Zum Inhalt springen

Fachkräftemangel Kitas

Engpassberuf Erzieher*in

Immer mehr Menschen arbeiten in Kindertageseinrichtungen, dennoch ist der Mangel an Fachkräften groß. Die Agentur für Arbeit hat den Beruf der Erzieher*in zum Engpassberuf erklärt. Die Prognosen für die kommenden Jahre bereiten Grund zur Sorge.

Keine Besserung in Sicht – der Fachkräftemangel in den Kitas spitzt sich zu.
Keine Besserung in Sicht – der Fachkräftemangel in den Kitas spitzt sich zu. (Foto: © romrodinka / iStock)

Die Personalexpansion in der Frühkindlichen Bildung hat sich laut jüngstem Fachkräftebarometer des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ungebremst fortgesetzt. Zahlenmäßig befinden sich Kindertageseinrichtungen mit bundesweit 675.650 pädagogisch und leitenden Tätigen nunmehr fast auf Augenhöhe mit den allgemeinbildenden Schulen, in denen im Schuljahr 2019/20 rund 693.750 Lehrkräfte beschäftigt waren (Statistisches Bundesamt 2021). Im Jahr 2020 waren in den Kitas in Baden-Württemberg 97.188 pädagogische und leitende Fachkräfte tätig und an allgemeinbildenden Schulen etwa 100.000 Lehrkräfte.

Seit dem Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren 2013 hat sich die Anzahl der Kita-Beschäftigten quasi verdoppelt. Der Bedarf an Fachkräften steigt, weil die Nachfrage an Betreuungsplätzen längst nicht gedeckt ist. So herrscht Ratlosigkeit, wie in den nächsten Jahren der Fachkräfteengpass behoben werden soll. Die zusätzlichen Ausbildungskapazitäten, die vorgesehen sind, reichen nicht aus.

Der Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) hat im Januar 2020 ein Vorausrechnungsmodell für Baden-Württemberg präsentiert, nach dem bis 2025 rund 24.000 zusätzliche Fachkräfte (etwa 19.500 Vollzeitäquivalente) allein für den Mehrbedarf aufgrund des Kita-Ausbaus benötigt werden. Hinzu käme ein Ersatzbedarf von etwa 15.500 Fachkräften, da rund 18 Prozent der Mitarbeitenden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. So müssten bis 2025 knapp 40.000 zusätzliche Fachkräfte, also etwa 7.000 jährlich, akquiriert werden. Derzeit absolvieren nur etwa 4.500 Fachschüler*innen und PIA-Auszubildende pro Jahr die Erzieher*innen-Ausbildung.

Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule

Diese Prognose korrespondiert mit den aktuellen Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung im Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule 2021 präsentierte. Die Ergebnisse zeigen, dass bis 2030 für den Ausbau des frühkindlichen Bildungssystems in Baden-Württemberg erheblicher Handlungsbedarf besteht. Zugrunde gelegt wurden verschiedene Szenarien.

Sollten beispielsweise die Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung für einen kindgerechten Personalschlüssel für alle Kita-Kinder und für eine professionelle Personalausstattung für Leitungsaufgaben realisiert werden, würde sich der Bedarf an Fachkräften deutlich erhöhen. Bei gleichbleibenden Angebotskapazitäten wäre dann eine Lücke von über 41.000 Personen zu erwarten. Das Angebot, das mit den bestehenden Ausbildungskapazitäten zu erwarten sei, müsste um zusätzlich 114 Prozent gesteigert werden. Die dafür erforderlichen Ausbildungskapazitäten stellten eine große Herausforderung dar. Es müssten auch genügend Berufsschullehrer*innen verfügbar sein.

Die Fachkräfte-Lücke wäre etwas kleiner, wenn man nur die Teilhabequoten angleichen und die Personalschlüssel auf ein kindgerechtes Niveau bringen wollte, die Leitungskapazitäten aber konstant halten würde. In diesem Szenario bestünde 2030 eine Arbeitskräfte-Lücke von etwas mehr als 33.000 Personen.

