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Interview

„Bundeswehr ist auf Minderjährige angewiesen“

Klaus Pfisterer engagiert sich in der GEW für Friedensbildung – und ist Teil der bundesweiten Initiative „Unter 18 nie! – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“. Im Interview mit ihm erfahren wir, warum das Bündnis nötig ist.

Klaus Pfisterer
Klaus Pfisterer (Foto: privat)

Klaus Pfisterer ist seit vielen Jahren in der Friedensarbeit aktiv und bei AG Friedensbildung der GEW dabei. Er engagiert sich unter anderem in der bundesweiten Initiative „Unter 18 nie! – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“. Im Interview mit ihm erfahren wir, warum das Bündnis nötig ist.

Gibt es Kindersoldaten bei der Bundeswehr oder warum gibt es die Initiative?

Klaus Pfisterer: Die am 2. September 1990 in Kraft getretene Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen regelt, dass „ein Kind jeder Mensch (ist), der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat“. Wenn Minderjährige bei Kriegs- oder Bürgerkriegseinsätzen eingesetzt werden, spricht man von Kindersoldaten.

Das betrifft Schätzungen zufolge etwa 250.000 Kinder und Jugendliche weltweit, insbesondere in Afrika, Asien und Lateinamerika. Bei den Minderjährigen in der Bundeswehr trifft der Begriff „Kindersoldat“ nicht zu. Sie werden zwar an der Waffe ausgebildet und im Wachdienst eingesetzt, aber nicht in Auslandseinsätzen.

Gibt es in anderen EU-Staaten ebenfalls eine Rekrutierung Minderjähriger?

Pfisterer: Der Einsatz von ­Jugendlichen unter 18 Jahren als Soldatinnen und ­Soldaten in bewaffneten Konflikten und generell ihre Zwangsrekrutierung verstoßen gegen die Prinzipien der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Es gibt allerdings eine Ausnahmeregelung zur Einberufung Minderjähriger durch ein Zusatzprotokoll.

Von den 171 Unterzeichnern des Zusatzprotokolls nutzen nur 35 Staaten diese Ausnahmeregelung. Deutschland gehört ebenso dazu wie Großbritannien, die Niederlande, die USA und Kanada.

Deutschland verweigert sich damit der seit 2008 regelmäßig erfolgten Aufforderung der Vereinten Nationen, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen. Auch wenn die Bundesregierung formal nicht gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstößt, macht sie sich unglaubwürdig. Wer vorgibt, sich für die internationale Ächtung des Einsatzes von Kindersoldaten einzusetzen, kann nicht gleichzeitig Minderjährige in die Bundeswehr einziehen.

Wie viele minderjährige Soldat*innen gibt es in der Bundeswehr?

Pfisterer: Zum 1. Juli 2011 wurde die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Seitdem wurden mehr als 17.500 minderjährige Jungen und Mädchen zur Bundeswehr eingezogen. Die Einberufung Minderjähriger erfolgt auf freiwilliger Basis und mit dem schriftlichen Einverständnis der Erziehungsberechtigten.

2022 wurden 1.773 minderjährige Soldatinnen und Soldaten einberufen. Das waren rund zehn Prozent aller neu eingestellten Soldatinnen und Soldaten. Die Bundeswehr ist auf diese Minderjährigen angewiesen, da sich nicht genügend Freiwillige für die 20.000 Stellen bei der Bundeswehr bewerben. Ohne die Minderjährigen hätte die Bundeswehr ein noch größeres Rekrutierungsproblem.

Welche Forderungen stellt die ­Initiative an die Bundesregierung?

Pfisterer: Das Bündnis „Unter 18 nie! – Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ hat zwei zentrale Forderungen:

  1. Die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre.
  2. Das Verbot jeglicher Bundeswehr­werbung bei Minderjährigen.

Bei der ersten Forderung sehen wir uns fast am Ziel, denn im Koalitionsvertrag der Ampelregierung steht: „Ausbildung und Dienst an der Waffe bleiben volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten.“ Wir warten auf die Umsetzung.

Das Verbot jeglicher Bundeswehr­werbung umzusetzen wird schwieriger. Von den Einberufenen brechen rund 20 Prozent in den ersten sechs Monaten ihren Dienst bei der Bundeswehr wieder ab. Sie waren der verlockenden Werbung der Bundeswehr auf den Leim gegangen. Unterstützung erhalten wir von der Wehrbeauftragten des Bundestags, Eva Högl. Sie rät zu einer Überprüfung des Werbeauftritts der Bundeswehr, der ein realistisches Bild des Dienstes zeigen müsse. Soldatin oder Soldat sei kein normaler Job, kritisierte sie die Werbung der Bundeswehr.

In Gesprächen mit Abgeordneten der Ampelregierung wollen wir erreichen, dass das Verbot umgesetzt wird. Hier kann jedes GEW-Mitglied mithelfen und seine Abgeordneten dazu auffordern.

Das Interview führte Jörg Götz-Hege.

Kontakt
Jörg Götz-Hege
Leiter Vorstandsbereich Grundsatzfragen