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Personalratswahlen am Wissenschaftsministerium

Das Land muss ein moderner Arbeitgeber bleiben

Bettina Walter und Marco Unger sind die Spitzenkandidierenden der GEW für die Hauptpersonalratswahlen am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Im Gespräch berichten sie, was sie für die Beschäftigten an Hochschulen verbessern möchten.

Bettina Walter und Marco Unger
Bettina Walter und Marco Unger sind die Spitzenkandidierenden der GEW für die Hauptpersonalratswahlen am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). (Foto: Maria Jeggle)

Am 2. und 3. Juli 2024 finden die Hauptpersonalratswahlen am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) statt. Bettina Walter und Marco Unger sind im Leitungsteam der GEW-Fachgruppe Hochschule und Forschung  und die Spitzenkandidierenden der GEW für die Personalratswahlen.

Für wen ist der Hauptpersonalrat (HPR) am MWK zuständig?

Bettina Walter: Wir vertreten alle, die im Hochschulbereich beschäftigt sind. Nur die Professor*innen und auch die Lehrbeauftragten nicht. Aber Lehrende, das Verwaltungspersonal, das Wissenschaftsmanagement, studentische Hilfskräfte, Bibliotheksangestellte, Hausmeister*innen, einfach alle. Auch Kultureinrichtungen wie Museen und Theater des Landes gehören dazu, genauso Archive oder Unikliniken.

Ich bin das einzige Mitglied in diesem Gremium, das eine Lehrverpflichtung hat. Daher fällt meine Berufsgruppe innerhalb der vielen anderen nicht so sehr ins Gewicht.

Welche Berufe haben andere Mitglieder im HPR?

Bettina: Das kann ein Rüstmeister vom Theater sein, eine Laborantin von der Uni, Verwaltungsangestellte, Menschen aus Werkstätten oder dem technischen Dienst oder Aufsichtsbedienstete aus den Museen. Da sind alle Gehaltsgruppen vertreten. Ich habe als Lehrende mit A14 eine relativ hohe Besoldungsgruppe. Die meisten sind viel niedriger eingruppiert.

Da kann schon passieren, dass es für GEW-Themen wie die akademische Ar­beitszeit wenig Verständnis gibt. Ein Hausmeister hat eine Stechuhr. Für ihn ist eine Mehrarbeit abbildbar. Viele der HPR-Kolleg*innen meinen, wir sollten unsere Arbeitszeit wie in der Verwaltung dokumentieren. Das ist aber nicht so einfach.

Marco Unger: Wir sind wirklich sehr plural. Wir vertreten neben den Kultureinrichtungen über 40 Hochschulen. So kommen wir auf ungefähr 80.000 bis 90.000 Beschäftigte.

Die GEW / Verdi-Liste bildet die Pluralität ab. In der Angestelltenliste sind alle Hochschularten und alle Dienststellen wie Theater vertreten. Damit werden alle Beschäftigten repräsentiert. Bei der Zusammenstellung der Liste haben wir neben dem ausgewogenen Geschlechter­verhältnis auch auf die regionale und einrichtungsbezogene Verteilung Wert gelegt.

Bettina: Ich bin als akademische Vertreterin in das Gremium gewählt worden. Darauf lege ich meinen Fokus und dafür bin ich die Expertin. Allerdings bin ich für alle Berufsgruppen und für alle Themen, die dort ankommen, mitverantwortlich.

Marco, mit welchen Erfahrungen kannst du punkten?

Marco: Ich bin Angestellter an der Dualen Hochschule BW mit vielen kleinen Dienststellen, die gesehen werden müssen. Weil ich als Referatsleiter nicht nur geführt werde, sondern auch führen muss, verändert das meine Sichtweise. Davor war ich lange an kleinen Hochschulen befristet beschäftigt, weiß daher, wie sich das anfühlt und auswirkt. Auch meine langjährige Erfahrung in verschiedenen Funktionen und Gremien ­möchte ich einbringen. Wir müssen die Rahmen­bedingungen verbessern, damit der Arbeitsplatz Hochschule und Forschung attraktiv bleibt.

Wo könnt ihr Einfluss nehmen?

Marco: 2025 soll eine neue Hochschulfinanzierungsvereinbarung für 5 Jahre abgeschlossen werden. In Finanzierungsfragen wird der HPR angehört und er kann Anliegen einbringen. Auch für die kommende Hochschulgesetzesänderungen können wir über Stellungnahmen Einfluss nehmen. Wenn 2026 der Landtag neu gewählt wird, wird man sehen, wie sich die Regierung zusammensetzt. Das kann unsere Arbeit sehr verändern. Wichtig ist, reden, diskutieren und die Anliegen der Beschäftigten zu vermitteln.

Bettina: Die Erfassung der akademischen Arbeitszeit wird irgendwann auch bei den Hochschulen eine Rolle spielen. Dann sind wir auch gefragt.

Bettina Walter
Bettina Walter, Mitglied im HPR am MWK und in der GEW-Fachgruppe ­Hochschule und Forschung: „Ich bin als akademische Vertreterin in das Gremium gewählt worden. Darauf lege ich meinen Fokus und dafür bin ich die Expertin.“ (Foto: Maria Jeggle)

Ist es in so einem so vielfältigen Gremium nicht sehr schwierig, Erwartungen von GEW-Mitgliedern zu erfüllen?

