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Frühkindliche Bildung

Für gerechte Bildungschancen nicht weitermachen wie bisher

Die grün-schwarze Landesregierung will mit ihrem Koalitionsvertrag für 2021 bis 2026 die Qualität in der frühkindlichen Bildung weiter stärken. Sie setzt dabei jedoch auf die falschen Maßnahmen. „Jetzt für morgen“ ist nicht in Sicht.

Der Koalitionsvertrag bleibt in der Frühkindlichen Bildung weit hinter seinen Möglichkeiten, jetzt für morgen vorzusorgen und Aufbruchsstimmung zu verbreiten. Es ist zu begrüßen, dass die Landesregierung die „Qualität weiter stärken“ will, zu kritisieren ist, dass sie keine strukturellen Verbesserungen vorsieht. Stattdessen wird weiter auf Maßnahmen gesetzt, die nicht alltagsintegriert sind in der Fläche nicht ankommen. Das enttäuscht, denn die Pandemie zeigt: Wir können nicht weitermachen wie bisher! Es muss jetzt dringend mehr und verlässlich in die Frühkindliche Bildung investiert werden, um allen Kindern gerechte Bildungschancen und ein gutes Leben zu ermöglichen.

Der Orientierungsplan soll verbindlich werden. Dazu will die Koalition das Gespräch mit den Kommunen und Trägerverbänden suchen. Diese Gespräche finden seit Jahren statt. Verbindlich wird der Orientierungsplan dann, wenn für Kitas personelle und fachliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die zuverlässig vom Land finanziert werden.

Kita-Plätze sollen weiter ausgebaut und Öffnungszeiten erweitert werden, obwohl im ganzen Land Fachkräfte fehlen und viele Kitas kurz vorm Kollaps stehen. Die GEW befürchtet, diese Entscheidung geht zu Lasten der Qualität. Der 2018 vereinbarte Pakt für gute Bildung und Betreuung soll weitergeführt werden, wobei die Ausbildungsoffensive, weiterhin auf die Praxisintegrierten Ausbildung (PIA) beschränkt bleibt. Eine Imagekampagne soll helfen, mehr Fachkräfte zu gewinnen. Die GEW sieht allerdings kein Imageproblem, sondern ein Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen-Problem.

Für die Qualifizierung muss grundsätzlich mehr getan werden. Kita-Träger brauchen zusätzlich Anreize und Zuschüsse für akademisch qualifizierte Frühpädagog*innen und andere Fachexpert*innen. Die Studienplätze für Kindheitspädagog*innen müssten endlich ausgebaut werden. Außerdem sollte das Land in die berufsbegleitende Weiterqualifizierung von nicht oder verkürzt ausgebildeten Mitarbeiter*innen und in Zeiten für Anleitung investieren. Hauswirtschaftliches und Verwaltungspersonal müsste finanziert werden, damit Fachkräften mehr Zeit für die pädagogischen Aufgaben bleibt. Nichts davon kommt im Koalitionsvertrag vor.

„Statt immer mehr Seiteneinsteiger*innen oder verkürzt ausgebildetes Personal in die Kitas zu holen, muss die Ausbildungsoffensive für Erzieher*innen ausgebaut werden. Wir brauchen mehr Studienplätze für Kindheitspädagogik und bessere Arbeitsbedingungen in den Kitas, damit die gut qualifizierten Fachkräfte auch dort bleiben. Quereinsteiger*innen muss Weiterbildung ermöglicht werden, damit die pädagogische Qualität und ein annehmbares Gehalt sichergestellt werden“, fordert Caroline Heller, Vorsitzende der GEW-Landesfachgruppe Kita.

