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Schulräte

Auf der Suche nach guten Lösungen

Die Schulaufsichtsbehörden achten als staatliche und neutrale Behörden darauf, dass in Schulen korrekt gearbeitet wird. Sie sorgen für ein funktionierendes Schulsystem. Zur Rolle der Schulrät*innen auf Schulamtsebene.

von links: Martin Morgen, Markus Kreilinger und Martin Schüler
von links: Martin Morgen (Vorsitzender im Hauptpersonalrat außerschulischer Bereich), Markus Kreilinger (Schulamtsdirektor für Personalplanung und stellvertretender Amtsleiter am Schulamt Donaueschingen) und Martin Schüler (Schulamtsdirektor für Inklusion und SBBZ am Schulamt Tübingen)

„Geht es der Schulverwaltung gut, geht es auch den Schulen gut“, diese Botschaft ist Martin Morgen wichtig. Er war Seminarschulrat und jahrelang Vorsitzender im Hauptpersonalrat für den außerschulischen Bereich (HPR asB). Seit einem Jahr ist er im Ruhestand. Der HPR asB setzt sich unter anderem dafür ein, dass Schulrät*innen bei ihrer Arbeit gute Bedingungen haben.

Ein paar Zahlen belegen: Die Schulaufsicht ist eine sehr schlanke Behörde. Für die rund 3.500 Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschaftsschulen und Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (GHWRGS) gibt es 21 Schulämter. Im Durchschnitt verwaltet jedes Schulamt mit rund zehn Schulrät*innen 170 Schulen. Die Abteilungen 7 an den Regierungspräsidien sind zuständig für die Schulämter (SSA) und üben direkt die Schulaufsicht über die Gymnasien, Beruflichen Schulen und die Schulen besonderer Art aus. Über allen steht das Kultusministerium.

Eine Schulrätin / ein Schulrat am SSA ist rein statistisch gesehen für 17 bis 20 Schulen zuständig. Wobei sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte über­nehmen. So gibt es beispielsweise Personalschulrät*innen, die für die Unterrichtsversorgung verantwortlich sind. Sie hätten bei dem Lehrkräftemangel keine leichte ­Aufgabe, weiß der frühere Personalrat Martin Morgen, sie könnten nur den Mangel verwalten.

Markus Kreilinger mag das nicht ganz so stehen lassen. Er ist stellvertretender Leiter des Schulamts Donaueschingen und als Schulamtsdirektor für die Personalplanung im Schwarzwald-Baar-Kreis zuständig. Eine seiner Aufgaben ist, dort die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Die ländliche Region gehört nicht zu den Lieblingsorten von jungen Lehrkräften. Auch wenn das seine Arbeit erschwert, sagt Kreilinger: „Viele helfen mit. Wenn wir beweglich und kreativ sind, finden wir gute ­Lösungen.“ Dazu gehört für ihn, Personen ohne Lehramtsbefähigung (PoL) und Direkt­einsteiger*innen eine Chance zu geben und das Beste daraus zu machen.

Der Umbau der Schulverwaltung mit dem Qualitätskonzept vor fünf Jahren hat vieles verändert. Für die Lehrkräftefortbildung ist jetzt das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) zuständig und nicht mehr die Schulaufsicht. „Vorher war auch nicht alles gut“, räumt Morgen ein, viele Fortbildungen seien früher ausgefallen. Jetzt fehlt es seiner Meinung nach aber an Personal und funktionierenden Schnittstellen. Das werde deutlich, wenn es um Schulentwicklung mit datengestützten Statusgesprächen gehe. Seit diesem Schuljahr müssen Schulrät*innen mit allen Schulleitungen auf der Grundlage von Schuldaten Gespräche führen. Da fließen unter anderen VERA-Ergebnisse ein, so dass der Schule Datenmaterial zu Verfügung steht, mit dem sie analysieren kann, wie die Schule dasteht. Wichtig sei, sagt Morgen, dass Schulrät*innen und Schulleitung die Daten gemeinsam interpretieren. Wenn Leistungen von Schüler*innen überdurchschnittlich gut seien, könne es auch am guten Einzugsgebiet der Schule liegen. Im Gespräch ginge es nicht darum, nach Entschuldigungen, sondern nach Lösungen zu suchen. Mehr sprachsensibler Unterricht könnte eine Lösung sein, wenn an einer Schule viele geflüchtete Kinder ankommen. Und wenn sich die Anzahl der Versetzungsanträge an einer Schule häufen, kann die Kommunikation und Zusammenarbeit an der Schule hinterfragt werden.

