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Landtagswahl 2021

Die Grünen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen

CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann hat das Rennen gegen Winfried Kretschmann klar verloren. Verantwortung für die desaströse Bildungspolitik in der Corona-Krise tragen jedoch beide. Eine Analyse von GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.

Monika Stein
Monika Stein (Foto: © Carsten Böhnke)

Die Wahlschlappe der CDU hat viele Gründe. Ein Grund ist sicherlich der Bundestrend und die noch kurz vor dem Wahlsonntag bekannt gewordene Korruptionsaffäre bei der Maskenbeschaffung, über die mittlerweile einige Unionsabgeordnete des Bundestags gestolpert sind. Gleichzeitig hat sich aber die CDU Baden-Württemberg auch selbst sehr um dieses Wahlergebnis verdient gemacht: Fünf Jahre hat Susanne Eisenmann das Kultusministerium geleitet. Sie wurde als stur und nicht immer taktisch geschickt beschrieben, als sie 2016 das Amt als Kultusministerin übernahm. In den Anfangsjahren waren viele Lehrkräfte über den Stil an der Spitze des Kultusministeriums bestürzt. Fürsorge und Wertschätzung für diejenigen, die vor Ort tagtäglich eine anspruchsvolle Arbeit leisten, das pädagogische Personal an Schulen und Kitas, haben viele pädagogische Profis in den Jahren kaum gespürt.

In den letzten Monaten wurde zunehmend offenkundig, dass die CDU Spitzenkandidatin und der grüne Spitzenkandidat nicht der gleichen Meinung waren, welche Maßnahmen in der Corona-Krise die richtigen seien. Sie wollte Öffnungen von Kitas und Schulen um jeden Preis, verweigerte Grundschulkolleg*innen zu lange die Ausstattung mit Masken zum Eigenschutz, weil Kinder laut einer Studie aus dem Frühjahr letzten Jahres kaum ansteckend seien. Eisenmann beharrte auf dieser Position trotz aller Argumente und des spürbar steigenden Gegenwindes. Maßnahmen zum Gesundheitsschutz in Kitas und Schulen, die über Lüften und Händewaschen und eine Maskenpflicht ab Klasse 5 hinausgingen, wurden von ihr kaum in Betracht gezogen. So fühlten sich viele Beschäftigte und Erziehungsberechtigte in der Sorge um die Gesundheit nicht ernst genommen. Der grüne Ministerpräsident war hörbar in vielen Bereichen anderer Meinung, ließ die Kultusministerin aber gewähren.

Und schon vor der Corona-Krise war das Verhältnis zwischen Beschäftigten der Bildung und ihrer Ministerin nicht einfach. Mangelnde Unterstützung der Gemeinschaftsschule, fehlende Wertschätzung für die Arbeit der Grundschulen, eine Eingangsstufe in Realschulen, die heterogener wird und in der die Lehrkräfte auf M Niveau unterrichten und benoten müssen, fehlende Lehrkräfte für die Inklusion, an den SBBZ und an den Grundschulen, im gesamten Bildungsbereich mangelnde Wertschätzung für die Arbeit und Leistung der Beschäftigten. Erst in den letzten Monaten, knapp vor der Landtagswahl, gab es Verbesserungen für Schulleitungen. Die Zufriedenheit mit der Arbeit des Kultusministeriums ist so nicht gewachsen. Es ist gut, dass mit Corona die Herausforderungen der benachteiligten Kinder und Jugendlichen stärker wahrgenommen werden. Aber die Maßnahmen zu ihrer Unterstützung und für eine wesentlich verbesserte Bildungsgerechtigkeit müssen unabhängig von Corona ergriffen werden.

Für die Bildung in Baden-Württemberg waren die letzten fünf Jahre keine guten Jahre, eher die des Stillstands und eines Zurück zu konservativen Positionen. Zu verantworten hat das aber nicht nur die Kultusministerin, sondern die gesamte Landesregierung mit beiden Regierungsfraktionen. Die Grünen haben nach 2011 schon zum zweiten Mal dem kleinen Koalitionspartner das Kultusministerium überlassen. Als größere Regierungsfraktion, die den Ministerpräsidenten stellt, müssten die Grünen wesentliche Inhalte mitbestimmen und die großen Linien, innerhalb derer die Koalitionspartner und in diesem speziellen Fall das Kultusministerium sich bewegen können, festklopfen. Das zu unterlassen war ein großer Fehler, den sie jetzt in ihrer dritten Legislaturperiode als Regierungsfraktion nicht wiederholen dürfen.

