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Grundschulempfehlung

Ein Instrument zur Lenkung der Schüler*innen

Die Rückkehr zu G9 hat auch die Wiedereinführung einer verbindlichen Grundschulempfehlung auf die Tagesordnung gerufen. Die GEW lehnt ein Verfahren ab, das nur dazu dient, Schüler*innen vom Besuch eines Gymnasiums abzu­halten.

Zwei Menschen und Verkehrshütchen
Die Lenkungsversuche mit der alten verbindlichen Grundschulempfehlung haben schon nicht funktioniert. (Foto: imago)

Die Grundschulempfehlung soll sich künftig aus drei Bausteinen zusammensetzen:

  • Empfehlung der Lehrkraft auf Basis der Schulnoten,
  • Landesweit einheitliches Beobachtungsinstrument (weiterentwickelter Kompass 4) und
  • Elternwunsch.

Die „institutionelle Empfehlung“ ist wie bisher die Empfehlung der Lehrer*innen auf Grundlage der Noten in Deutsch und Mathematik. Aus dem für alle Schüler*innen verbindlichen Instrument Kompass 4 wird aber ein weiterer Baustein.

Wenn die Empfehlung der Lehrkräfte und der Elternwunsch sich unterscheiden, gibt das Ergebnis von Kompass 4 den Ausschlag. Ist es zu schlecht, können die Eltern das Kind nur am Gymnasium anmelden, wenn es den zusätzlichen Potentialtest an einem Gymnasium besteht. So wird aus dem Beobachtungsinstrument Kompass 4 ein knallhartes Entscheidungskriterium. Früher nannte man das umgangssprachlich „Grundschulabitur“. Kompass 4 wird künftig die Lehrkräfte, die Eltern und die Schüler*innen erheblich unter Druck setzen – mit allen negativen Folgen für den Unterricht und das Wohlbefinden der Kinder.

Bis 2011 gab es in Baden-Württemberg eine verbindliche Grundschulempfehlung. Das Lern- und Arbeitsverhalten der Kinder sollte zwar für die Empfehlung ebenfalls berücksichtigt werden, entscheidend aber waren die Leistungen in den Fächern Deutsch und Mathematik: Bei einem Schnitt von mindestens 2,5 gab es eine Empfehlung für das Gymnasium, bis zu 3,0 eine Empfehlung für die Realschule. Kinder mit Leistungen unter dieser Marke erhielten eine Empfehlung für die Haupt-/Werkrealschule. Dies führte dazu, dass Kinder und auch Lehrkräfte von Beginn der Notengebung an, also bereits im Laufe der zweiten Klasse, erheblich unter Druck standen. Gespräche zwischen Erziehungsberechtigten und Eltern waren davon geprägt. Nicht selten wurden Noten angezweifelt oder gar mit gerichtlicher Überprüfung gedroht, sollte die erwünschte Empfehlung gefährdet sein. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung war ein wichtiger Schritt, um Belastungen und Druck bei Kindern, Eltern und Lehrkräften zu mildern. Die Eltern wurden in ihrer Erziehungsverantwortung ernst genommen und entschieden letztlich über die für ihr Kind als geeignet erachtete Schulart.

Mit der neuen verbindlichen Grundschulempfehlung soll der Zugang zum Gymnasium reglementiert werden. Es sollen nur die Kinder auf das Gymnasium gehen, die auch wirklich diese Empfehlung haben. Der Zugang zur Realschule ist davon nicht betroffen. Hier soll die Orientierungsstufe um ein Jahr verkürzt werden, so dass eine äußere Differenzierung zwischen G-Niveau und M-Niveau nach Klasse 5 möglich ist. Aktuell ist das zum Leidwesen vieler Schüler*innen und vieler Realschulen erst ab Klasse 7 erlaubt.

An den Gemeinschaftsschulen wird von Anfang an neben dem erweiterten Niveau das grundlegende und das mittlere Niveau angeboten. Dies soll auch künftig so bleiben.

In 13 von 16 Bundesländern – aktuell ist Baden-Württemberg noch eines davon – entscheidet der Elternwille, welche Schulart ein Kind nach der Grundschule besuchen wird. Diese Länder verzichten auf einen Übergang in die weiterführenden Schulen ohne eine verbindliche Empfehlung, auch bei Wiedereinführung des G9. Offensichtlich geht das auch.

Ein klarer Rückschritt

Die Änderungen im Aufnahmeverfahren sind schon zum kommenden Schuljahr geplant. Sie sollen also für die Kinder gelten, die im kommenden Schuljahr eine vierte Klasse besuchen. Dies ist aus Sicht der GEW viel zu kurzfristig und in der Praxis nicht umsetzbar: Bereits vor den Herbstferien finden die Informationsveranstaltungen im Rahmen des Aufnahmeverfahrens statt. Bis zu diesem Zeitpunkt müsste die Aufnahmeverordnung geändert sein, so dass die Eltern auch informiert werden können. Änderungen nach diesem Zeitpunkt führen zu Verwirrung und Druck an den Schulen.

Die geplante Grundschulempfehlung samt Potentialtest stellt für die GEW einen Rückschritt dar. Eine verbindliche Grundschulempfehlung verdient den Namen „Empfehlung“ nicht – hier sollen Schüler*innenströme gelenkt und der Zugang zu G9 begrenzt werden. Die GEW lehnt dies ab. Die Lenkungsversuche mit der alten verbindlichen Grundschulempfehlung haben schon nicht funktioniert. Die Übergangszahlen aufs Gymnasium stiegen trotzdem Jahr für Jahr.

Die Bildungsgewerkschaft setzt sich ein für eine Schule, die so ausgestattet ist, dass darin alle Kinder gut lernen können und bestmögliche Bildungsangebote erhalten. Bei einer Weiterentwicklung des Bildungssystems muss die neben dem Gymnasium bestehende zweite Säule der Sekundarstufe so ausgestattet sein, dass sie für Eltern attraktiv ist, und es keiner Lenkung von Schüler*innenströmen bedarf.

Kontakt
Barbara Bürgy
Vorsitzende Fachgruppe Grundschulen
Kontakt
Corinna Blume
Vorsitzende Fachgruppe Grundschulen