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Lehrereinstellungen 2019

Einstellungschancen meist gut – Versorgung meist schlecht

Nur ein Drittel der Lehramtsbewerber an Gymnasien darf auf eine Stelle hoffen. In allen anderen Schularten fehlen Anwärterinnen. Besonders hart trifft es die Grundschulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren.

Demonstration gegen den Lehrermangel
Demonstration gegen den Lehrermangel (Foto: © imago)

Zwei Drittel der Bewerber/innen fürs Gymnasium gehen leer aus. In allen anderen Schularten fehlen Lehramtsanwärter/innen. Trotz regionaler Unterschiede ist jetzt schon klar, dass vor allem Grundschulen und SBBZ im neuen Schuljahr nicht ausreichend mit Lehrer/innen versorgt werden.

Wie in den letzten Jahren gibt es auch 2019 in allen Schularten des GHWRGS-Bereichs (Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) mehr Stellen als Bewerber/innen. Insgesamt sollten rund 3.600 Stellen besetzt werden, für die es rund 3.200 Bewerber/innen gab. Somit ist erneut schon vor Schuljahresbeginn klar, dass landesweit nicht alle Stellen besetzt werden können.

Grundschulen

Der Trend der letzten Jahre hält an: Es gibt wenige Regionen, in denen es mehr Bewerber/innen als Stellen gibt. Nur im Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe gibt es einen deutlichen Überschuss an Bewerber/innen. In allen anderen Regierungspräsidien konnten teilweise nicht einmal die Hälfte der Stellen im Listenverfahren besetzt werden. Ausnahmen bilden der Ballungsraum Freiburg und der Bodenseekreis. Hier fehlt es nicht an Bewerber/innen, sondern an Stellen.

Zunehmend in den Fokus der mangelnden Unterrichtsversorgung gerät der Großraum Stuttgart. Hier sind viele Stellen unbesetzt, sowohl in der Landeshauptstadt selbst, als auch in den umliegenden Einstellungsregionen. Über die Gründe für die mangelnde Nachfrage dort kann nur spekuliert werden. Einzelne Rückmeldungen von Bewerber/innen deuten darauf hin, dass die hohen Lebenshaltungskosten ein abschreckender Faktor sind.

Für das Nachrückverfahren wird es also für die Bewerber/innen, die sich räumlich flexibel bewerben können, sehr gute Einstellungsmöglichkeiten geben. Trotzdem werden auch in diesem Jahr viele Personen kein Einstellungsangebot erhalten, da sie den Einsatzwunsch aus diversen Gründen nur auf bestimmte Gebiete beschränken.

Haupt- und Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen

Für Haupt-, Werk-, Real- und Gemeinschaftsschulen stehen rund 1.500 Stellen zur Verfügung, auf die sich rund 1.500 Lehrkräfte beworben haben. Rechnerisch könnte die Besetzung also aufgehen. Faktisch ist dem nicht so. Für das Nachrückverfahren sind noch circa 590 Stellen offen, die in den anderen Verfahren nicht besetzt werden konnten. Die Situation von beliebten und weniger begehrten Einstellungsregionen ist wie bei den Grundschulen. In den Regionen Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg und im Bodenseeraum könnten die angebotenen Stellen mehrfach besetzt werden, während es für zahlreiche andere Regionen so gut wie keine Bewerbungen gab. Eine Einstellung nach bestimmten Fächern im Listenverfahren gab es in diesem Jahr nur im RP Karlsruhe.

Musisch-technische Fachlehrkräfte

In den vergangenen Jahren gab es kaum Bewerber/innen für musisch-technische Fachlehrkräfte, da die Ausbildung von eineinhalb auf drei Jahre verlängert wurde. Die ersten Fachlehrkräfte, die die neue Ausbildung abgeschlossen haben, haben sich in diesem Jahr beworben. Da im letzten Jahr nur sehr wenig Stellen besetzt werden konnten, standen nun rund 180 Stellen zur Verfügung.

