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Landeshaushalt 2022

Ergebnisse für Bildung eher bescheiden

Ende Dezember verabschiedete der Landtag den Haushalt. Die Rückkehr zur Schuldenbremsenpolitik ­hinterlässt ihre Spuren: Die Ergebnisse für den Bildungsbereich deuten auf einen Wechsel der Prioritäten hin und es fehlen Antworten auf zentrale Fragen.

Gegenüberstellung von zwei Gläsern. Ein Glas ist voll, das andere fast leer.
Mit sprudelnden Steuereinnahmen wie zwischen 2015 und 2019 ist vorerst nicht zu rechnen. (Fotos: imago)

Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Thomas Poreski, sprach im Hinblick auf den Bildungshaushalt von einem „Übergangshaushalt, geprägt von vielen Unsicherheiten über die finanziellen Perspektiven nach der Pandemie. Zugleich ist es eine Vorbereitung für die längerfristige Planung im Doppelhaushalt 2023 und 2024.“

„Die 368 zusätzlichen Stellen für Schulen sind zu begrüßen gemessen an dem, was selbst das Kultusministerium (KM) für notwendig erachtet hat, sind die Ergebnisse aber eher bescheiden.“

Dahinter verbirgt sich die unausgesprochene Hoffnung, dass die Pandemie und die finanziellen Mehrbelastungen im Haushalt demnächst überwunden sind und das Land wieder an die goldenen Haushaltsjahre 2015 – 2019 mit sprudelnden Steuereinnahmen und kräftigen Haushaltsüberschüssen anknüpfen kann. Ob dies so eintrifft, scheint mehr als fraglich zu sein. Einerseits ist die Pandemie noch keineswegs überwunden, anderseits hat das Land in den vergangenen zwei Jahren die Schuldenbremsenregelung ausgesetzt und circa 14 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Die im bundesweiten Vergleich relativ scharfe Schuldenbremsenregelung des Landes verpflichtet Baden-Württemberg nicht nur zu einem ausgeglichenen Haushalt, sondern auch zu einem sukzessiven Schuldenabbau. Das Land muss also letztlich Haushaltsüberschüsse erzielen. Dies ist im Haushalt 2022 zwar gelungen, allerdings greift das Land auf Kredite, die 2021 nicht in Anspruch genommen wurden, und auf Rücklagen aus vergangenen Jahren zurück.

Der Landesrechnungshof hat deshalb bereits deutlich gemacht: 

„Was in den zurückliegenden Jahren die Einhaltung der Übergangsregelung zur Schuldenbremse und eine teilweise Tilgung von Altschulden ermöglicht hat, nämlich ausnehmend gute Steuereinnahmen über einen langen Zeitraum hinweg, kann für die nächste Zukunft nicht als selbstverständlich unterstellt werden.“ 

Und er fordert Prioritätensetzung und strukturelle Maßnahmen auf der Ausgabenseite. Was dies bedeuten kann, ist bei Finanzminister Danyal Bayaz bereits angeklungen: 

„Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Stabilität und des Übergangs, der fünf Prämissen folgt:

  • Erstens: Wir nehmen keine neuen Kredite auf.
  • Zweitens: Wir führen einen Teil der Coronaschulden zurück.
  • Drittens: Wir sorgen weiter vor – gegen Risiken der Pandemie, aber auch gegen andere Risiken.
  • Viertens: Wir halten Maß bei den Ausgaben.
  • Fünftens: Wir investieren gezielt und orientieren uns an den Leitbildern der Landesregierung und des Koalitionsvertrags, die da heißen: Klimaschutz, Innovationen und sozialer Zusammenhalt.“

Die Reihenfolge kann als Prioritätensetzung verstanden werden. Bemerkenswert ist, dass Bildung nicht mehr bei den Leitbildern der Landesregierung auftaucht, in die investiert werden soll. Dies bedeutet sicher nicht, dass Bildung für Grün-Schwarz keine Rolle mehr spielt – bedeutet aber, dass sich politische Prioritäten verschoben haben – nicht zugunsten der Bildung.

