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Änderung der Lehrverpflichtungsverordnung an Hochschulen

Entlastung muss für alle gelten

Wie viel Lehre Angestellte und Beamte an den Hochschulen des Landes leisten müssen, wird in der Lehrverpflichtungsverordnung geregelt. Jetzt wurde eine Novelle der Verordnung vorgelegt. Die GEW sieht gute Ansätze, die allerdings nicht ausreichen.

Foto: Shutterstock / GEW

In den letzten Jahren erhielten die Hochschulen zahlreiche neue Aufgaben, die durch Hochschullehrende mit abgedeckt werden müssen. Dazu gehören zunehmende Studienwerbeaktivitäten, Dokumentationsanforderungen oder der Druck, Drittmittel einwerben zu müssen.

Die Lehrverpflichtung wird in Semesterwochenstunden (SWS) ausgedrückt und beträgt zum Beispiel an den Universitäten neun und an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) 18 Stunden pro Woche pro Semester. Jedoch fehlt es an einer validen Messung der Arbeitsbelastung, die sich regelmäßig aus einer Semesterwochenstunde Lehrverpflichtung sowie der darüberhinausgehenden Verpflichtungen aus Forschung, Transfer und Selbstverwaltung ergibt.

Viele Arbeitszeitstudien mit realen Arbeitszeitwerten deuten darauf hin, dass die Arbeitsverdichtung und reale Arbeitszeit von Professor*innen nicht gemessen werden und keinen Einfluss auf die Festlegung des Lehrdeputats haben.

Die letzten bekannten Arbeitszeitkalkulationen in dem Bereich stammen aus den 1980er-Jahren. Die GEW bezweifelt, dass die Arbeiten überhaupt innerhalb einer Arbeitszeit von 41 Stunden bei Beamt*innen und 39,5 Stunden bei Angestellten zu bewältigen sind.

Wenn Lehrende, insbesondere prekäre Lehrbeauftragte, ausfallen beziehungsweise kündigen, ist nicht sofort Ersatz vorhanden. Das passiert auch, wenn Leitungsfunktionen, für die eine Entlastung gewährt wird, im Laufe eines Semesters gewählt werden. Die Entlastung kann also in der Regel gar nicht in Anspruch genommen werden, obwohl das neue Amt sofort zur Verfügung steht und die Aufgaben sofort bewältigt werden müssen. Wird die Reduktion nicht genutzt, verfällt sie ersatzlos.

Die vorgelegte Novelle der Lehrverpflichtungsverordnung an Hochschulen (LVVO) sieht vor, dass Lehrende, die Leitungsaufgaben übernehmen, hierfür eine Kompensation erhalten und eventuell angesammelte „Überstunden“ nicht mehr wie bisher automatisch gestrichen werden.

Die GEW Baden-Württemberg bewertet die angestrebte Übertragbarkeiten und die gewonnene Flexibilität sowie den Ausbau der Verlängerung der Ausgleichsfrist um ein weiteres Jahr grundsätzlich als sinnvolle Maßnahme, damit die Hochschulen und die Professor*innen in Leitungsfunktionen den angemessenen Ausgleich für ihre zusätzliche Arbeit geltend machen können.

„Die GEW stellt zudem fest, dass die Lehrverpflichtungsverordnungen einer grundlegenden Reform bedürfen und diese Novelle nur die Probleme und Komplexität weiter erhöhen.“

Aufgrund der knappen professoralen Ausstattung an einigen HAW bewertet die GEW die neu getroffene Regelung gleichzeitig als unzureichend und nicht überall umsetzbar. Für Personen in Leitungsfunktion besteht kaum die Möglichkeit, die Ermäßigung in dem längeren Zeitraum in Anspruch zu nehmen.

Die GEW stellt zudem fest, dass die Lehrverpflichtungsverordnungen einer grundlegenden Reform bedürfen und diese Novelle nur die Probleme und Komplexität weiter erhöht. So gibt es neben der vorliegenden LVVO noch die LVVO für Kunst- und Musikhochschulen.

Weiterhin bestehen zusätzliche Möglichkeiten, Deputate zu reduzieren: unter anderem in der Gleichstellungsbeauftragtenentlastungsverordnung oder im Landeshochschulgesetz im Bereich Forschung. Diese Regelungen haben unterschiedliche Fristen für den Verfall von Überdeputat, oder wenn Ermäßigungstatbestände kumuliert werden.

Wofür die Ausgleichsfrist nicht herhalten darf

Die GEW lenkt auch den Blick auf alle Beschäftigten und Studierenden. Ziel muss sein, dass weder die Studierenden, die Beschäftigten der Hochschulen, noch Promovierende durch die Ausgleichsfrist für Professor*innen eine Verdichtung ihrer Arbeit erleben.

Gute Führung ist wichtig, damit Hochschule als Gesamtsystem und Bildungsort funktioniert. Noch immer werden teilweise für die Leitung von Struktureinheiten Professor*innen statt reguläre, hierfür ausgebildete Beamt*innen oder Tarifbeschäftigte eingesetzt. Die Ausgleichsfrist darf sich nicht nachteilhaft für Studierende auswirken, keine Lehre ausfallen oder durch prekäre Lehrbeauftragte ersetzt werden.

Für die Beschäftigten ist in der LVVO klarzustellen, dass für Gremien- oder Personalratsarbeit auch die SWS reduziert werden sollte. Diese Tätigkeiten sind nämlich nicht zeitneutral. Derzeit erhalten Lehrende zum Beispiel für Personalratstätigkeiten oder Gremienmitgliedschaften keine Reduktion ihrer Lehrverpflichtung.

Schließlich vermisst die GEW eine zeitgemäße Ermäßigung für Menschen mit Beeinträchtigung.

Die GEW hält eine weitergehende Überarbeitung der Lehrverpflichtungsregelungen und eine auf die LVVO angepasste Ausstattung der Lehre für dringend notwendig und ist gerne bereit, im Vorfeld mitzuwirken.

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Hochschule und Forschung; für Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik; gewerkschaftliche Bildung
Telefon:  0711 21030-24
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