Für die Wahl der Einstellungsregion scheinen die Standorte der Einstellungsseminare eine zentrale Rolle zu spielen. In Südbaden gibt es kein Seminar – dort zieht es kaum Kolleginnen und Kollegen hin. Im Nachrückverfahren können landesweit noch viele Stellen besetzt werden. Vielleicht gibt es Kolleg/innen, die jetzt auch in anderen Regionen eine Stelle antreten werden.

Wissenschaftliche Lehrkräfte an SBBZ

Der Run auf die Region Heidelberg/Rhein-Neckar ist ungebrochen. Auch die Situation, dass es hier nur ein sehr begrenztes Stellenangebot gibt, bleibt unverändert. Vor allem für Kolleg/innen der Fachrichtung Lernen sind außerhalb von Nordbaden noch sehr viele Stellen verfügbar. Aber auch in den anderen Fachrichtungen wird es im Nachrückverfahren zahlreiche Angebote geben.

Mit den vorhandenen Bewerber/innen (369) können die offenen Stellen (316) nicht besetzt werden. Viele der Bewerber/innen haben bereits eine Stelle an einer Privatschule, in einem anderen Bundesland oder im Ausland. Im Listenverfahren gab es schon für 75 Stellen keine Bewerber/innen mehr. Der Abwärtstrend der schon schlechten Unterrichtsversorgung an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) setzt sich ungebremst fort.

Fachlehrkräfte für Geistig-/Körperbehinderte und Technische Lehrkräfte

Auch hier konnten sich die ersten Fachlehrkräfte nach der Umstellung an den Ausbildungsseminaren auf eine dreijährige Ausbildung bewerben. Es gab 117 Bewerber/innen für 146 Stellenangebote. Im Listenverfahren wurden 56 Stellen nicht besetzt. Diese werden auch im Nachrückverfahren nur schwer zu ­besetzen sein, da nicht ausreichend Bewerber/innen zur Verfügung stehen beziehungsweise der Einsatzwunsch der Kolleg/innen nicht mit den angebotenen Einsatzorten übereinstimmt.

Gymnasien

Zum Schuljahr 2019/20 bewarben sich rund 3.100 Gymnasiallehrkräfte (Neu- und Altbewerber/innen) für den Schuldienst. Insgesamt stehen in diesem Jahr 1.000 Stellen in den verschiedenen Verfahren für Gymnasiallehrkräfte zur Verfügung. Dies sind 633 Beamtenstellen und 117 Stellen für Angestellte mit Übernahmegarantie ins Beamtenverhältnis zum Schuljahr 2020/21 an Gymnasien und erneut 250 Beamtenstellen an Gemeinschaftsschulen. Da wahrscheinlich nicht alle Dienstanfänger/innen mit einem vollen Deputat beginnen, dürften circa 1.100 Einstellungen möglich sein. Von diesen Stellen sind 25 für die Härtefallregelung und das Schwerbehindertenverfahren vorgesehen. Darüber hinaus werden etwas mehr als 100 Einstellungen an beruflichen Schulen angeboten.

Die Einstellungschancen in den vier Regierungspräsidien (RP) sind wie in den letzten Jahren sehr unterschiedlich. Sie waren im RP Stuttgart mit 320 Stellen im Listenverfahren deutlich am besten. Im RP Karlsruhe konnten 75, im RP Freiburg 52 und im RP Tübingen 15 Stellen vergeben werden.

Auch fachspezifisch gibt es große Unterschiede. Die Fächer Mathematik und Deutsch haben dieselben Stundentafeln und damit einen identischen Bedarf. Die Lehrbefähigung für Deutsch haben über 1.000 angehende Lehrkräfte, die für Mathematik nur 270. Bislang konnten 23 Stellen nicht besetzt werden, vornehmlich in den Fächern Bildende Kunst und Physik. Weiterhin ist neben einer guten Leistungsziffer die räumliche Flexibilität der Bewerber/innen und die Bereitschaft, an eine andere Schulart zu gehen, eine notwendige Voraussetzung für ein Einstellungsangebot.

