbherzig Konzepte implementiert. Sie greifen zu kurz und sind in ihrem Umfang bei Weitem nicht ausreichend. So krankt etwa die Überbrückungshilfe für Studierende zum einen an den mit der Papierflut zurecht überlasteten Studierendenwerken. Zum anderen aber auch daran, dass zu viel im individuellen Ermessensspielraum der Verwaltungen liegt – etwa, ob unvollständige Anträge nachbearbeitet werden können oder direkt abgelehnt werden. Die finanzielle Not ist noch lange nicht bei allen gelöst und die Hilfen werden nach wie vor als nicht ausreichend kritisiert, zumal nicht klar ist, ob sie wieder eingesetzt werden.

Auch die Staatsexamensprüfungen der Lehrämter bereitet den Studierenden Sorgen. Im März wurden während des bereits laufenden Prüfungszeitraums coronabedingt alle Prüfungen vorerst abgesagt. Es wurden Optionen wie das Durchschnittsexamen oder die Möglichkeit eines „Freischuss“-Versuches diskutiert. Die Kommunikation des Vorgehens und die Weitergabe von Informationen an Studierende war absolut unzureichend. Als es beispielsweise um eine Wiederaufnahme der Prüfungen ging, wurde den Studierenden eine extrem knappe Frist von nur wenigen Tagen gesetzt, um zu entscheiden, ob sie das Examen fortsetzen oder in den Herbst verschieben möchten. Zudem hatten die Bibliotheken seit März geschlossen und der Zugang zu prüfungsvorbereitender Literatur war damit an vielen Standorten gar nicht möglich. Außerdem wurde zu diesem Zeitpunkt auf Prüfungsvorsitzende verzichtet, die in den Prüfungen als neutrale Instanz fungieren.

Die Prüfungen selbst liefen ebenfalls sehr chaotisch ab: ständige Raumänderungen, Verzögerungen, der eingeschränkte Zugang zu Toiletten, keine Begleitung zur Unterstützung. Bei manchen Prüfungen wurde ein Prüfer online zugeschaltet. Ob diese dann Protokoll führten war nicht unbedingt ersichtlich. Aufgrund des fehlenden Prüfungsvorsitzes fehlte auch die Kontrolle, ob der regelgerechte Ablauf der Prüfungen eingehalten wurde.

Auch Studierende, die sich für die Prüfungen im Herbst angemeldet haben, sind mit einer höchst undurchsichtigen Organisation des Staatsexamens konfrontiert. Hygienemaßnahmen oder die aktuell geltenden Regelungen und Vorgehensweisen wurden mancherorts nicht mit-geteilt. Diese Situation stellt eine unnötige Mehrbelastung für die Studierenden dar und verdeutlicht, wie schlecht die Kommunikation zwischen Ministerien, Hochschulen und Studierenden ist.

Es bleibt abzuwarten, wie die Situation sich entwickelt. Fest steht allerdings, dass es für Hochschulen und Politik auch zu Beginn des neuen Semesters nach wie vor einiges zu tun gibt – von der Implementierung effektiver Hygienekonzepte bis hin zu einer Vereinfachung der Studienfinanzierung zu Corona-Zeiten gibt es zahlreiche andauernde und neue Baustellen.