Zum Inhalt springen

Mutige Investitionen

Eine Klassenlehrkräftestunde für Jugendliche in der Krise

Um Jugendlichen besser helfen zu können und nicht noch mehr Lehrkräfte durch Überlastung zu verlieren, braucht es eine Klassenlehrerstunde, eine Reduzierung des Deputats für alle Lehrer*innen. Ein Kommentar von Brigitte Klein.

Foto: GEW/Shutterstock

Die Zeitungen sind voll davon, wir wissen es aus unserem Schulalltag: Den Kindern und Jugendlichen geht es schlecht. Die Corona-Zeit, die geschlossenen Schulen und Kindertagesstätten, Vereine – keine Begegnungsmöglichkeiten für Kinder und junge Leute haben Spuren hinterlassen. Nicht nur für die Aneignung von Lernstoff, Miteinander-Lernen, Diskussionen, Reflektieren, auch für das soziale Lernen, das sich-aneinander-Reiben, Blödeln, Streiten. Die Krisen der Welt tun ihr Übriges, Krieg in der Ukraine und im Gazastreifen, die Klimakatastrophe.

Auch wenn wir als Lehrkräfte schon vor 2019 zunehmend Fälle von depressiven Kindern und Jugendlichen hatten, die sich selbst verletzen, aggressiv auftreten, so sind es doch auffallend mehr geworden. In so gut wie jeder Klasse gibt es „Problemfälle“. Manches hat mit der Ich-Findung zu tun – wer bin ich, wo ist mein Platz in der Welt – aber auch mit Krisen in der Familie, sei es Trennung der Eltern, schwere Krankheiten, Streitigkeiten, zu kleine Wohnungen, finanzielle Probleme. Und ganz schnell sind wir Lehrer*innen am Ende unseres Lateins und merken, wir bräuchten viel mehr Zeit für Gespräche mit den Schüler*innen.

Das erste vertrauliche Gespräch mit einem Jugendlichen führt die Klassenlehrkraft oder die Fachlehrkraft, zu der Vertrauen besteht oder aufgebaut werden kann. Immer dann, wenn kein erstes Gespräch ausreicht, um Probleme anzugehen, wird die Schulsozialarbeit ein wichtiger Ansprechpartner sein. Oft müssen die Jugendlichen an die Hand genommen und zur Schulsozialarbeit begleitet werden, weil sie nicht selbstständig den Weg dahin finden. Schulsozialarbeiter*innen sind gut ausgelastet, manchmal wahrscheinlich auch überlastet, aber können Hilfen auf den Weg bringen. Alle weiteren Institutionen, wie die Psychologische Beratungsstelle, Therapeut*innen, Kliniken sind oft so beansprucht und überrannt, dass die Jugendlichen wochenlang, wenn nicht monatelang auf einen ersten Termin warten müssen.

Diese Situation ist ein Armutszeugnis für Baden-Württemberg und ganz Deutschland, es wurden nicht nur keine Lehrkräfte eingestellt, als es sie noch gab. Auch der ganze medizinische und psychologische Bereich wurde nie so ausgebaut, wie es etwa die GEW immer gefordert hat und notwendig gewesen wäre. Für eines der reichsten Länder dieser Welt ist das eine Schande. Und inzwischen brennt es ja überall.

Was wir brauchen, ist eine Klassenlehrerstunde, eine Reduzierung des Deputats für alle Lehrkräfte, was wirklich schon lange überfällig ist, da die anhaltende Überdehnung zu weiteren Krankheits- und Burn Out-Fällen bei den Lehrkräften führt. So wird unser Beruf wieder attraktiver für neue, junge Kolleg*innen. Und dann können wir auch den Kindern und Jugendlichen besser helfen, für sie da sein. Die Regierungen müssen mutig und massiv Geld in die Hand nehmen, für Stellen, für eine Arbeitszeitverkürzung, für die Schulsozialarbeit, Schulpsycholog*innen, für Schulhausrenovierungen – damit wir nicht allein vor den katastrophalen Raumzuständen in den Beruflichen Schulen schon verzweifeln.

Es führt kein Weg daran vorbei, Lehrkräfte gemeinsam mit der GEW müssen offensiv dafür kämpfen, damit es besser wird, für die Kinder und Jugendlichen und für uns alle, eines geht nicht ohne das andere.

Kontakt
Magdalena Wille
Referentin für Berufliche Bildung und Weiterbildung
Telefon:  0711 21030-21
Mobil:  0160 90565239