Bettina: Ich bin in der PH Ludwigsburg auch im Örtlichen Personalrat. Alle Pädagogischen Hochschulen haben eine Arbeitsgemeinschaft gegründet und bringen bei Treffen der PH mit dem HPR ihre Themen ein. Hier geht es oft um Bedürfnisse von GEW-Mitgliedern.

Zurzeit treibt uns beispielsweise das Thema Machtmissbrauch an Hochschulen um. Die Strukturen werden meiner Wahrnehmung nach hierarchischer. Diese Abhängigkeitsstrukturen wollen wir ändern.

Marco: Mit der Novelle zum Hochschul­gesetz wollen wir grundsätzliche Strukturen aufbrechen. Deshalb ist es so wichtig, dass Gewerkschaftsmitglieder im HPR sind. Wir haben ein breites Blickfeld und können auf eine gewerkschaftliche Infrastruktur zurückgreifen. Die Hochschulfinanzierungsvereinbarung, die kurz vor Corona vereinbart wurde, hat beispielsweise zu mehr entfristeten Stellen geführt. Das war auch ein Erfolg der Gewerkschaften und des HPR. So haben mehr Menschen an Hochschulen eine gesicherte Existenz erreicht. Wir müssen allerdings realistisch bleiben. Wenn wir in Zukunft die Quote von jetzt rund 90 Prozent befristet Beschäftigte im Wissenschaftsbereich um zehn bis 15 Prozent drücken könnten, wäre das schon ein Riesenerfolg. Daher fordert die GEW ja auch eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz und mehr Dauerstellen für Daueraufgaben.

Bettina: Hochschulen sind durch die Selbstverwaltung sehr individuell. Selbst die Pädagogischen Hochschulen sind sehr verschieden. Die Hochschulen vor Ort müssen Veränderungen auch wollen.

Marco: Ganz viel hängt auch davon ab, ob die örtlichen Gremien ebenfalls aktiv sind. Und viele unserer Kolleg*innen kandidieren auch vor Ort im Personalrat. Gemeinsam lassen sich so Verbesserungen erreichen.

Ist es jetzt besonders wichtig, dass ihr gewählt werdet, weil in der nächsten Wahlperiode das Landeshochschulgesetz neu verhandelt wird?

Bettina: Es ist immer gut, wenn Kolleg*innen zur Wahl gehen und uns wählen. Man kann nie genau wissen, was in einer Wahlperiode auf uns zukommt. Wir werden aber auch selbst initiativ, wenn Kol­leg*innen Anliegen an uns herantragen.

Marco: Das Land muss ein moderner Arbeitgeber bleiben. Der Arbeitskräftemangel schlägt auch in den Hochschulen durch. Teilweise dauert es ein Jahr, bis wir Personal finden. Selbst Stellen der Professor*innen sind nicht mehr attraktiv. Wer bei einem großen Industrieunternehmen in Stuttgart arbeitet, kann deutlich mehr verdienen.

Marco Unger
Marco Unger, Mitglied im HPR am MWK und in der GEW-Fachgruppe ­Hochschule und Forschung: „Mit der Novelle zum Hochschulgesetz ­wollen wir grundsätzliche Strukturen aufbrechen. ­Deshalb ist es so ­wichtig, dass Gewerkschafts­mitglieder im HPR sind.“ (Foto: Maria Jeggle)

Das Renommee ist doch immer noch gut?

Marco: Natürlich. Das Land muss trotzdem ein attraktiver Arbeitgeber sein. Nicht nur für die Professor*innen, sondern für alle Beschäftigten. Wir haben an den Hochschulen auch Versorgungsbetriebe wie die Mensen. Dort arbeiten Kolleg*innen in E3-Stellen und teilweise nur in Teilzeit. Da sind wir bei Netto nicht mal 1.000 Euro. Auch die oftmals nicht gesehenen Stellen in der Verwaltung, Studierendensekretariate oder die berühmten halben Promotionsstellen bringen am Monatsende oft weniger als 2.000 Euro netto. Vom guten Ruf der Universität kann man keine Miete bezahlen. Da frage ich mich manchmal: Wie sollen die mit dem Lohn leben?

Was wollt ihr erreichen?

Marco: Ich arbeite mittlerweile in der dritten Hochschule im Land und kenne daher viele Menschen und weiß, wie sie arbeiten und was sie belastet. Das Land muss dafür sorgen, dass die Bedingungen an den Hochschulen vergleichbar sind. Neulich habe ich zwei Stellenausschreibungen für eine identische Tätigkeit an zwei verschiedenen Hochschulen gesehen. Die eine war mit E9 und die andere mit E13 ausgeschrieben. Da kribbelt es bei mir. Das kann nicht so bleiben.

Bettina: Auch die Qualität der Lehre müsste gleich sein. Allein die Lehrverpflichtung ist sehr unterschiedlich. Die einen haben elf Semesterwochenstunden und sonstige Aufgaben, andere 16 oder 18 und sonstige Aufgaben. Je nach sonstigen Aufgaben kann es zu größeren Unterschieden kommen. Da wird nicht qualitativ geprüft. Zu einer guten Lehre gehört, dass man auf die Qualität achtet und Zeit für Vor- und Nachbereitung einräumt.

Das Interview führte Maria Jeggle.

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Hochschule und Forschung; für Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik; gewerkschaftliche Bildung
Telefon:  0711 21030-24