Unterfinanzierung des öffentlichen Schulwesens
Bildung auf Kante genäht
Das öffentliche Bildungswesen wird kaputt gespart. Reformen sind finanziell nicht ausreichend unterfüttert – und nur darauf ausgelegt, die schlimmsten Missstände abzumildern. Ausbaden müssen es die Schüler*innen und Lehrkräfte.
Es ist nicht neu und daher um so schlimmer. Den Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften geht es schlecht.
Die Kinder und Jugendlichen haben zunehmend Schwierigkeiten mit den Basics, mit Schreiben, Lesen, Rechnen, wir Lehrkräfte erleben es im Schulalltag und alle Studien ergeben das. Die Auslieferung der Kinder und Jugendlichen an die Sozialen Medien verschärft die Krise seit Jahren. Digitalisierung hilft uns Lehrkräften einerseits bei der Arbeit, gelingt aber dann, auch schulträgerabhängig, nur zum Teil. Zwölf Prozent der Schülerinnen und Schüler brechen in Deutschland die Schule ab, absolut sind das über 50.000 junge Menschen. Die Zahl liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt. Auch in Baden-Württemberg ist die Zahl der Abbrecher stark gestiegen, von 4,3 Prozent im Jahr 2015 auf 6,9 Prozent in 2022 laut SWR, Tendenz steigend. Solche Zahlen kann sich unsere Gesellschaft doch gar nicht leisten!
Alle Reformen, die vom Kultusministerium auf den Weg gebracht werden, sind von Anfang an „Anti-Reformen“, welche die schlimmsten Missstände abmildern sollen. Oft werden sie finanziell nicht ausreichend unterfüttert. G9, Lernen auf dem Gymnasium mit mehr Zeit führt faktisch zu weniger Zeit, denn die Anzahl der Stunden pro Fach werden gekürzt, Nachmittagsunterricht und -angebote, manchmal das Mittagessen entfallen. Die Reform des Übergangs von der Grundschule aufs Gymnasium bringt uns in alte finstere Zeiten zurück und entwickelt sich zum Desaster. Demnach würden es lediglich sechs Prozent der Grundschüler*innen auf das Gymnasium schaffen, ein großer Teil der getesteten Viertklässler schaffte den zehnseitigen Mathetest nicht in den vorgesehenen 45 Minuten. Von Grundschulabitur ist die Rede.
Derweil fordert Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine „fehlerfreundliche Kultur“. Man ahnt schon, dass die Landesregierung damit eingesteht, dass etwas gründlich schiefgelaufen ist. Sie beeilt sich und verspricht nachzubessern. Ja, es ist Wahlkampfzeit, wie es aussieht, durchgehend bis März 2026.
Viele Kolleg*innen sind zunehmend frustriert und teils auch wütend, weil sie wissen, am Ende sind sie es, die es richten müssen. Irgendwie müssen die Schüler*innen, die von den Gemeinschaftsschulen, von den Realschulen und so weiter kommen, aufgefangen, „fit“ gemacht und durch die Prüfungen gebracht werden.
Nehmt unsere Sorgen ernst, nicht nur mit
Bei den „Statusgesprächen“, die Vertreter des Regierungspräsidiums (RP) regelmäßig an den Beruflichen Schulen mit den Schulleitungen und Örtlichen Personalräten (ÖPR) führen, spielen die Probleme an den Schulen mit zu wenigen Lehrkräften und mangelnden Unterstützungsmöglichkeiten für Schüler*innen nur am Rande eine Rolle. Wichtig ist in den Augen des RP festzustellen, die Schulen würden sich auf den Weg machen und hervorragende Arbeit leisten. Gegenüber der Presse, gegenüber den offiziellen Elternvertretern ist das eine gute Meldung unter all den trostlosen. Wer als Personalratsmitglied schon einmal an einem Statusgespräch teilgenommen und dort die teils dramatische Situation an der Schule angesprochen hat, wird verständnisvoll angeblickt und mit der Floskel „Wir nehmen das mit“ abgespeist. Im Gesprächsprotokoll wird man vergeblich nach dem Wort „überlastet“ suchen, obwohl es mehrfach gefallen ist.
Besorgniserregend ist, dass nicht nur die Eltern, die es sich leisten können, sondern auch Kolleg*innen ihre eigenen Kinder zunehmend ins Privatschulwesen stecken. Weil die „verlässliche Grundschule“ mit guten Angeboten am Nachmittag nicht funktioniert oder nur durch die Selbstausbeutung der Kolleg*innen aufrechterhalten wird. Manche Privatschule arbeitet mit Pädagogischen Assistenten und – zumindest für die Anfangszeit – mit finanziellen Anreizen für die Pädagoginnen. Sie können sich darauf verlassen, dass 85 Prozent ihrer Kosten durch öffentliche Steuergelder gedeckt werden. Anders als die öffentlichen Schulen müssen sie aber keine Rechenschaft über ihre Klassenbildung und Stundenverwendung ablegen. Ein Skandal!
Schluss mit dieser Ungleichbehandlung. Schluss mit dem Kaputtsparen des öffentlichen Bildungswesens. Es müssen Milliarden für die Schule in die Hand genommen werden, und gute Arbeits- und Lernbedingungen für die Schüler*innen und Lehrkräfte geschaffen werden, mit guten Konzepten, die es gibt. Dafür kämpfen wir in der GEW!