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Bachelor/Master, ein Desaster?

Seit dem Wintersemester 2015/16 sind alle Lehramtsstudiengänge in Baden-Württemberg auf Bachelor und Master umgestellt worden. Viele Ziele, die in der Bologna-Erklärung angestrebt wurden, werden nicht erfüllt. Die GEW fordert, dass Studierenden nach dem Bachelor-Abschluss der Zugang zum Master nicht verwehrt bleiben darf.

Bologna für das Lehramt läuft nun an. Die Regelstudienzeit des Lehramtsstudiums für die Sekundarstufe I und für Sonderpädagogik wird auf zehn Semester verlängert, wie sie für das Lehramt an Gymnasien und Beruflichen Schulen bereits heute gilt. Die Dauer des Studiengangs Lehramt an Grundschulen bleibt unverändert bei acht Semestern.

Warum wurde die Lehrer/innenbildung überhaupt reformiert?
Am 19. Juni 1999 unterzeichneten Bildungsminister/innen aus 29 europäischen Mitgliedsstaaten die Bologna Erklärung. Dort wird die Schaffung eines „Europäischen Hochschulraums“ bis zum Jahr 2010 vereinbart. Der Prozess ist derzeit in 48 Ländern, die gemeinsam mit der Europäischen Kommission Mitglieder des Bologna-Prozesses sind, umgesetzt.
Zentrale Ziele der Erklärung sind u.a.
•    die Einführung leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse
•    die Einführung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen
•    die Einführung eines Leistungspunktesystems
•    die Förderung der Mobilität von Lehrenden und Studierenden
Wesentliches Ergebnis dieses Vorhabens ist die flächendeckende Umstellung der Studienstruktur auf Bachelor und Master. Die Umstellung der Lehramtsstudiengänge verfolgt dabei weitere besondere Ziele:
•    eine stärkere Orientierung des Studiums an den Anforderungen der Schule
•    eine bessere Verzahnung von Studium und schulpraktischer Ausbildung
•    eine größere Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Lehramtsstudiengängen
•    eine bessere Platzierung und Organisation des Studiums innerhalb der Hochschule.
Dies gilt auch für die Hochschulen in Baden-Württemberg und somit auch für das Lehramtsstudium.

Was heißt es, den lehramtsbezogenen Bachelor und Master zu studieren?

Wer den dreijährigen lehramtsbezogenen 2-Fach-Bachelor of Arts/Science/Education abschließt und weiterhin überzeugt ist, Lehrer/in werden zu wollen, dem/der steht ein in der Regel zweijähriger Master of Education offen. Im Lehramt Grund-schule dauert der Master nur ein Jahr. Diese Benachteiligung der künftigen Grundschullehrer/innen ist für die GEW ein entscheidender Fehler der Reform. Als Absolvent/in des lehramtsbezogenen Bachelor verfügt man über einen berufsqualifizierenden Abschluss, der jedoch nicht zur Ausübung des Lehrer/inberufes berechtigt. Dafür benötigt man im Anschluss ein konsekutives Studium zum Master of Education.
Die Studierenden müssen sich erst verbindlich für den Lehrer/innenberuf entscheiden, wenn sie im Bachelor Erfahrungen gesammelt haben. Bis dahin steht ihnen die Möglichkeit offen, sich anderen Studiengängen zuzuwenden. Universitäten, Pädagogische und weitere Hochschulen sollen künftig intensiver in der Lehrer/innenausbildung kooperieren, um neue Konzeptionen der Lehramtsstudiengänge umzusetzen. So werden „Professional Schools of Education“ (PSE) als neue Zentren für die Lehramtsstudiengänge an vielen Hochschulen gegründet. Die GEW begrüßt, dass mit den PSE ihre weitgehenden Forderungen nach Kooperationen zwischen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Pädagogischen Hochschulen umgesetzt werden.