Während ich diesen Text schreibe werden die Koalitionsverhandlungen vorbereitet: Geht es weiter mit Grün-Schwarz? Wenn ja, bekommt noch ein weiteres Mal die CDU das Kultusministerium? Viele spekulieren, dass die Grünen nicht die Verantwortung für den Bildungsbereich übernehmen werden, weil es politisch als undankbares und schwieriges Ressort gilt. Das wäre ein klares Versagen dieser Partei.

Oder gibt es zum ersten Mal in Baden-Württemberg eine Ampel-Koalition? Wenn ja, wer wird die wichtigen Ministerien bekommen? Das für die Bildung wichtigste Ministerium ist das Kultusministerium. Zu den drei wichtigsten Ministerien gehören aber auch noch Inneres (bisher CDU) und Finanzen, das war die letzten fünf Jahre fest in grüner Hand.

Wir dürfen gespannt sein, ob Bündnis 90/Die Grünen ihre Kompetenz im Bereich Bildung diesmal umsetzen und das Kultusministerium übernehmen werden. Wenn nicht, müssen die Kinder, Jugendlichen, Eltern und natürlich die Beschäftigten in der Bildung auf eine Person an der Spitze des Kultusministeriums hoffen, die ein zeitgemäßes Bildungsverständnis hat, Sorgen und Nöte von Beschäftigten ernst nimmt, Bildungsgerechtigkeit für alle umsetzen möchte und bereit ist, die Mitarbeit und kritische Begleitung der GEW auf diesem Weg anzunehmen.

Eisenmann und Strobl verpassen Einzug in Landtag

Seit 2016 haben wir eine grün-schwarze Landesregierung. Was haben die Wähler*innen am 14. März 2021 dazu gesagt? Die Grünen erreichen mit ihrem Spitzenkandidaten, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, mit 32,6 Prozent das beste Wahlergebnis, das sie jemals in einem Bundesland erreichen konnten. Dies ist zum einen seiner unbestreitbaren Popularität geschuldet, zum anderen liegen die Grünen in Umfragen auch bundesweit deutlich über ihren Ergebnissen bei den letzten Wahlen. Klimapolitik, ein erfolgreiches Spitzenduo auf Bundesebene, Eintreten für eine offene Gesellschaft, Gendergerechtigkeit, Verkehrswende, inklusive Bildungspolitik, all diese Themen scheinen in ganz Deutschland im Trend zu liegen. Im Verhältnis zum Bundestrend haben die Grünen in Baden-Württemberg nur sehr wenig hinzugewonnen. Allerdings fällt auf, dass beim Rennen um die Direktmandate der Wahlkreise überwiegend grüne Kandidat*innen gewonnen haben.

Die SPD erzielte mit 11,0 Prozent ein Ergebnis, das ihren Parteimitgliedern und Wähler*innen schon fast körperliche Schmerzen bereiten dürfte. Ein kleiner, aber nicht unwichtiger Trost: Die SPD hat es geschafft drittstärkste Kraft zu werden. Wichtig für die GEW: Die SPD hat mit ihrem Spitzenkandidaten Andreas Stoch ein klares Bekenntnis zur Bedeutung der Bildung abgegeben.

Die FDP konnte ihr Ergebnis deutlich auf 10,5 Prozent verbessern und ist zur viertstärksten Kraft im Landtag geworden. Die Linke mit ihren mehrheitlich jungen Kandidat*innen hat es in Baden-Württemberg mit 3,6 Prozent wieder nicht in den Landtag geschafft, in einigen Wahlkreisen aber zweistellige Ergebnisse erzielen können.

Für viele eine sehr große Erleichterung: Die AfD hat ihr Ergebnis von 2016 nicht halten können und mehr als ein Drittel der damals erreichten Prozentpunkte verloren. Aber immer noch haben 9,7 Prozent der Wähler*innen dieser Partei, bei der derzeit geprüft wird, ob sie Verdachtsfall für Rechtsextremismus ist, die Stimme gegeben. Da bleibt noch viel politische Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu tun!

Schließlich die CDU: Sie erreichte mit 24,1 Prozent  das schlechteste Ergebnis jemals in Baden-Württemberg. Und das im Ländle, in dem es vor zehn Jahren noch ein Drama für die Christdemokrat*innen war, dass die Partei unter 40 Prozent geblieben ist. Nur noch in zwölf Wahlkreisen haben es CDU-Kandidat*innen in den Landtag geschafft. Sogar die Spitzenkandidatin, Kultusministerin Susanne Eisenmann, und der Landesvorsitzende, Innenminister Thomas Strobl, haben so den Einzug in den Landtag verpasst.

Kontakt
Monika Stein
Landesvorsitzende
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