Dauerstellen schaffen, Demokratisierung ausbauen und Datenlage verbessern - Promovierende befragen Landespolitiker*innen
Wie gelingt es, die Finanzierung für Promovierende zu verbessern? Wie können die Grundlagen für eine Mitbestimmung von Promovierende an den Hochschulen nachgebessert werden? Inwiefern setzte sich die Landespolitik für eine Kultur der Entfristungen ein – und wie könnte sie sich hierfür einsetzen? – Die Liste der Fragen von Promovierenden an Hochschulverantwortliche ist lang!
Wie sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der Promovierenden in Baden-Württemberg tatsächlich gestalten, darüber wird zu selten gesprochen. Die GEW BW hat daher Anfang Dezember zur Auftaktveranstaltung TEDxPromotion unter dem Titel „Parteiprogramme und Promotion - Fragen von Promovierenden an die Politik“ eingeladen. Ziel der Veranstaltung war es, Promovierende in einen intensiven Austausch mit Landespolitiker*innen und Hochschulverantwortlichen zu bringen – und das ist gelungen!
Der Einladung zum ersten TEDxPromotion sind Gabi Rolland Landtagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Jürgen Friedrich, Experte von den GRÜNEN als auch Sarah Mirow, Spitzenkandidatin für die LINKEN im Landtagswahlkampf, gefolgt. Und auch zahlreiche Promovierende nahmen teil, wie beispielsweise Vertreter*innen der in Baden-Württemberg existierenden Doktorand*innenkonvente, zwei Vertreter*innen des Landesausschusses der Studierenden der GEW als auch Einzelpersonen, die ihre Erfahrungen rund um ihren Arbeitsalltag Promotion schilderten.
Bevor die Fragerunde anfing, hatten die Politiker*innen die Gelegenheit, ihre jeweiligen Programme und Vorschläge in Bezug auf den Bereich Promotion darzustellen. So entbrannte unter den Politiker*innen schnell eine spannende Diskussion, zu den Fragen, ob Hochschulen aktuell eher als unternehmerische Hochschulen verstanden werden müssten, inwiefern das Sonderbefristungswesen an Hochschulen, ausgedrückt durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, geändert werden muss und wie die Politik den steigenden Studierendenzahlen und damit den Hochschulen auch finanziell entgegenkommen soll.
Die Themen und Probleme, die die Promovierenden selbst setzten, waren unter anderem die Betreuung und Beratungssituation für Promovierende, die Verbesserung der Möglichkeiten zur Mitbestimmung als auch die komplexe und häufig prekäre Beschafften von Stellen von Promovierende an den Hochschulen.
Betreuung während der Promotion
Die Hochschulen des Landes haben starke Interessensvertretungen: Die örtlichen Personalräte sind gut aufgestellt und gut vernetzt. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass die Belange der Arbeitnehmer*innen aus Verwaltung und Wissenschaftlichem Mittelbau durchaus sehr unterschiedlich sind. Vor allem in Krisenzeiten zeigt sich, dass durch die Breite der Arbeitsgebiete an Hochschulen, die Belange der Promovierenden nicht ausreichend betreut werden können.
Das LHG sieht daher die verpflichtende Einrichtung von Ombudspersonen vor, die Promovierenden in ihren hochschulpolitischen Verfahren unterstützen und mit ihrer Expertise im Hochschulsystem weiterhelfen. Allerdings befinden sich Promovierende stets in internen und externen Abhängigkeitsverhältnissen, bspw. zu ihren Vorgesetzten, die oftmals auch die Betreuer*innen ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind. Das Aufsuchen von Ombudspersonen hat daher auch direkte Folgen auf die Promotionsprojekte.
Die Promovierenden richten daher die Frage an die Politik, wie eine entsprechende Ausgestaltung des Ombudswesens für Promovierende aussehen kann.
Mitbestimmung in der Promotionsphase
Seit 2018 sind Doktorand*innen in Baden-Württemberg laut LHG eine eigene Statusgruppe, die sich dadurch auch hochschulpolitisch organisieren kann. Dennoch erweist sich eine Einheitlichkeit der Gruppe aufgrund der vielseitigen und vielschichten Arbeitsbedingungen der Doktorand*innen als sehr schwierig: Manche sind immatrikuliert, manche als Akademische Mitarbeiter*innen bereits fest in den Mittelbau des Hochschulbetriebs eingebunden. Konkret stehen wir vor dem Problem, dass die Statusgruppe anders definiert werden muss, um politisch arbeiten zu können.
Auch hier gaben die Promovierenden wichtige Impulse an die Politik, indem sie fragen: Welche Vorschläge haben die Parteien, um Einheitlichkeit in der Statusgruppe herzustellen? Wie kann die Sicht- und Wirksamkeit der Statusgruppe der Promovierenden verbessert werden und so eine repräsentativen Gremienarbeit gelingen?
Dauerstellen für Daueraufgaben
Fast einig waren sich die Gäste und die Vortragenden beim Thema Stellen für Promovierende und Nachwuchswissenschaftler*innen. Denn Promovierende befinden sich oft in prekären Arbeitsverhältnissen: Viele arbeiten, um sich die Promotion finanzieren zu können, einige wenige werden durch die sogenannten Begabtenförderwerde finanziert, andere Promovierende, vor allem aus den Naturwissenschaften, sind oft an den Hochschulen in Teilzeit angestellt und sind damit ihren Betreuer*innen, die später auch ihre Arbeit bewerten werden, schlicht ausgeliefert.
Die GEW fordert daher, die Promotion nicht als „Zwischenphase“ zwischen Studium und Berufseinstieg zu sehen, sondern bereits ganz klar als Arbeitsverhältnis und Job. Aber auch hier ist noch viel zu verbessern.
Die Forderung der GEW ist daher: „Stellen vor Stipendien“! Die Promotionsförderung auf tarifvertraglich geregelten und sozialversicherungspflichtigen Stellen sollte den Vorrang vor der Förderung über Stipendien oder wissenschaftliche Hilfskraftverträge haben. Die von den Gewerkschaften mit den Arbeitgebern ausgehandelten Tarifverträge für den öffentlichen Dienst sehen für Doktorandinnen und Doktoranden in der Regel eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe 13 vor. § 40 TV-L enthält Sonderregelungen für die Wissenschaft, die auch Promovierende gelten und z. B. eine bessere Anrechnung von Erfahrungszeiten bei anderen Arbeitgebern oder mehr Flexibilität bei der Übertragung von Urlaubsansprüchen vorsehen. Die GEW setzt sich dafür ein, dass diese Sonderregelungen ausgebaut werden und auch in den TVöD übernommen werden. Die GEW fordert darüber hinaus, dass Promovierenden ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis anzubieten ist und eine Teilzeitbeschäftigung nur auf Wunsch der Beschäftigten erfolgen darf. Die Promotion ist in der Regel der Grund für die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses und hat daher in der Arbeitszeit zu erfolgen.
Alles in allem war es eine sehr kontroverse und gelungene Veranstaltung zum Thema Promotion, die auch in den kommenden Jahren von der GEW BW weiter umgesetzt wird.