Für ihn ist wichtig, dass in ein paar Jahren Bilanz gezogen wird, was die Gespräche bewirken. Kreilinger beurteilt die zusätzlichen Gespräche zweigeteilt. Sie verursachten einerseits zusätzliche Arbeit, ermöglichen ihm aber andererseits direkte Kontakte mit Schulen. „Ich freue mich darauf“, sagt er.

Datenblätter gute Grundlage für Gespräche

Martin Schüler sieht die datengestützte Qualitätsentwicklung auf einem guten Weg. Er ist Schulamtsdirektor im Schulamt Tübingen und unter anderem für Inklusion und SBBZ zuständig. Gespräche mit Schulleitungen hätten Schulrät*innen auch früher schon geführt, aber die neuen Datenblätter seien eine gute Grundlage. Die VERA-Ergebnisse spielen zwar in SBBZ keine Rolle, aber den Fokus auf die Unterrichtsentwicklung zu legen, findet er richtig und wichtig. Nach seinen bisherigen Erfahrungen bringen Schulen gute Vorschläge in die Zielvereinbarungen ein, bei denen der Unterricht im Mittelpunkt steht.

„Ich war skeptisch“, räumt Annemarie Raab ein. Die Schulleiterin der Falkertschule, einer Grundschule in Stuttgart, hat das Statusgespräch schon erlebt. „Es war sehr strukturiert, zielorientiert, konkret und wertschätzend“, bilanziert sie. Gut sei, dass die Fakten auf dem Tisch lägen und sie nicht so viel erklären müsse. So habe sie auf der Grundlage schon bestehender Konzepte gute Unterstützungen bekommen, wie die Schule weiterarbeitenkönne. „Es funktioniert aber nur, wenn Schulleitungen gut vorbereitet sind, ihre Stärken kennen und den Entwicklungsbedarf der Schule nicht als Fehler bei sich als Person sehen“,  schränkt Raab ein. Sie selbst könne professionell-distanziert auf die Daten und die Schule schauen und hat sich nach dem Gespräch ermuntert gefühlt.

ZSL ist für Fortbildungen zuständig

Wenn in Statusgesprächen Probleme erkannt werden, können Fortbildungen helfen. Hier sind Schulrät*innen auf das ZSL angewiesen, die dafür zuständig sind. Martin Morgen bezweifelt, ob die Angebote des ZSL immer wirken und befürwortet eine bessere Abstimmung. „Online-Angebote führen zu vielen Teilnehmer*innen, doch sind sie auch nachhaltig?“, fragt der langjährige Personalrat. Theoretisch sei vieles in Ordnung, ganz praktisch fehle es vor allem im GHWRGS-Bereich an Fachberater*innen. Lehrkräfte seien nicht mehr bereit, für eine lächerliche Zulage von 38 Euro die Arbeit zu übernehmen. So stehe das Konzept auf tönernen Füßen. Markus Kreilinger, der vor über 20 Jahren als Fortbildungsschulrat seine Arbeit in der Schulaufsicht begonnen hat, fand „die alte Struktur für mich günstiger“, er wirbt aber dafür, den Blick nicht nach hinten zu richten, sondern nach guten Lösungen zu suchen.