Bildungshaushalt 2022

Für Schulen gibt es 368 zusätzliche Stellen. Beantragt hatte das KM die Verstetigung der 1.165 Stellen für die Beschulung der Geflüchteten, die nach wie vor mit einem kw-Vermerk (künftig wegfallend) versehen sind. Die Finanzierung dieser Stellen ist lediglich für ein Jahr verlängert worden.

Beantragt wurden auch 844 Stellen, die entweder für die Sicherung der Unterrichtsversorgung (unter anderem 245 für den Anstieg der Schüler*innenzahlen, 105 für die Erhöhung der (Krankheits-)Vertretungsreserve (KV), 20 für den Stellenabbau der Bugwelle an Beruflichen Schulen) oder für bildungspolitische Maßnahmen vorgesehen waren, die bereits per Gesetz oder Kabinettsbeschluss beschlossen sind (unter anderem 160 für die Umsetzung des Schulleitungskonzeptes, 158 für Inklusion. Nur die Umsetzung der nächsten Stufe des Schulleitungskonzeptes wurde komplett beschlossen, bei allen anderen Posten gab es zum Teil deutliche Abstriche oder sie wurden ganz gestrichen.

Die zusätzlichen Stellen sind zu begrüßen und entsprechen auch langjährigen Forderungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – gemessen an dem, was selbst das KM für notwendig erachtet hat, sind die Ergebnisse aber eher bescheiden. Zusätzliche Mittel zum Beispiel für die Bezahlung Sommerferien (übernommene Referendar*innen, befristet Beschäftigte) oder für die Erprobung von Schulverwaltungsassistent*innen zur Entlastung der Schulleitungen wurden abgelehnt.

Inklusionsstellen aus dem Abbau des Allgemeinen Entlastungskontingentes

In der Grünen-Fraktion spricht man seit Wechsel im KM von der „Nach-Eisen-Zeit“. Wenn es allerdings darum geht, Stellenbilanzen zu schönen, knüpft das Ministerium nahtlos an der CDU-Vorgängerin an. Im Doppelhaushalt 2018/19 sprach die ehemalige Kultusministerin Susanne Eisenmann von zusätzlichen Stellen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung durch sogenannte „Windfall-Profite“. Gemeint war, dass sich die Altersstruktur der Lehrkräfte verjüngt und damit weniger Deptuatsstunden für die Finanzierung der Altersermäßigung gebraucht würden, die dann in die Unterrichtsversorgung fließen könnten. Grün-Schwarz weitet dies nun aus. Da die Zahl der Schüler*innen und der Klassen sinkt, fließen weniger Deputatsstunden in das Allgemeine Entlastungskontingent – diese freiwerdenden Stunden sollen zur Deckung der Bedarfe in der Inklusion herangezogen werden (Landtagsdrucksache 17/1104 – Antrag 05/51).

Dieses Vorgehen ist reine Augenwischerei. Es mag sein, dass auf diesem Weg Deputatsstunden bei Bestandslehrkräften freigesetzt werden, in der Inklusion werden jedoch Sonderpädagog*innen gebraucht, die aus der rechnerischen Freisetzung nicht entstehen. Abgesehen davon ist das Allgemeine Entlastungskontingent viel zu klein. 

Stellen- und Bewerber*innenmangel – eine absurde Diskussion

Die Opposition hat zusätzliche Stellen zur Unterrichtsversorgung beantragt. Kultusministerin Theresa Schopper gesteht zwar ein, dass es dort große Probleme gibt, dennoch weist sie diese Forderungen zurück. Die Ministerin sagt, sie würde ja gerne glauben, dass sie mit mehr Stellen die Versorgung gewährleisten könnte. Sie müsse aber auch die Köpfe haben.

