Mit dem neuen Schuljahr startete der Modellversuch „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“. Dafür übernimmt das Kultusministerium die Programme, die vom Institut für Qualitätsentwicklung in Schleswig-Holstein entwickelt und erfolgreich evaluiert wurden. Sie sollen die Leistungen der baden-württembergischen Schülerinnen und Schüler in Deutsch und Mathematik verbessern. Anlass waren die unbefriedigenden Ergebnisse der jüngsten Schulleistungsvergleiche.
Auf die Ausschreibung für den Modellversuch an allen Haupt- und Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen haben sich 64 Schulen beworben. Alle wurden zugelassen. Es sind zur Hälfte Realschulen und zu je einem Viertel Haupt- und Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen.
Jeweils die Hälfte der Schulen arbeitet mit dem Programm „Lesen macht stark“ beziehungsweise „Mathe macht stark“ und bildet für das jeweils andere Programm die Vergleichsgruppe. Eingesetzt wird das Konzept in den fünften Klassen. Fachberaterinnen und Fachberater für Schulentwicklung betreuen die Schulen und vereinbaren im ersten Jahr bis zu zehn Beratungstermine. Der auf drei Jahre angelegte Modellversuch soll durch ein wissenschaftliches Konsortium evaluiert werden. Eine Ausschreibung hierfür erfolgte nicht.
Es besteht Handlungsbedarf. Das ist unbestritten. Die Öffentlichkeitsarbeit des Kultusministeriums soll Entschlossenheit bei der Problemlösung demonstrieren. Bei genauer Betrachtung ist dieser Modellversuch allerdings kein wirksamer Ansatz, um die hohe Zahl von Schülerinnen und Schülern, die den Mindeststandard nicht erreichen, zu senken. Er setzt die nicht nachhaltige Bildungspolitik fort.
Zu wenig, um bessere Ergebnisse zu erzielen
64 von mehr als 1.400 Schulen sind beteiligt mit jeweils zwei bis drei Klassen. Gibt sich Kultusministerin Susanne Eisenmann tatsächlich mit diesem minimalen Einsatz in den nächsten drei Jahren zufrieden? Sehr ärgerlich ist, dass das Konzept in den weiterführenden Schulen und nicht in der Grundschule umgesetzt wird. Frühe Förderung wäre deutlich wirksamer.
So entsteht wieder der Eindruck, die weiterführenden Schulen müssten Versäumnisse der Grundschulen beheben. Dabei haben die Grundschulen gar nicht die Möglichkeit, ihre Schülerinnen und Schüler besser zu fördern. So lange die Grundschule die mit Abstand am schlechtesten ausgestattete Schulart bleibt und gleichzeitig die heterogenste Schülerschaft und den höchsten Inklusionsanteil hat, hat die Bildungspolitik versagt.
Den Einsatz in den fünften Klassen begründet das Kultusministerium mit der erfolgreichen Evaluation dieses Konzepts. Dieses Argument greift nicht, denn es erfolgt keine 1:1-Umsetzung: In Schleswig-Holstein erhielten die Schulen zusätzliche Lehrerwochenstunden. So wurden gezielt Schülerinnen und Schüler gefördert, die den Mindeststandard nicht erreichten.
Zusätzliche Stunden gibt es in Baden-Württemberg nicht, weder für den Unterricht noch für den zusätzlichen Aufwand der Lehrkräfte. Das Konzept werde binnendifferenziert umgesetzt, betont das Kultusministerium. Es stehe den Schulen frei, Poolstunden dafür einzusetzen.
Schleswig-Holstein hat die Quote des fachfremden Unterrichts gesenkt. Das ist ganz sicher ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Programme. Ob die in Baden-Württemberg vorgesehenen Fortbildungen für die erfolgreiche Umsetzung ausreichend sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Fachberaterinnen und Fachberater für Deutsch und Mathematik überhaupt nicht einbezogen sind.
Schaufensterpolitik bringt nichts
Dieser Modellversuch folgt dem üblichen Prinzip: Offensive Öffentlichkeitsarbeit, Beschränkung auf wenige Schulen, wenig Unterstützung für die Lehrkräfte. Warum geht Kultusministerin Eisenmann nicht konsequent den Weg, Schulen mit hohem Unterstützungsbedarf mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten und dafür zusätzliche Stellen einzufordern?
Schaufensterpolitik bringt den leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern und Schulen nichts und trägt auch nicht zur Motivation und Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte bei.