Unter idealen Bedingungen könnten Schulrät*innen Schulen mit besonderen Problemen mehr Ressourcen zukommen lassen. Das kann mehr Schulsozialarbeit sein, externe Hilfen aus dem Landesmedienzentrum oder Unterstützung für Schulleitungen. Die tatsächlichen Möglichkeiten der Schulrät*innen sind begrenzt. „Zehn bis 20 Prozent der Schüler*innen sind in höheren Klassen richtig abgehängt. Sie laufen nur noch mit oder werden weitergereicht“, sagt Martin Morgen. Dabei wüssten schon Grundschullehrkräfte nach einem halben Jahr, welche Schüler*innen zusätzliche Förderung bräuchten, um die Mindeststandards zu erreichen. Je früher desto besser. Das sei mittlerweile ein alter Hut und trotzdem werde politisch nicht nachgesteuert.

Dass Schulrät*innen trotzdem Schulentwicklungen erfolgreich anstoßen können, hängt in erster Linie davon ab, ob sie das Vertrauen der Schulleitungen und des Kollegiums gewinnen. „Wenn sich Schulleitungen und das ­Kollegium verschließen, gibt es nur noch Alibi-Aktionen“, meint Morgen. Die Rolle der Schulaufsicht sei Unterstützung und Beratung. Sie müsste als kritischer Freund gesehen werden. Wobei Morgen weiß, dass das Image von Schulrät*innen auch ein anderes sein kann. Sie entscheiden über Versetzungen und Beförderungen und damit über Lebensläufe von Lehrkräften. „Das kann schon angstbesetzt sein“, gibt Morgen zu. Das sei allerdings dysfunktional. Nur im kollegialen Austausch lasse sich was bewegen. „Wer von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht, hat verloren“, zitiert er den ehemaligen Schulamtsdirektor aus Tübingen, Wolfgang Straub. „Wir kommen nur gemeinsam voran“, sagt auch Schüler. Er sieht sich hauptsächlich als Berater und ist froh, dass die Beratungsaufgabe der Schulaufsicht wieder im Schulgesetz ­verankert ist. Alles andere würde nicht dem Alltag entsprechen. Kreilinger äußert sich ähnlich. Ein gutes Unterstützungssystem lasse sich nur auf der Basis von Vertrauen aufbauen. Dafür gibt er alles: „Ich mache mir viele Gedanken, höre gut zu und erkläre meine Entscheidungen so gut es geht.“ In Personalangelegenheiten könne aber nicht alles transparent gemacht werden. Wie seine Arbeit ankomme, müssten andere beurteilen.

Wir fragten Markus Schütz. Er ist GEW-Personalrat und ÖPR-Vorsitzender am SSA Donaueschingen und arbeitet quasi täglich mit Kreilinger zusammen. „Ich möchte seinen Job nicht haben“, sagt Schütz, „er muss aus großen Löchern kleine Löcher machen und dafür viele unbeliebte Entscheidungen treffen.“ Dazu gehöre beispielsweise, Lehrkräfte an andere Schulen abzuordnen oder Versetzungswünsche abzulehnen. Das seien hochkomplexe Entscheidungen, weil sie oft große Auswirkungen hätten. Dafür sei viel Fingerspitzengefühl nötig und bedürfe großer System- und Menschenkenntnis. Kreilinger entscheide nie über die Köpfe der anderen hinweg, auch wenn er letztlich doch bei seinem Entschluss bliebe. „Er erklärt sehr viel, stößt aber an seine Grenzen, wenn er beispielsweise aus Datenschutzgründen oder wegen Verschwiegenheitspflichten nicht sagen kann, dass eine Kollegin nicht abgeordnet werden kann, weil sie einen Behindertenstatus hat, dafür aber jemand anders gehen muss.“ Schütz lobt auch, dass er von Kreilinger alle nötigen Informationen bekomme und nicht wie andere ÖPR-Vorsitzende darum kämpfen müsse. „Wir arbeiten wirklich sehr vertrauensvoll zusammen“, resümiert Schütz. Kreilinger bleibt trotz allem positiv. Einen Lehrkräftemangel gebe es bundesweit, im ländlichen Raum gebe es lediglich „eine Zugabe“.