Um dem akuten Mangel im Grundschulbereich, aber auch in der Sekundarstufe I anderer Schularten entgegenzuwirken, machte das Ministerium in diesem Jahr zwei Angebote: Zum einen kann eine zusätzliche Laufbahnbefähigung als Grundschullehrkraft erworben werden. Nach Bestehen der Quali­fikation im Arbeitnehmerverhältnis und einem insgesamt vierjährigen Verbleib im Grundschulbereich erhalten die Lehrkräfte eine Übernahmegarantie für das gymnasiale Lehramt. Zum anderen – und das ist neu – kann eine zusätzliche Laufbahnbefähigung für das Sek-I-Lehramt an Hauptschulen, Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen erworben werden. Hier gibt es keine Übernahmegarantie ins gymnasiale Lehramt.

Im Listenverfahren hätten rund 250 Gymnasiallehrkräfte an Gemeinschaftsschulen eingestellt werden können. Es wurden die Bewerbungen einbezogen, die sich neben der Bewerbung für das Gymnasium auch für die Gemeinschaftsschulen beworben haben. Rund 40 Prozent der Stellen konnten nicht besetzt werden, weil es vor allem für Mathematik und in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) nicht genug Bewerbungen gab. Viele haben sich auch nur sehr eingeschränkt regional beworben. In anderen Fächern deckten sich die regionalen Bewerbungen nicht mit dem Bedarf.

Die diesjährige Lehrkräfteeinstellung an den Gymnasien spiegelt leider nicht die notwendigen Bedarfe wider. So werden für die Neustrukturierung der Kursstufe 65 Stellen zur Verfügung gestellt. Diese Zahl reicht bei weitem nicht, um den Schüler/innen ein vielfältiges Kursangebot zu bieten. Stattdessen soll die Kursstufe aus mindestens 50 Stellen der Gemeinschaftsschulen sowie aus dem schon jetzt viel zu knapp ausgestatteten Ergänzungsbereich der Gymnasien „finanziert“ werden.

Auch ein Ausbau der Vertretungsreserve wäre mit Hilfe des großen Bewerberangebotes problemlos möglich gewesen. Dem Kultusministerium hält die GEW vor, im Nachtragshaushalt zu wenig Stellen für die Gymnasien geschaffen zu haben.

Berufliche Schulen

Die Einstellungsrunde 2019 für die beruflichen Schulen trägt absurde Züge. Im Februar veröffentlichte Kultusministerin Susanne Eisenmann eine Modellrechnung zum Lehrkräftebedarf, nach der an den beruflichen Schulen bis 2025 660 zusätzliche (!) Stellen für den Abbau des strukturellen Unterrichtsdefizites und der Überstundenbugwelle geschaffen werden müssen. Von einem Umdenken im Ministerium ist allerdings bislang wenig zu sehen. Im Gegenteil: Angesagt ist weiterwursteln wie bisher – erneut werden Stellen abgebaut.

Zum Sommer 2019 werden an den beruflichen Schulen insgesamt 1.121 Deputate frei. Darunter befinden sich auch circa 300 Stellen, die derzeit befristet besetzt sind. Aufgrund des zu erwartetenden Schülerrückgangs wurden an den beruflichen Schulen zunächst 212 Deputate abgebaut. Im Gegenzug erhalten sie 79,8 Deputate für Sprachförderung und 8,5 Deputate für den Ausbau der Erzieher/innenausbildung. Erneut werden auch 50 Stellen für Technische Lehrkräfte in 34,2 Stellen für Wissenschaftliche Lehrkräfte umgewandelt.

Ende Juni teile das Kultusministerium (KM) schließlich mit, dass den beruflichen Schulen zusätzlich weitere 100 Stellen für die Flüchtlingsbeschulung zugewiesen werden. Dabei handelt es sich aber um sogenannte ­kw-Stellen (künftig wegfallend), die bis zum 1. August 2020 befristet sind. Der Grund für dieses Nachschieben von Stellen dürfte vor allem darin liegen, dass der Rückgang der Schüler/innenzahlen im kommenden Schuljahr deutlich geringer ausfällt, als vom Statistischen Landesamt prognostiziert. Kurz vor der dem Ende der Einstellungsrunde beläuft sich der tatsächliche Stellenabbau auf knapp 40 Deputate.