GEW: Jetzt in dauerhafte Personalstellen investieren

Die Schaffung von Funktionsstellen wird zwar angedacht, festgelegt ist nichts. Bedauerlich, denn der Einsatz von zusätzlichen Fachkräften unter anderem für alltagsintegrierte Sprachbildung wirkt sich im Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ äußerst positiv aus. Genauso verhält es sich mit der Begleitung durch Fachberatungen. Diese zusätzlichen Pädagog*innen müssten flächendeckend und dauerhaft fester Bestandteil für Kita-Teams sein, um die sprachliche Bildung, inklusive Pädagogik und Zusammenarbeit mit Eltern zu verbessern. Grün-Schwarz will sich am Bundesprogramm lediglich orientieren und setzt stattdessen auf Maßnahmen wie Kolibri oder Singen, Bewegen, Sprechen. Damit werden Projekte und Modelle verfolgt, die unverhältnismäßig viel kosten, wenig nachhaltig sind und von dem vor allem nur wenige Kitas profitieren.

„Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kitas für die Weiterentwicklung der Qualität ein zuverlässiges Unterstützungssystem brauchen. Das bietet die Fachberatung mit Praxisbegleitung. Zusammen mit den Trägern von Kindertageseinrichtungen fordern wir, das System der Fachberatung flächendeckend und trägerübergreifend auszubauen und sicherzustellen“, sagt Anne Heck, Vorsitzende der GEW-Landesfachgruppe Fach- und Praxisberatung für Kitas.

„Mit dem Projekt ‚Kinderbildungszentren‘ beispielsweise will das Land bis Ende 2022 an 20 Standorten die Kooperation von Kita und Grundschule stärken, wenn die Einrichtungen auf einem Grundstück liegen und den Spielhof gemeinsam nutzen. Innerhalb von zwei Jahren werden für Prozessbegleitung und Beratung vier Millionen Euro aus den Mitteln des Gute-Kita-Gesetzes dafür eingesetzt. Zusätzliche Zeit für Fach- oder Lehrkräfte gibt es nicht. In der Fläche der landesweit mehr als 9.200 Kitas wird das Projekt sicher keine Wirkung zeigen. Die GEW fordert, die sogenannten Projekte und Modelle mit ihrer überaus kurzfristigen Laufzeit und einer geringen Nachhaltigkeit zu beenden und das eingesparte Geld in dauerhafte Personalstellen zu investieren!“, kritisiert Beate Bischoff, Vorsitzende der GEW-Landesfachgruppe Kita.

Inklusive Pädagogik und Digitalisierung zu wenig beachtet

Beide Regierungsparteien erwarten, dass der Bund, die 140 Millionen Euro aus dem Gute-Kita-Gesetz für die Kita-Leitungszeit über 2022 hinaus gewährt. Landesmittel sind für diese wichtige Aufgabe bisher nicht vorgesehen. Verlässlich ist das nicht.

„Als Leiterin einer viergruppigen Kita achte ich darauf, dass wir eine lernende Organisation sind. Als Team legen wir besonderen Wert auf die pädagogische Weiterentwicklung. Schließlich sind uns Kinder mit ihren Familien anvertraut. Es heißt ‚auf die Leitung der Kita kommt es an‘ und entsprechend gut sollten Kitaleitungen vorbereitet, fachlich begleitet und mit Zeit für ihre vielfältigen Aufgaben ausgestattet sein. Corona hat uns Leitungen viel abverlangt. Jetzt brauchen wir politische Entscheidungen, die uns entlasten, damit wir die Kinder und ihre Familien gut unterstützen können“, findet Manuela Wölfle von der GEW-Landesfachgruppe Kita.

Zu wenig Beachtung findet die inklusive Pädagogik, und vollkommen vernachlässigt ist die Digitalisierung in Kitas. Dabei brauchen Kitas dringend einen Digitalpakt analog zu Schulen. Die Einrichtungen müssen digital gut ausgestattet, die pädagogische Arbeit um die Medienbildung erweitert und Fachkräfte entsprechend qualifiziert werden. „Jetzt für morgen“ ist nicht in Sicht.

„Jedes Kind sollte aktiv eine altersgemäße, ganzheitliche und an Lebensrealitäten orientierte digitale Bildung erfahren können. Dazu bedarf es der Anstrengung aller Akteur*innen auf den unterschiedlichen Ebenen der frühkindlichen Bildung, besonders von bildungspolitischen Entscheidungsträger*innen“, mahnt Karin Ehlert von der GEW-Landesfachgruppe Fach- und Praxisberatung für Kitas.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23