Zu wenig Verwaltungskräfte in den Schulämtern

Besonders dünn ist die Personaldecke bei den Verwaltungskräften in den Schulämtern. „Dort fehlen Beschäftigte in den Sekretariaten. Dann müssen die Schulrät*innen eben selbst zum Kopieren gehen oder Listen erstellen“, bemängelt Morgen. Das sei ähnlich schlecht wie bei den Schulpsycholog*innen. Dort regten sich aber noch Eltern auf, wenn niemand ans Telefon gehe. Bei den Schulämtern kümmere das außer den Schulen niemand.

Dass Verwaltungskräfte schmerzlich vermisst werden, bestätigt auch Martin Schüler. Die Verwaltungskräfte würden wichtige Aufgaben erledigen. „Ich kann keinen Mutterschutz ausrechnen“, nennt er als Beispiel. Die Verwaltungskräfte an den Schulämtern würden zudem im Vergleich zu den kommunalen Verwaltungskräften zu wenig verdienen. In seinem Schulamt könnten sie die Personen nur halten, weil bei ihnen das Arbeitsklima gut sei.

Der Reiz der Aufgabe

Was ist attraktiv an dem Amt des Schulrats, einer Schulrätin? Martin Morgen war bei vielen Stellenbesetzungen beteiligt und sagt: „Es hat ein Rollenwechsel stattgefunden.“ Die jüngere Generation sei heute lockerer und zugänglich. Ihr innerer Motor sei, Entwicklungen anzustoßen und ein Gestaltungswille. Das Renommee von Schulrät*innen nach außen sei attraktiv, und wer auf dem Karriereweg weiterkommen möchte, kann die Schulrats­arbeit als Station dazu sehen.

Täglich neue Herausforderungen bewältigen zu können, findet Martin Schüler reizvoll. Ihn treibt auch den Wunsch an, möglichst allen Schüler*innen Teilhabe zu ermöglichen. Für diesen Anspruch nutzt er seinen Einfluss und wenn es gar nicht anders geht, auch sein Weisungsrecht. Wobei er das bisher nur ein einziges Mal nutzte.

„Die Besoldung, macht die Arbeit nicht unbedingt attraktiv“, sagt Martin Morgen als ehemaliger Personalrat. Die Schulleitung einer Gemeinschaftsschule verdiene A15. Schulrät*innen steigen mit A14 ein und könnten frühestens nach vier Jahren Schulamtsdirektor*in werden. Eine Regelbeförderung, bei der die Kolleg*innen nach vier bis fünf Jahren automatisch aufsteigen, gebe es nicht. Das findet Martin Morgen nicht gerecht. Zumal neue Aufgaben wie die datengestützten Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit Schulleitungen obendrauf gekommen seien. Auch wenn Fortbildungsaufgaben weggefallen seien, gleiche das den Zusatzaufwand nicht aus.

Anforderungen an die Aufgaben

Was ist wichtig für die Aufgabe einer Schulrätin / eines Schulrats? Die erste Lektion von neuen Schulrät*innen sei, sagt Martin Morgen, Probleme schnell zu lösen und „reden und nicht nur schreiben.“ „Im Umgang mit Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen sind verbale Erklärungen besser als schriftliche Setzungen“, bestätigt Martin Schüler die Einschätzung. Schnell reagieren, bestätigt er auch, doch es gebe nicht immer ideale Lösungen für alle. Veränderte Schüler*innen, mangelnde Lehrkräfteversorgung und nicht ausreichend ausgebildete Lehrkräfte sorgten für „ganz herausfordernde Geschichten“. Wobei Schüler lieber von Herausforderungen als von Problemen spricht. Er möchte konstruktiv vorankommen und beratend hilfreich sein. Dabei wenden sich viele hilfesuchend an ihn als Schulrat für SBBZ, wenn Schüler*innen ein besonders herauforderndes Verhalten an den Tag legen.

Insgesamt seien Schulräte sehr lösungsorientiert, pragmatisch und nicht ideologisch, sagt Morgen. Sie könnten nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten agieren.

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
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