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Ukrainische Flüchtlingskinder

Deutsch lernen und Abschluss machen

In Baden-Württemberg kommen immer mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine an. Neben der Flüchtlingsunterbringung geht es auch darum, wie Kinder und Jugendliche aus der Ukraine hier möglichst schnell in die Schule und Kita gehen können.

Ein deutsch-ukrainisches Wörterbuch liegt auf einem Tisch an dem zwei junge Frauen sitzen.
Foto: imago

„Wir wollen den geflüchteten Schulkindern unbürokratisch die Schultür öffnen. Das ermöglicht ihnen wieder Struktur und Ablenkung“,

sagte Kultusministerin Theresa Schopper auf dem Schulleitungstag der GEW Mitte März. Im Kultusministerium geht man bislang davon aus, dass es genug Plätze in Vorbereitungsklassen (VKL) gibt, um Kindern aus der Ukraine Deutsch beizubringen. Es gebe noch die Strukturen aus der Flüchtlingsbewegung 2015/2016, und auf 1.165 Stellen für VKL und Sprachförderung könne man aufbauen, erklärte die Ministerin. Monika Stein erwiderte: „Die Klassen existieren, aber da sind Schüler*innen drin, und vor allem in beruflichen Schulen sind die Klassen teilweise schon seit Januar voll.“ Zusätzliche Klassen und Personal seien dringend nötig.

Schopper kündigte an, dass die  Kultusministerkonferenz (KMK) vorhabe, Jugendlichen die Chance zu eröffnen, ukrainische Abschlüsse (hauptsächlich das Lyceum nach der 11. Klasse, was dem ukrainischen Abitur entspricht) in Deutschland mit Online-Unterricht zu machen. Die Digitalisierung in der Ukraine sei viel weiter fortgeschritten als bei uns. „Dort trägt kein Kind mehr schwere Schulbücher mit nach Hause“, sagte die Ministerin. Für die Abschlüsse wolle man mit der KMK und dem Bildungsministerium der Ukraine zusammenarbeiten. Inzwischen ist ein Portal des Kultusministeriums freigeschaltet. Dort können sich Studierende, Lehrkräfte im Ruhestand, Erzieher*innen oder andere mit passenden Vorerfahrungen registrieren, die helfen möchten, ukrainische Schüler*innen zu unterrichten. Auch ukrainische Lehrkräfte und andere Menschen, die ukrainisch sprechen, können sich dort anmelden. Sie werden als Vertretungslehrkräfte eingestellt und entsprechend bezahlt. Schopper betonte allerdings, dass in Deutschland kein paralleles Schulsystem aufgebaut werde.

Monika Stein begrüßte, dass ukrainische Schüler*innen hier ihren Abschluss machen können. Viele hofften, dass der Krieg schnell ein Ende finde und alle wieder zurück in ein freies Land gehen könnten. „Wir wissen aber auch, dass der Wunsch nicht immer Realität ist. Deshalb wäre es falsch, die Kinder nur auf Ukrainisch zu unterrichten. Sie müssen in unser Schulsystem integriert werden.“

Erfahrungen aus beruflichen Schulen

Daniel Wunsch hat viel Erfahrung mit geflüchteten Jugendlichen. Er unterrichtet seit 2013 in VABO (Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen) Klassen, in denen schulpflichtige Menschen mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen ab 16 Jahren aufgenommen werden und verstärkt Sprachförderung erhalten. Er findet es ganz wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen sehr schnell in den Schulen ihren Platz finden. „Sie brauchen Strukturen und Kontakte und sollen so schnell wie möglich Deutsch lernen“, erklärt er.

Damit das Schulsystem mit den weiteren Herausforderungen nicht kollabiere, sei es jetzt angesagt, dass schnell Lehrkräfte mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) beziehungsweise Fremdsprache (DaF) eingestellt werden. „Sie müssen aber über die Sommerferien bezahlt werden und sie brauchen eine Perspektive zur Festanstellung“, verlangt Daniel Wunsch. „Es ist Ausbeutung, den Lehrkräften nur einen Vertrag bis zum 31. Juli zu geben, obwohl man genau weiß, dass man sie auch im neuen Schuljahr wieder braucht.“ Der Personalrat kennt die Einstellungspraxis seit Jahren. „Die Lehrkräfte mit nur einem Fach hoffen immer, irgendwann eine Festanstellung zu bekommen. Das passiert aber nie. Sie bekommen keine Qualifizierung und keine Perspektive. Nach rund 7-jähriger unbefristeter Tätigkeit verlieren sie oft ihren Job. Das ist eine riesige Sauerei“, ärgert sich Wunsch.

Große Not in den Kitas

In den Kitas herrscht bereits jetzt Platz- und Personalmangel. Fürs Erste sollen Kinder aus der Ukraine auch dort unkompliziert aufgenommen werden, selbst wenn damit vorgeschriebene Gruppengrößen überschritten werden. Auf der Suche nach dauerhaften Lösungen finden derzeit Gespräche mit Städten, Gemeinden und weiteren Kita-Trägern statt.

Die GEW hält das für kurzsichtig. Das würde den Fachkräftemangel sogar verstärken. „Wie sollen junge Menschen für diesen Beruf begeistert werden, wenn die Arbeitsbedingungen weiter verschlechtert werden? Wir können den Mangel nicht beseitigen, wenn wir die Situation der Beschäftigten und der Kinder weiter verschlechtern. Höchste Priorität sollten jetzt Maßnahmen zur Gewinnung von Fachkräften haben. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden. Erzieher*innen könnten zum Beispiel durch zusätzliche Expert*innen für Gesundheit, Sprache oder Inklusion entlastet werden. Diese dürften genauso wenig auf den Fachkraftschlüssel angerechnet werden, wie zusätzliches Personal für Verwaltung und Hauswirtschaft“, erwartet die GEW-Referentin Heike Herrmann.

Kontakt
Magdalena Wille
Referentin für Berufliche Bildung und Weiterbildung
Telefon:  0711 21030-21
Mobil:  0160 90565239
Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW Baden-Württemberg