Wechsel wird erschwert
Neu und zugleich problematisch ist, dass Universitäten, Hochschulen und Pädagogische Hochschulen die entsprechenden „Master of Education“-Studiengänge gemeinsam gestalten können. Bei der Umstellung zeichnen sich deutliche Unterschiede bei der Konzeption und Organisation der Studiengänge ab – obwohl das Ziel der Bachelor/Master-Umstellung eigentlich war, Studienabschnitte vergleichbar zu machen und damit den Wechsel zwischen Hochschulen zu erleichtern. Dies gilt besonders für die Umrechnung von Lehrveranstaltungen in ECTS-Punkte, die die damit verbundene Arbeitsbelastung messen und so anderen Hochschulen einen Anhaltspunkt liefern sollen, wie umfangreich der Themenkomplex behandelt wurde.
Aufgrund der spezifischen Konzeption der Studiengänge und den unterschiedlichen Rahmenverordnungen wird ein Wechsel von einer Pädagogischen Hochschule zu einer Universität schwierig.

Kritik an der Bologna-Reform

Die meisten Studiengänge der Bologna-Reform sind verschult und in ein starres Modul-Korsett gezwängt; Freude am Lernen wird oftmals durch Sammeln von Credit Points abgelöst oder durch Zeitnot verhindert.
Die Kritik am Lehramtsstudium, die in den letzten Jahren auch aus anderen Bundesländern laut wurde, ist der fehlende Praxisbezug. Lehramtsabsolvent/innen bekämen nach dem Studium einen Praxisschock und seien zu schlecht auf die Praxis vorbereitet. Dies trifft auch in Baden-Württemberg zu. Drei Wochen Schnupperpraktikum im Bachelorstudium reichten nicht, beanstandet die GEW seit langem. Dass das Integrierte Semesterpraktikum bzw. das Praxissemester in den Studiengängen für das Lehramt an Sekundarschule I und das für Gymnasien erst im Masterstudium und damit gegen Ende des Studiums absolviert werden soll, hält die GEW für die Berufs-orientierung, die Studienmotivation und die Entwicklung von Aufmerksamkeitsrichtungen für eindeutig zu spät. Die GEW fordert deshalb, das Praxissemester wie in den Lehrämtern für Grundschule und Sonderpädagogik verpflichtend gegen Ende des Bachelorstudiums zu verorten. Nur so können die Studierenden die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Praxissemester im weiteren Studium nutzen.


Als Zugangskriterium zum Master ist ein NC bzw. die Zugehörigkeit zu den besten 50 Prozent eines Jahrgangs vorgesehen. Nur jede/r zweite/r Bachelor Absolvent/in bekommt einen Masterplatz. An dessen Ende steht der Master-Abschluss, gefolgt von 18 Monaten Referendariat.  Absolvent/innen des Lehramts Grundschule bekommen nach dem Referendariat dafür 60 ECTS-Punkte angerechnet.
Der Bachelor ist so konzipiert, dass ein Masterstudium theoretisch jenseits der Lehramtsschiene möglich wird (Polyvalenz.) Doch in der Praxis sieht es anders aus. Nach Verwaltungsgerichtsurteilen anderer Bundesländer haben Studierende nicht-polyvalenter Lehramtsbachelorstudiengänge Chancen, das Recht auf den Zugang zum Masterstudiengang zugesprochen zu bekommen. Da ihr Bachelor nicht bereits für den Beruf qualifiziere, aber auch keine freie Bahn für den Weg in einen anderen Masterstudiengang eröffne, müsse bei erfolgreich bestandenem Bachelor ohne Einschränkung die Zulassung zum Masterstudienplatz gewährt werden. So hat z.B. das Verwaltungsgericht Osnabrück (Az: 1 A 77/13) argumentiert. Demgegenüber fällt bei polyvalenten Studiengängen diese Begründung weg. Den Bachelorabsolvent/innen, die keinen Masterstudienplatz erhalten, die sie für das Lehramt qualifizieren, kann hier vorgehalten werden, dass sie sich doch auch um einen anderen Masterstudienplatz hätten bewerben können.

GEW fordert einen Rechtsanspruch auf Master!
Der Übergang von Bachelor auf Master darf keine weitere Selektionshürde bilden. Nach der Umstellung der Staatsexamensstudiengänge auf Bachelor und Master besteht die Gefahr, dass Bachelor-Absolvent/innen ein Masterstudiengang verwehrt wird. Mit einem Bachelor Abschluss kann man aber nicht als Lehrer/in arbeiten. Das Land muss die Zulassungsvoraussetzungen ersatzlos aus ihren Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge streichen. Die GEW fordert, dass jede/er Absolvent/in eines Bachelor-Studiengangs einen Rechtsanspruch auf einen weiterführenden Masterstudiengang erhalten muss.