Konferenzrecht an Schulen
Gelebte Demokratie mit großem Alltagsbezug
Konferenzen gehören nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen von Lehrkräften. Doch sie offerieren Beteiligungsmöglichkeiten an Schulen, die groß sind, aber oft ungenutzt bleiben. Warum es sich lohnt, sich auf Formalien einzulassen.
Das Telefon klingelt bei der Mitgliederberatung der GEW. Anrufer*in ist eine Lehrkraft, die Fragen zum alljährlichen Weihnachtsbasar am ersten Adventssonntag hat. Oder zum Umgang des Kollegiums mit Vertretungsregelungen, wenn durch Lehrkräftemangel und Grippewelle jede Stundenplanänderung nur noch eine Halbwertszeit von wenigen Stunden hat. Oder zur Häufigkeit und zeitlichen Lage der Lehrerkonferenzen. Irgendwann wird in jedem dieser Beratungsgespräche früher oder später (meist früher) die Frage kommen „Was hat denn die GLK (also die Gesamtlehrerkonferenz) hierzu beschlossen?“ Und häufig ist die Antwort leider: „Gar nichts!“.
Und genau hier liegt ein großes Problem, aber auch eine sehr große Chance. Die Chance besteht darin, dass die Beschäftigten der staatlichen Schulen viele Beteiligungsrechte und ein großes demokratisches und steuerungsfähiges Arbeitsumfeld haben. Eine Vollversammlung aller Lehrkräfte (GLK) kann, unabhängig von Beschäftigungsstatus, Alter, Teilzeitumfang oder anderen Faktoren, nach dem Grundsatz „ein Mensch – eine Stimme“ Beschlüsse fassen, welche dann sogar für die Schulleitung verbindlich sind. Eine für die Lehrkräfte eigentlich komfortable und privilegierte Situation, die in der freien Wirtschaft oder auch anderen Behörden undenkbar ist.
Ein Problem entsteht vor allem dann, wenn die GLK ihre Gestaltungsmöglichkeiten und -rechte nicht nutzt. Denn dann kann und muss die Schulleitung die der einzelnen Schule von der Landespolitik und Schulaufsicht bewusst zur Verfügung gestellten Freiräume in der Ausgestaltung von Regelungen selber füllen. Und wenn dies zum Missfallen von einzelnen oder sogar vielen Lehrkräften der Schule geschieht, gibt es eben häufig keine landesweite Regelung, die eine Frage so oder anders klärt. Es bleibt also bei einer Ermessensentscheidung der Schulleitung, die unter Umständen für einzelne Lehrkräfte wichtige Punkte ungeklärt lässt.
Die Situation des Kollegiums entspricht daher dem klassischen Spiderman-Zitat: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“. Sprich, die Lehrkräfte müssen zum Wohle der Schule und für eine faire Ausgestaltung der eigenen Beschäftigungsbedingungen ihrer aus der Konferenzordnung herrührenden Verantwortung gerecht werden. Und nur wer das Konferenzrecht kennt, kann es anwenden und nutzen. Es führt daher kein Weg an der Lektüre der Konferenzordnung (gut sechs Seiten im GEW-Jahrbuch) oder besser noch der einschlägigen GEW-Broschüre zum Thema vorbei. Wenn sich Abläufe, der Umgang mit Anträgen und Beschlüssen und die Einhaltung von Fristen in einer Schule etabliert haben, entsteht in vielen Fällen sicherlich ein effektiverer und befriedigenderer Ablauf der Konferenzen und ihrer Ergebnisse. Die Einarbeitung in die Formalia ist daher eine gute zeitliche Investition.
Wo kann die Konferenzordnung helfen – und was kann die GLK ganz konkret für die eigene Schule festlegen?
Zwei Beispiele aus der Beratungspraxis:
1. Häufigkeit, Dauer und zeitliche Lage der Konferenzen
Die Häufigkeit, Dauer und zeitliche Lage von Lehrerkonferenzen (GLK, Fachkonferenzen, Stufenkonferenzen und so weiter) ist immer wieder ein konfliktbehaftetes Thema. Insbesondere für Teilzeitbeschäftigte und/oder Lehrkräfte mit Care-Aufgaben (Kinderbetreuung oder pflegebedürftige Angehörige) ist eine angemessene und verlässliche Regelung wichtig, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherstellen zu können. Diejenigen, die an den fraglichen Konferenzen teilnehmen müssen, können im Rahmen der Vorgaben der Konferenzordnung ihre „Hausregeln“ selber festlegen.
