Grundschule
Das System sollte für die Kinder da sein
An der Jungbuschschule in Mannheim wird viel gelacht, trotz der schlechten Rahmenbedingungen. Das Schulleitungsteam Ursula Kremer und Kirsten Hoffmann berichten, was die Ganztages-Grundschule dringend braucht.
Wie kann es sein, dass Schule gut läuft und Spaß macht, obwohl sämtliche Rahmenbedingungen dagegen sprechen? Die Jungbuschschule in Mannheim, eine gebundene Ganztagesschule, ist ein Beispiel dafür. Hier fehlt es an vielem, zum Beispiel an Ausstattung und Fachkräften. Was sie hat: Ein seit vielen Jahren eingeschweißtes, motiviertes Kollegium, Kinder, die gern zur Schule gehen und Eltern, die der Schule vertrauen. „Die Schule ist wie eine Oase“, berichtet Ursula Kremer, die die Grundschule seit 2013 leitet. Eine Oase? Eine multikulturelle Schule mit knapp 200 Schüler*innen, alle mit Migrationshintergrund und hohem Sprachförderbedarf? „Wir legen sehr viel Wert darauf, dass unsere Regeln eingehalten werden, wir gewaltfrei miteinander umgehen, Konflikte deeskalieren und das Miteinander stärken“, erklärt Konrektorin Kirsten Hoffmann, die seit 1994 an der Schule arbeitet. „Natürlich werden Konflikte zwischen unterschiedlichen Nationen hier mit hineingetragen, da reden wir nichts schön, aber die Kinder bekommen das durch die Regeln gut hin“, führt Hoffmann weiter aus.
Ständig arbeiten Kremer und ihr Team daran, die Abläufe in der Schule zu verbessern. Dabei stehen die Kinder im Mittelpunkt. Deswegen haben sie sich auch beim Modellversuch „Lernförderliche Leistungsrückmeldung in der Grundschule“ beworben und sind seit zwei Jahren eine von 43 Schulen in Baden-Württemberg, die daran teilnehmen. „Schulen sollten jedes Kind da abholen, wo es steht und entsprechend fördern, damit es nicht abgehängt wird. Das ist unser Verständnis von Schule“, unterstreicht die Konrektorin. Dieser Schulversuch biete ihnen viel Spielraum und komme ihrem Ansatz sehr entgegen. Erfolge gibt es bereits: „Die Kinder sind motivierter und zufriedener“, berichtet Hoffmann. Ihr aller Wunsch sei, dass sie das Programm nach der vierjährigen Probezeit dauerhaft weiterführen können.
Lehrkräfte zahlen aus eigener Tasche
Ein anderer, ebenso dringender Wunsch sind größere Klassenzimmer, eine bessere Ausstattung und mehr Geld für Material. Die drei Pavillons, in denen sich die Klassenräume befinden, stammen aus den 80er-Jahren. Manche Räume sehen aus wie düstere Rumpelkammern, andere sind liebevoll eingerichtet, mit Regalen voll mit Lernmaterial, bunten Bildern an den gelb gestrichenen Wänden und Topfpflanzen. „Das gestalten die Klassenlehrer*innen in Eigenregie in ihrer Freizeit und zahlen alles aus eigener Tasche“, klärt Kremer die Diskrepanz auf. „Für das Klassenzimmer meiner Schüler*innen habe ich Tausende von Euro investiert“, gibt Hoffmann Auskunft. Kremer versucht immer wieder, über Sponsoren an Geld zu kommen, was mühsam, zeitaufwendig und oftmals vergebens ist. „Für einen Schulgarten oder die Schulhofgestaltung würden wir Sponsoren finden, aber das ist nicht das, wofür wir finanzielle Unterstützung benötigen. Wir brauchen es dringend für Material“, macht die Schulleiterin klar.
Der Jungbuschschule fehlt es nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern auch an personeller Unterstützung. Die Liste ist lang. Da die Stelle der Schulsozialarbeiter*in derzeit nicht besetzt ist, steht die an erster Stelle. Durch die sozialbasierte Ressourcensteuerung bekommt die Schule zwar ein Budget vom Land, mit dem sie Unterstützungskräfte aus anderen Berufssparten finanzieren kann, „aber das reicht bei weitem nicht“, erklärt Kremer. Flexible Dolmetscher*innen genauso wie flexible Sozialarbeiter*innen wären dringend nötig für die Zusammenarbeit mit den Eltern. Denn der Alltag an der Jungbuschschule besteht auch darin, die Eltern der Schüler*innen zu unterstützen. „Viele Väter und Mütter können weder schreiben noch lesen. Wir übernehmen Aufgaben, die eigentlich sie erledigen müssten, mit denen sie aber überfordert sind, zum Beispiel Arzttermine vereinbaren“, schildert Kremer die Situation. Außerdem bräuchten sie dringend Ergotherapeut*innen für die vielen Kinder, die motorisch auffällig seien. Auch Logopäd*innen würden dringend benötigt, denn ein Großteil der Schüler*innen hat eine schwer verständliche Aussprache.
Klassenteiler auf 20 senken
Mehr Luft gäbe es für das Kollegium, wenn der Klassenteiler auf 20 Schüler*innen gesenkt würde. Der liegt bei Grundschulen derzeit bei 28. An der Jungbuschschule werden von den knapp 200 Kindern 43 inklusiv beschult. „Eine doppelte Besetzung im Unterricht ist unbedingt nötig, da die anderen Schüler*innen ja auch viel Aufmerksamkeit und Förderung brauchen“, hebt Hoffmann hervor. On top kommen die Überprüfungsverfahren sowie die zahlreichen Absprachen mit den Inklusionslehrer*innen, den Sonderpädagog*innen und den Eltern – alles ohne Entlastung durch Anrechnungsstunden. Immerhin erhält die Schule ab kommendem Schuljahr Unterstützung durch einen weiteren Sonderschullehrer.
Damit nicht genug. Die Sprachförderung ist ein weiteres Thema, das dem Leitungsteam unter den Nägeln brennt. Die Jungbuschschule bietet integrative Sprachförderung an. Das heißt, dass die Sprachförderkinder mit in den Klassen sind, aber nicht in die Berechnung des Ganztages einfließen. „Für Schulen wie unsere mit einer Schülerschaft, die 100 Prozent Migrationshintergrund hat, muss es eine durchgängige Regelung geben“, betont Kremer.
Trotz alledem ein guter Schulalltag
Trotz der vielen Baustellen, Nöten und Sorgen herrscht eine positive Stimmung an der Schule. „Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass an unserer Schule so viel wie an keiner anderen gelacht wird“, erzählt die Schulleiterin und lacht. „Wir wollen nicht jammerig rüberkommen, denn wir haben einen guten Schulalltag – nur leider schlechte Rahmenbedingungen“, versichert sie. Ihr größter Wunsch? Dass sich das System so ändert, dass es für die Kinder da ist und die Kinder nicht irgendwie ins System gequetscht werden müssen.