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Berufliche Schulen

„Aufbruch“ oder „Weiter so“?

Die neue Landesregierung will Aufbruchstimmung erzeugen. Im Koalitionsvertrag dominiert jedoch das „Weiter so“. Lehrkräftemangel und Arbeitsbelastung sind für die Koalitionäre kein Thema. Ob das ausreicht, um die Zukunft zu gestalten, ist fraglich.

Eine Lehrerin gibt Sprachförderunterricht an einer beruflichen Schule.
Foto: © imago

Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist zwar sehr bemüht, einen politischen Aufbruch zu verkünden, im Bereich der Beruflichen Bildung dominiert aber eher das „Weiter so“:

  • Die Maßnahmen der Enquetekommission von 2010 sollen fortsetzt und weiter finanziert werden.
  • Die 2013 begonnene Reform des Übergangsbereiches (Einführung des Bildungsganges Ausbildungsvorbereitung dual) soll weiter in der Fläche umgesetzt werden.
  • Angestrebt wird weiterhin eine Ausbildungsgarantie für alle Jugendliche auf der Grundlage einer außerbetrieblichen (also einer öffentlich geförderten und finanzierten) Ausbildung. Auch dies war bereits Bestandteil des Reformkonzeptes Übergangsbereich.
  • Der Modellversuch „Zweiter vollständiger Berufsschultag“ mit dem Ziel, leistungsschwache Auszubildende besser fördern zu können beziehungsweise leistungsstärkeren Schüler*innen den Erwerb einer Zusatzqualifikation zu ermöglichen, ist erneut im Koalitionsvertrag aufgenommen worden.
  • Die Förderung von Migrant*innen und das Projekt sprachsensibler Unterricht sollen ebenfalls fortgeführt werden.
  • Die Koalition bekennt sich zum Beruflichen Gymnasium.
  • Im Bereich der Digitalisierung sollen die Lernfabriken 4.0 verstetigt und weiter ausgebaut werden. Außerdem kündigt die Koalition erneut den Aufbau einer digitalen Bildungsplattform für alle Schulen an.

Diese Maßnahmen sind insgesamt alle sinnvoll und hatte die GEW auch gefordert. Sie konzentrieren sich darauf, laufende Projekte und Maßnahmen fortzusetzen und bieten insoweit Verlässlichkeit. Offen bleibt, was unter dem Finanzierungsvorbehalt tatsächlich umgesetzt wird.

Ob das aber ausreicht, um die Zukunft zu gestalten, ist allerdings fraglich. Die Koalition möchte zwar zum Beispiel die duale Ausbildung attraktiver und fit für die Zukunft machen, wie das aber erreicht werden soll und inwieweit dies zielführend ist, bleibt unklar. Wir erleben derzeit in bestimmten Ausbildungsbereichen wieder eine verstärkte Bewegung hin zur akademischen Ausbildung, zum Beispiel das duale Studium. Unter Umständen müssen hier zukünftig andere Ausbildungsformate geschaffen werden.

Viel aufschlussreicher sind allerdings die Themen, die nicht oder nur sehr vage angesprochen werden.

Die „konsequente Qualitätsentwicklung“ wird zum Leitziel der Bildungspolitik erklärt. Die Koalition will zwar das Qualitätskonzept von Susanne Eisenmann evaluieren (dies hat die GEW auch gefordert), gleichzeitig enthält der Koalitionsvertrag aber ein eindeutiges Bekenntnis zur Fortführung dieses Konzeptes, was einer Vorfestlegung gleichkommt. Das Konzept beschränkt sich bislang lediglich auf den Umbau der Schulverwaltung durch die Gründung zweier teurer Institute (ZSL und IBBW). Bislang ist nicht erkennbar, welche Impulse für eine Qualitätsentwicklung zum Beispiel vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) ausgehen beziehungsweise ausgehen können und sollen. Qualitätsentwicklung muss an der Schule stattfinden, dafür brauchen diese aber vor allem Freiräume und Anrechnungen, um diese Prozesse gestalten zu können. Veränderungen in der Schulverwaltung helfen hier nur sehr bedingt.

Ein zentrales Problem für die Beruflichen Schulen stellt nach wie vor der Bewerber*innenmangel für das Lehramt dar. In den vergangenen Jahren konnten lediglich circa 30 bis 40 Prozent der freien Stellen mit Lehrkräften aus der eigenen Ausbildung besetzt werden. Die GEW fordert deshalb schon länger, dass der Lehrkräfteberuf attraktiver gestaltet werden muss, dazu gehört vor allem eine Begrenzung und Absenkung der Arbeitszeit und -belastung. Ein Ansatz bietet dazu lediglich das Schulleitungskonzept, das unter anderem eine Erhöhung der Schulleitungsfreistellung und eine Rücknahme der Kürzung des Allgemeinen Entlastungskontingentes vorsieht.

Ansonsten halten die Koalitionäre fest: „Lehrkräfte gestalten Qualität an Schulen. Für ihre Arbeit gebührt ihnen Wertschätzung und Anerkennung in der Öffentlichkeit.“ Skepsis bleibt zurück. Die Pflege lässt grüßen!

Alles in allem lässt der Koalitionsvertrag mehr Fragen offen, als er klärt. Die eigentlichen Festlegungen und Entscheidungen werden wohl erst bei den Haushaltsberatungen getroffen werden.

Kontakt
Magdalena Wille
Referentin für Berufliche Bildung und Weiterbildung
Telefon:  0711 21030-21
Mobil:  0160 90565239