Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat gemeinsam mit Kultusministerin Susanne Eisenmann am 19. April 2018 im Rahmen der „Woche der beruflichen Bildung“ verschiedene berufliche Schulen in Baden-Württemberg besucht.
Auf dem Programm standen der Besuch einer Berufsfachschule Altenpflegehilfe für Geflüchtete, einer Lernfabrik 4.0, der Bundesfachklasse Orgelbau, sowie einer KoBV-Klasse (Kooperative Bildung und Vorbereitung). Damit wird klar, worum es gehen sollte: Im Fokus standen vor allem sogenannte „Leuchtturmprojekte“ an den Beruflichen Schulen.
Nun soll an dieser Stelle überhaupt nicht bestritten werden, dass derartige Projekte sinnvoll und notwendig sind, vor allem wenn es um die Weiterentwicklung der beruflichen Schulen geht. Tatsache ist aber, dass es daneben noch eine andere Realität gibt, die deutlich trister ist. Eine nach wie vor große Herausforderung ist es, die Vielzahl an Migrant/innen in eine Berufsausbildung zu integrieren.
Die Berufsfachschule (BFS) Altenpflegehilfe für Geflüchtete ist hier sicher ein sinnvoller Ansatz – in diesem Berufsfeld werden Arbeitskräfte gesucht und die Ausbildung kann mit zusätzlicher Sprachförderung kombiniert werden. Dies kann und darf aber über Probleme an anderer Stelle nicht hinwegtäuschen: Erfreulicherweise steigt mittlerweile die Zahl der Geflüchteten in der dualen Ausbildung. Erhebungen zeigen aber, dass es bei circa 70 Prozent der Jugendlichen Defizite in den Deutsch-Kenntnissen gibt und sie deshalb dringend eine ausbildungsbegleitende Förderung in Deutsch benötigen.
Das Kultusministerium (KM) hat zwar die Möglichkeit geschaffen, Deutsch-Förderkurse einzurichten, davon sind im laufenden Schuljahr allerdings nur circa 350 wegen Lehrkräftemangels zustande gekommen. Gleichzeitig sind derzeit circa 180 Stellen an den beruflichen Schulen unbesetzt!
Neue Lehrer(stellen) braucht das Land!
Der eigentliche Skandal ist aber folgender: Von den 705 Stellen für Sprachförderung an beruflichen Schulen, die alle einen KW-Vermerk („künftig wegfallend“) zum 1. August 2018 haben, sind bislang nur 400 Stellen um ein Schuljahr verlängert worden. 305 Stellen sollen wegfallen!
Darüber hinaus muss in den Klassen auch ein entsprechender sprachsensibler Unterricht entwickelt werden, was zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte bedeutet, der durch keinerlei zeitliche Anrechnung abgegolten wird. Mit einer solchen Stellenpolitik lässt sich die Herausforderung der Integration der Geflüchteten kaum bewältigen.
Digitalisierung als „Schwarzer Peter Spiel“
Unzweifelhaft stellt auch die Digitalisierung für die beruflichen Schulen eine neue beanspruchende Aufgabenstellung dar (übrigens nicht erst seit gestern), und die Einrichtung von sogenannten „Lernfabriken“, welche die durch die Digitalisierung veränderten Produktionsstrukturen labormäßig an den beruflichen Schulen abbilden, ist für eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung sinnvoll.
Dies darf aber nicht unberücksichtigt lassen, dass die Einrichtung und die Unterhaltung des laufenden Betriebs solcher Lernfabriken einen erheblichen zeitlichen Aufwand bedeuten. Die betroffenen Lehrkräfte müssen zum Beispiel Datenbanken einrichten und pflegen, sie sollen Musterstunden für andere Lehrkräfte entwickeln oder Fortbildungen auch für interessierte Betriebe durchführen: Es gibt keinerlei extra Anrechnungsstunden. Im Gegenteil: Das Land hat 2014 das Allgemeine Entlastungskontingent abgesenkt – für manche berufliche Schulen bedeutet dies eine Kürzung um bis zu 30 Prozent.