Die Ergebnisse zeigen, dass in Baden-Württemberg langfristig ein ausreichendes Fachkräfte-Angebot aufgebaut werden muss, damit Kitas mit einer kindgerechten Personalausstattung arbeiten können. Land, Kommunen und Träger müssten eine Verantwortungsgemeinschaft bilden, um langfristige Handlungsstrategien für die Gewinnung, Qualifizierung und Bindung der Fachkräfte umzusetzen. Denkbar sei ein Stufenplan, der die Ausbauziele fixiere und damit gleichzeitig auch die Grundlage für die Bemessung der erforderlichen, öffentlichen Finanzmittel schaffe. Die Bertelsmann-Stiftung misst in dieser Mangelsituation der Personalbindung immense Bedeutung bei und folgert, dass attraktive, professionelle sowie gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen unterstützt werden müssten.

Arbeitsplatz Kita muss attraktiv sein

Es ist eine GEW-Grundforderung, dass der Arbeitsplatz Kita attraktiv sein muss. Nur so münden möglichst viele Fachkräfte in das Arbeitsfeld ein und bleiben im Beruf. Bund, Land und Kommunen müssen gemeinsam Verantwortung für die Frühkindliche Bildung übernehmen und die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen solide und dauerhaft sicherstellen.

Seit Jahren wächst der Druck auf Mitarbeitende in den Kitas und das System steht kurz vor dem Kollaps. Die Rahmenbedingungen waren bisher bereits unzureichend und haben sich im „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“ nochmals deutlich verschlechtert: Die Träger können derzeit den Mindestpersonalschlüssel um 20 Prozent absenken, Personen ohne Ausbildung können die pädagogischen Fachkräfte ersetzen und die bisherigen Empfehlungen zur Gruppengröße wurden aufgeweicht, das heißt statt 25 sind nun 28 Kinder pro Gruppe erlaubt. Wir müssen dringend zurück zu den Personalbemessungen und Mindeststandards, die vor der Zeit der Pandemie gegolten haben. Nur mit einem akzeptablen Fachkraft-Kind-Schlüssel lässt sich die pädagogische Qualität der Kitas als Bildungseinrichtungen umsetzten.

Der enorme Fachkräftemangel muss spürbar reduziert werden. Die vorrangige Strategie der Personalbedarfsdeckung hat bisher im Ausbau der Ausbildungskapazitäten bestanden, die Akademisierung schreitet kaum voran. Es ist dringend geboten, neben den bisherigen Maßnahmen die Studienkapazitäten für Früh- und Kindheitspädagog*innen weiter auszubauen. Denkbar wären auch finanzielle Anreize für Kita-Träger, Modelle analog der PIA-Ausbildung zu schaffen, um verstärkt akademisch qualifiziertes Personal in Kitas zu beschäftigen. Die Schaffung von spezialisierten Stellen in Themenbereichen wie Sprache oder Inklusion könnte Akademiker*innen im Arbeitsfeld halten.

Aus der Not heraus arbeiten derzeit zu viele unausgebildete Personen beziehungsweise Quereinsteiger*innen, die eine verkürzte Ausbildung durchlaufen, in den Kitas. Ihnen und allen anderen müssen berufsbegleitende Weiterqualifizierungen unter pädagogischer Anleitung angeboten werden. Für diese Anleitungen und die der Auszubildenden aus den Fachschulen brauchen pädagogische Fachkräfte ausreichend Zeit. Entlastet werden könnten das pädagogische Personal und die Kita-Leitungen durch weitere Personen, die hauswirtschaftliche Aufgaben und Verwaltungstätigkeiten übernehmen. Dringend müssten Kitaleitungen auf ihre vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben vorbereitet werden. Nur eine professionelle Kitaleitung kann pädagogische Qualität in der Kita (weiter)entwickeln und sichern. Aus diesem Grund muss Zeit für Leitungsaufgaben in allen Einrichtungen zugesichert werden, nach Ansicht der GEW 25 Prozent Leitungszeit pro Gruppe. Und die Kita-Teams brauchen Begleitung durch ein flächendeckendes und trägerübergreifendes System von Fachberatung.

Wir alle wissen, dass strukturelle Verbesserungen alleine noch nicht zu mehr Qualität in den Einrichtungen führen. Aber sie sind die Basis, damit Orientierungs- und Prozessqualität umgesetzt werden kann. Die politisch Verantwortlichen müssen jetzt konsequent handeln und investieren. Nur so können sie den Mangel an Fachkräften beheben und die Rahmenbedingungen wirksam verbessern. Nur so können die Mitarbeitenden die Garantie für Qualität von Bildung, Erziehung und Betreuung in jeder Kita einlösen.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23
Links