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Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst

Arbeit aufwerten und Arbeitsbedingungen verbessern

Die Gewerkschaften werden in diesem Frühjahr für eine bessere Eingruppierung und bessere Arbeitsbedingungen im Sozial- und Erziehungsdienst kämpfen. Die Verhandlungen starten am 25. Februar 2022.

Eine Streikteilnehmerin hält ein Schild mit der Aufschrift „Bildung. Weiter denken!“ in den Händen.
Eine Streikteilnehmerin hält ein Schild mit der Aufschrift „Bildung. Weiter denken!“ in den Händen.

Nachdem bereits im Sommer die relevanten Tarifmerkmale zur Eingruppierung und zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gekündigt wurden und die tarifliche Friedenspflicht Ende Dezember ausgelaufen ist, übergibt Verdi als verhandlungsführende Gewerkschaft der Arbeitgeberseite am 25. Februar 2022 zum Verhandlungsauftakt die Forderungen der Gewerkschaften. Die GEW beteiligt sich aktiv an der Tarifauseinandersetzung. Mitte März und Ende April sind weitere Verhandlungsrunden geplant.

Die Forderungen lassen sich unter drei Bündeln zusammenfassen:

  • Erstens sollen die Arbeitsbedingungen durch tarifvertraglich festgelegte Anspruchs- und Planungsregelungen der Arbeitszeit für die sogenannte fallunspezifische Arbeit, für Vor- und Nachbereitung, Arbeit im Sozialraum (Netzwerkbildung), Dokumentation und so weiter, und durch Einführung von Entlastungstagen verbessert werden.
  • Zweitens soll ein Rechtsanspruch auf Qualifizierung für alle Beschäftigten unter anderem, um einen höherwertigen Berufsabschluss (zum Beispiel von der Kinderpflegerin zur Erzieherin) zu erreichen, tarifvertraglich vereinbart werden.
    Zur Stärkung der Qualifizierung sollen zudem Ausbilder*innen zeitlich entlastet und besser vergütet werden.
    Mit diesen Maßnahmen und der Anerkennung der außerhalb des öffentlichen Dienstes erworbenen Berufserfahrung und Berufstätigkeit soll dem Fachkräftemangel begegnet werden.
  • Drittens, und ebenso gewichtig wie die ersten beiden Bündel, sind die Forderungen zur Eingruppierung. Unter anderem fordern die Gewerkschaften eine höhere Grundeingruppierung für die Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen sowie eine Anhebung der Mindesteingruppierung für die Sozialassistent*innen und Kinderpfleger*innen.
    Ebenfalls sollen Leitungstätigkeiten besser bezahlt werden.
    In den Blick genommen haben die Gewerkschaften auch neue beziehungsweise bisher noch nicht in der Eingruppierungsordnung berücksichtigte Gruppen. So sollen erstmals Regelungen für die Schulsozialarbeit, die Beschäftigten in der Ganztagsbetreuung und die Schulassistenz beziehungsweise Schulbegleitung getroffen werden.
    Hier ist zu hoffen, dass es endlich auch gelingt, für die Kindheitspädagog*innen ein eigenes Tätigkeitsmerkmal zu etablieren.
    Alle Kolleg*innen sollen durch die allgemeinen und insgesamt kürzeren Stufenlaufzeiten im TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) profitieren.

Mit Protest und Streiks Verbesserungen erreichen

Die Arbeitgeber sehen keinen Spielraum für finanzielle Verbesserungen und führen wenig überraschend die Pandemie als Begründung an. Der Blick auf die Pandemie ist dabei grundsätzlich lehr- und hilfreich. Die Arbeitgeber sollten aber die richtigen Schlüsse ziehen. Die letzten zwei Jahre haben die Beschäftigten in den Kindertagesstätten, den Jugendhilfeeinrichtungen und der Behindertenhilfe vor große Herausforderungen gestellt und viele Kolleg*innen stark belastet. Die lange Zeit der Pandemie hat dabei der gesamten Gesellschaft vor Augen geführt, wie wertvoll und anspruchsvoll ihre Arbeit ist. Überdeutlich wurde in der Pandemie aber auch, wie unzureichend die Arbeitsbedingungen sind und wie groß der Bedarf nach Fachkräften ist. Die Gewerkschaften haben zur Lösung dieser Probleme die richtigen Forderungen gestellt. Es liegt nun an den Arbeitgebern, darauf angemessen und lösungsorientiert zu reagieren.

Die Erfahrung lehrt: Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) wird sich nicht alleine am Verhandlungstisch überzeugen lassen – egal wie gut und stichhaltig die Argumente sind. Dass die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst aber in der Lage sind, über Protest und Streiks den kommunalen Arbeitgebern Verbesserung abzuringen, haben die letzten Tarifrunden im TVöD gezeigt. Die GEW in Baden-Württemberg bringt sich mit ihren Mitgliedern im Sozial- und Erziehungsdienst in die Tarifrunde aktiv ein.

Die Tarifauseinandersetzung ist wegen Corona organisatorisch für die Gewerkschaften eine Herausforderung. Die letzten Tarifrunden bei den Kommunen und bei den Ländern haben aber gezeigt, dass Arbeitskämpfe unter Pandemiebedingungen möglich sind. Anders als vor zwei Jahren, als wegen des Pandemieausbruchs die schon geplante Tarifrunde abgesagt wurde, wird Corona diese Tarifverhandlungen nicht stoppen – bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Sozial- und Erziehungsdienst sind überfällig.

Der Kampf um die Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienst knüpft an die Tarifauseinandersetzungen in den Jahren 2009 und 2015 an. 2009 wurde erstmals ein Tarifvertrag zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst geschaffen und eine eigene Eingruppierungstabelle erreicht, mit der die Verluste der Tarifreform von 2005 – Ablösung des Bundesangestelltentarifs bei Bund und Kommune durch den TVöD – ausgeglichen wurden. 2015 wurde in einem mehrmonatigen Tarifkampf ein Etappensieg erreicht: Viele Tätigkeiten wurden einer höheren Entgeltgruppe zugeordnet, wie beispielsweise Erzieher*innen, Kita-Leitungen, Heilpädagog*innen und Sozialpädagog*innen. Allerdings blieb der Abschluss hinter den Erwartungen der Kolleg*innen zurück. Jetzt ist es an der Zeit diese Erwartungen zu erfüllen.

Kontakt
Martin Schommer
Referent für Tarif-, Beamten- und Sozialpolitik
Telefon:  0711 21030-12