Von Anfang an stand die Bildungsplanreform unter großem Zeitdruck. Das Ziel, die Bildungspläne ein Jahr schneller zu erarbeiten als bei der Reform 2004, war zu ehrgeizig. Schon damals war der Zeitdruck groß, obwohl damals noch Bildungspläne ohne Abstimmung zwischen den Schularten entstanden. Die aktuelle Reform ist wesentlich komplexer. Der neue Bildungsplan muss für eine größere Durchlässigkeit zwischen den Schularten sorgen. Dafür sind wesentlich mehr Abstimmungen zwischen den Kommissionen erforderlich als bei der Reform 2004.
Viele Kolleg/innen werden sich erinnern, dass sie 2004 mit großem Aufwand Stellungnahmen erarbeitet haben, die kaum berücksichtigt wurden. Auch die holprige Einführung des achtjährigen Gymnasiums war eine Folge der Bildungsplanreform 2004. Die Verschiebung verschafft jetzt mehr Zeit, um die Rückmeldungen aus den Erprobungsschulen auszuwerten. Möglich wird damit auch die Erprobung der Pläne für die Jahrgänge 7 und 8.
Der veränderte Zuschnitt der Leitprinzipien, die in Leitperspektiven umbenannt wurden, und die damit zusammenhängende Umstrukturierung machte letztlich die zeitliche Verschiebung unumgänglich. Als neue und sechste Leitperspektive hat das Kultusministerium „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ aufgenommen. Das ist der richtige Ort, um die Themen Toleranz, Abbau von Diskriminierung, Bildung und Erziehung für eine im umfassenden Sinne inklusive Gesellschaft im Bildungsplan zu verankern. Dorthin gehört auch der Aufbau von Toleranz und die Akzeptanz für sexuelle Vielfalt als Bildungsaufgabe der Schulen. Die Gegner der Aufnahme der sexuellen Vielfalt brachen angesichts des veränderten Zuschnitts der Leitperspektiven in Jubel aus. Grund dafür haben sie nicht. Denn der Stellenwert des Themas sexuelle Vielfalt bleibt unverändert erhalten.
Das Thema Friedenserziehung ist im neuen Bildungsplan noch nicht angemessen berücksichtigt. Entsprechende Forderungen hat die GEW zusammen mit Friedensorganisationen dem Kultusministerium erneut vorgetragen.
Auch mit dem veränderten Umsetzungs- und Fortbildungskonzept hat Kultusminister Stoch weitere Forderungen der GEW aufgenommen und ist bereit, aus den Erfahrungen früherer Reformen zu lernen. Der im Ansatz gute Bildungsplan aus dem Jahr 2004 hat bis heute nicht umfassend Eingang in die unterrichtliche Arbeit der Schulen gefunden. Das lag und liegt an der unzureichenden Fortbildung. Es reicht nicht aus, einzelnen Lehrkräften die Struktur und Inhalte zu referieren. Notwendig ist die Unterstützung und Begleitung für die konkrete schulische Umsetzung. Der Aufbau eines entsprechenden personellen Unterstützungssystems erfordert einen zeitlichen Vorlauf und vor allem finanzielle Ressourcen. Hoffentlich hat Kultusminister Stoch dafür die Kraft und das Geld.
Bildungsplan: Kultusminister setzt auf Qualität statt Schnelligkeit
Kultusminister Stoch hat entschieden, dass die neuen Bildungspläne ein Jahr später, also zum Schuljahr 2016/17, in Kraft treten. Das ist eine gute Entscheidung. Die GEW Baden-Württemberg hatte die jetzt erfolgte Veränderung der ursprünglichen Leitprinzipien und die Verschiebung der Bildungsplanreform erstmals im März 2013 schriftlich gegenüber dem Kultusministerium und im Beirat der Bildungsplanreform vorgetragen und viele weitere Male angemahnt.