Die Debatte um Stellen- und Bewerber*innenmangel nimmt mittlerweile absurde Züge an. Zum einen konterkariert Schopper ihre eigene Position – sie selbst hat wesentlich mehr Stellen beantragt, als beschlossen wurden. Zum anderen: Die Forderung nach zusätzlichen Stellen ist kein Selbstzweck oder Wunschkonzert – es gibt an den Schulen entsprechende Bedarfe, die nicht einfach verschwinden, wenn es keine Bewerber*innen gibt. Wenn sie fehlen, muss das KM auch erklären, welche Angebote gestrichen werden sollen. Es kann auf Dauer nur die Angebote geben, für die auch Personal da ist. Zum Beispiel mag der Wunsch nach Ganztagesbetreuung an der Grundschule gesellschafts- und bildungspolitisch sinnvoll sein – es ist aber völlig unverantwortlich, einen Rechtsanspruch zu verankern, wenn in absehbarer Zeit das notwendige Personal nicht gewonnen werden kann. Der Hinweis auf steigende Ausbildungskapazitäten ist eine Illusion.

„Weil qualifiziertes Personal fehlt, stellt das KM Personen ohne adäquate pädagogische Ausbildung ein, die selbstverständlich schlechter bezahlt werden.“

Er ignoriert, dass der Fachkräftemangel ein strukturelles, demografisches Problem ist, das die gesamte Wirtschaft betrifft. Auch die Wirtschaft macht inzwischen die Erfahrung, dass mehr Ausbildungskapazitäten nicht automatisch zu mehr Personal führen.

Billiglohnsektor im Bildungsbereich

In einzelnen Äußerungen von Politiker*innen wird deutlich, wohin diese Regierung gehen will. So verweist Poreski im Zusammenhang mit dem Rückenwind-Programm darauf, dass dies an den Schulen eine Vorstufe zu mulitprofessionellen Teams sei, die sie künftig wollten und bräuchten. Weil qualifiziertes Personal fehlt, stellt das KM „sonstige geeignete Personen“ – also ohne adäquate pädagogische Ausbildung – ein, die selbstverständlich schlechter bezahlt werden.

Ähnlich verfährt das KM auch bei der Ganztagesbetreuung in der Grundschule. Der Bund fördert nur kommunale Angebote, die eine entsprechende Betriebserlaubnis haben. Diese verlangt unter anderem qualifiziertes Personal, das selbstverständlich Anspruch auf eine Tarifentlohnung hat. Das Land setzt aber auf „flexible kommunale Angebote“, die diese Auflage nicht erfüllen. Auch hier werden „sonstige geeignete Personen“ mit einer deutlich schlechteren Entlohnung beschäftigt. Faktisch will das Land mit „multiprofessionellen Teams“ einen Billiglohnsektor mit Beschäftigten ohne adäquate Qualifikation schaffen, um den Personalbedarf zu decken. Ein solcher Weg ist mittelfristig eine Katastrophe für das Schulsystem, vor allem wenn man den Anspruch vertritt, die Qualität von Schule verbessern zu wollen.

Besonders die Grünen betonen immer wieder den veränderten Arbeitsstil nach dem Wechsel im Kultusministerium. Entscheidend sind am Ende nicht stilistische Fragen, sondern Ergebnisse. Der Haushalt 2022 knüpft relativ nahtlos an der Vorgängerregierung an. Er bringt zwar kleine Verbesserungen, KM und Landtag sind aber nicht in der Lage, die eigenen bildungspolitischen Ziele sauber zu finanzieren. Und auf zentrale Fragen wie der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung fehlen Antworten. Solange die Landesregierung und der Landtag an der Schuldenbremsenpolitik festhält, wird sich daran auch nichts ändern.

Kontakt
Michael Futterer
Vorsitzender Fachgruppe Gewerbliche, Haus- und Landwirtschaftliche, Sozialpädagogische und Pflegerische Schulen