Insgesamt können 2019 1.081 Stellen besetzt werden. Die Einstellungssituation bleibt damit für die Bewerber/innen weiterhin gut. Von den 337 Referendar/innen, die im Sommer ihren Vorbereitungsdienst beenden, haben bereits 289 entweder in den vorgezogenen Verfahren oder im Listenverfahren ein Einstellungsangebot erhalten. Die Einstellungsquote für Neubewerber/innen liegt so bereits jetzt bei knapp 86 Prozent. Dazu kommen 65 sogenannte Altbewerber/innen. Weitere 86 Laufbahnbewerber/innen (darunter 46 Neubewerber/innen) können sich im Rahmen des Nachrückverfahrens bewerben.

Eine Einstellungszusage haben außerdem 71 Lehrkräfte mit gymnasialem Lehramt, eine Realschullehrkraft und zwei Sonderschullehrkräfte erhalten. Außerdem wurden 90 Direkteinsteiger/innen gewonnen sowie 48 Technische Lehrkräfte (42 Gewerbe, vier Kaufmännisch und zwei Hauswirtschaft).

Von den 1.081 Deputaten sind damit bis Mitte Juni 480 bereits besetzt worden. Das KM geht davon aus, dass erneut circa 300 Stellen für befristete Verträge verwendet werden. Es können auch bereits bestehende Verträge verlängert werden. Dazu kommen jetzt noch die nachgeschobenen 100 Stellen, die wohl ebenfalls mit befristeten Verträgen besetzt werden. Insgesamt gibt es (Stand Juni) noch circa 200 freie Stellen, die im Rahmen der Nachrückverfahren besetzt werden sollen.

Die rechnerisch guten Einstellungszahlen können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es erhebliche strukturelle Probleme gibt. Der Stellenabbau wird die Unterrichtsversorgung verschärfen. Er wird dazu führen, dass an den Schulen Bugwellenstunden zur Sicherung der Unterrichtsversorgung geleistet und dass Klassen abgebaut werden müssen. Tendenziell führt letzteres zu größeren Klassen.

Erneut können nur circa 35 Prozent der freiwerdenden Stellen mit Bewerber/innen aus der eigenen Ausbildung besetzt werden, während es zum Beispiel im Lehramt für Gymnasien einen massiven Überhang an Bewerber/innen gibt. Offenkundig gelingt es dem KM nicht, das Lehramt für berufliche Schulen so zu gestalten, dass junge Menschen dieses Lehramt und diese Fächer studieren.

Problematisch ist die Bewerberlage bei den berufsbezogenen Fächern „Gewerbe“. Hier konnten bislang 70 Laufbahnbewerber/innen und 62 Direkteinsteiger/innen gewonnen werden. Insgesamt ist das aber viel zu wenig, um den Bedarf abzudecken. Die GEW fordert deshalb seit langem Maßnahmen, das Lehramt für berufliche Schulen attraktiver zu gestalten. Dazu gehören zum Beispiel übertarifliche Zulagen für Direkteinsteiger/innen, eine Bezahlung der neueingestellten Laufbahnbewerber/innen über die Sommerferien und einen Teilzeitdirekteinstieg analog zum Teilzeitreferendariat.

Kultusministerin Eisenmann hat mit ihrer Modellrechnung zusätzlich ­Stellen gefordert. Das Konzept umfasst auch Hinweise zur Verbesserung der Bewerberlage. Das ist begrüßenswert. Schöne Ankündigungen helfen aber nicht ­weiter. Jetzt muss die designierte Ministerpräsidentenkandidatin auch liefern!

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Maria Jeggle
Redakteurin b&w
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