Im Sommer 2017 warf der Vorsitzende des Landeselternbeirates Carsten Rees der Landesregierung eine „desaströse Fehlplanung der Studienplatzentwicklung bei der Lehrerausbildung“ vor. Kenner der Materie und die GEW prognostizierten diesen Mangel bereits vor Jahren und mahnten wiederholt an, entsprechende Maßnahmen bzw. Korrekturen vorzunehmen.
Weder das Kultusministerium noch das Wissenschaftsministerium haben auf die Warnungen reagiert. Jetzt wird von diesen Ministerien mitgeteilt, dass dieser Lehrkräftemangel an Grundschulen so nicht vorhersehbar gewesen sei und verschiedene, zum Teil fadenscheinige Gründe werden aufgeführt. Auch Schuldzuweisungen an die Vorgängerregierung für diese prekäre Situation in der Lehrkräfteversorgung werden ausgesprochen. Tatsache ist, dass die CDU größtenteils für den Lehrermangel in diesem Schuljahr verantwortlich ist, da sie in den maßgeblichen Jahren bis 2011 die Verantwortung im Wissenschafts- und Kultusministerium inne hatte. Tatsache ist aber auch, dass von 2011 bis 2015 die grün-rote Landesregierung für eine weitere massive Streichung der Studienplätze für das Grundschullehramt verantwortlich war. Diese Streichungen werden sich in den nächsten Jahren extrem auswirken.
Das Kultusministerium wirft einerseits den Grundschulen mangelnde Qualität vor, andererseits erfüllt es selbst trotz vielfacher Warnungen eine seiner wichtigsten Aufgaben nicht, nämlich eine qualitativ gute Personalplanung. Das kann man zynisch nennen. Bedauerlicherweise wird diese Fehlplanung letztlich auf dem Rücken der Grundschullehrkräfte und der Kinder ausgetragen und nicht auf dem Rücken der Verantwortlichen.
Verteilung der Studierenden aus der Balance
Betrachtet man die Entwicklung der Studienanfängerzahlen für das Lehramt an Grundschulen seit 2009, fällt auf: Die Studienplätze wurden kontinuierlich von ehemals fast 1.700 auf unter 1.000 reduziert. Das sind über 40 Prozent weniger. Im Gegenzug wurden die Studierendenzahlen in der Sekundarstufe 1 erhöht bzw. beibehalten.
Die Verteilung der Studienanfänger/innen in den beiden Schulstufen ist völlig aus der Balance geraten. Die Grundschulen mit vier kompletten Jahrgängen haben etwa ein Drittel mehr Schüler/innen als die sechs Jahrgänge der Sekundarstufe 1 (HS/WRS/RS/GMS). Knapp die Hälfte der Jahrgänge besuchen die Gymnasien.
Auch eine höhere Stundentafel in der Sekundarstufe ist kein Argument für mehr Studienplätze in dieser Stufe. Denn bei den Studierenden im Primarbereich mit einem derzeitigen Frauenanteil von über 90 Prozent kann später von einem hohen Anteil an Teilzeitlehrkräften ausgegangen werden, was zum Ausgleich eine erhöhte Studierendenzahl erfordert.
Interessen der Hochschulen
Es liegt die Vermutung nahe, dass die Hochschulen selbst ein größeres Interesse an der Sekundarstufenausbildung haben und sich verstärkt den Fachwissenschaften zuwenden und weniger der Didaktik, Methodik und Pädagogik der Primarstufe. Die Ministerien müssen klare Vorgaben machen und die Studienplätze, die sich am tatsächlichen Bedarf orientierten, auch durchsetzen.
Laut Kultusministerin Eisenmann wird sich der Personalmangel an den Schulen in den kommenden Jahren nicht verändern und sie verkündete: „Wir haben die Studienanfängerplätze für das Grundschullehramt bereits erhöht, um langfristig genügend Lehrerinnen und Lehrer einstellen zu können.“ Tatsächlich wurde jedoch im Studienjahr 2017/2018 die Zahl der Studienanfänger/innen im Primarbereich von 1.171 auf lediglich 1.272 erhöht. Viele Bewerber/innen wurden abgewiesen, weil sie nicht den erforderlichen Notenschnitt vorweisen konnten. Außerdem wurden für das Grundschullehramt keine neuen Studienplätze geschaffen. Die Plätze wurden nur von anderen Studiengängen umverteilt.
Diese aktuelle Zulassungszahl mit 1.272 Erstsemestler/innen ist nicht nachvollziehbar, weil die rund 1.500 Studienanfänger/innen aus 2011/2012 zum aktuellen Lehrkräftemangel geführt haben.
Auch wenn eine deutliche und angemessene Erhöhung der Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen in der derzeitigen Lage nicht hilft, so sollte man doch aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und eine vorausschauende Bedarfsplanung vornehmen.
Wesentlich weitsichtiger als die Planungen des Kultus- und Wissenschaftsministeriums ist die aktuelle Studie des Bildungswissenschaftlers Klaus Klemm. Er hat im Auftrag der GEW den Lehrkräftebedarf für die Grundschulen des Landes bis 2030 errechnet. Seiner Rechnung nach müssen bis 2030 mindestens 8.000 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Die derzeitigen Studienplätze reichen dafür und zum Ersatz der in Ruhestand gehenden Lehrkräfte bei weitem nicht aus. Laut Klemm-Studie müssen in den nächsten fünfzehn Jahren knapp 50 Prozent der Stellen im Grundschulbereich aus Altersgründen wiederbesetzt werden. Neben diesem Grundbedarf stehen zudem wichtige Reformmaßnahmen an, die bis zu 5.000 zusätzliche Stellen erfordern: Erweiterung der Kontingentstundentafel, Ausbau der Ganztagesschulen, Kooperation Elementar-/Primarbereich, Poolstunden für individuelle Förderung, Stellen für Vertretung, Unterrichtung von Flüchtlingskindern.
Das Wissenschafts- und das Kultusministerium müssen ihre Fehlplanungen so schnell wie möglich korrigieren. An den Pädagogischen Hochschulen müssen schnell neue Kapazitäten finanziert und geschaffen werden, damit die Zulassungszahlen für den Primarbereich deutlich erhöht werden können.