Für die GLK ist zum Beispiel „nur“ geregelt, dass sie mindestens viermal – bei Schulen mit Abteilungs-, Schulart- oder Stufenkonferenz mindestens zweimal – im Schuljahr, stattfinden soll. Alles Weitere kann die GLK selber entscheiden. Also, ob der Termin immer am selben Wochentag und zur gleichen Uhrzeit oder rotierend festgelegt wird. Und auch, ob man lieber häufiger und dafür hoffentlich kürzer, oder lieber seltener und dafür gegebenenfalls aber länger tagen möchte. Oder auch, ob ein zeitliches Ende fixiert ist, oder ob man tagt, bis man fertig ist.
Um hier eine passende schulinterne Lösung zu finden, ist ein geordneter Ablauf des Entscheidungsprozesses und eine ausreichend bereite Diskussion im Gremium sinnvoll. Frühzeitig, mindestens aber entsprechend der Frist in der Konferenzordnung, wird das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, am besten gleich mit einer möglichst konkreten Vorlage (also einem Antrag), der dann in der GLK diskutiert, bei Bedarf abgeändert und dann beschlossen werden kann. Dieser GLK-Beschluss wird dann so gut archiviert, dass er auch nach längerer Zeit und/oder für neue Kolleg*innen nachvollziehbar ist. Der GLK-Beschluss ist dann für alle Lehrkräfte und auch für die Schulleitung verbindlich und gilt, bis die GLK eine Neuregelung diskutiert und verabschiedet.
2. Außerunterrichtliche Veranstaltungen und Teilnahmepflicht
Die Schule, namentlich die GLK und die Schulkonferenz, können relativ frei entscheiden, wie viele und welche außerunterrichtlichen Veranstaltungen (AuV) sie wann durchführen möchte. Zentrale Vorgaben hierzu (zum Beispiel jede*r Schüler*in soll einmal in der Schulzeit, in der Regel ab Klasse 5, an einem Schullandheimaufenthalt teilnehmen und so weiter) gibt es nur wenige. Es muss daher „nur“ zwischen Schulkonferenz und GLK eine Einigung erzielt werden.
Die GLK ist aber gut beraten, neben den Aspekten „das war schon immer so und hat sich bewährt“ oder „es wäre total schön, wenn es stattfinden würde“ auch die „Mach-Frage“ zu diskutieren. Sprich zu klären, wer die Aufgabe, also die Planung, Durchführung und gegebenenfalls Nachbereitung der AuV denn übernimmt. Zu Bedenken ist hierbei immer, wie viele Personen wirklich notwendig sind, die nur anteilige Belastung von Teilzeitbeschäftigten sicherzustellen und insbesondere bei AuV mit ungewöhnlichen zeitlichen Dimensionen (Wochenend- oder Abendtermine und so weiter) die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Auge zu behalten.
Für eine gute schulinterne Lösung ist, statt einer ungeordneten Diskussion in der GLK, ein strukturierter und formalisierter Ablauf zielführend. Daher sollte ein fristgerechter, konkreter Antrag eingebracht werden, der klärt, wann welche AuV stattfinden sollen und wie es mit der Finanzierung und vor allem auch dem Personaleinsatz aussehen soll. Ein aus einem Antrag resultierender Beschluss kann beispielsweise festlegen, dass beim jährlichen Schulfest am letzten Samstag vor den Sommerferien Teilzeitbeschäftigte nur jedes zweite Jahr dabei sein müssen, für Schwerbehinderte und Lehrkräfte mit Care-Aufgaben die Teilnahme freiwillig ist, für alle anderen Lehrkräfte aber Anwesenheitspflicht besteht.
Ein Hinweis zum Schluss: Die Landesregierung hat eine Ergänzung der Konferenzordnung auf den Weg gebracht, die zukünftig für Lehrerkonferenzen die Option schafft, sie auch in digitaler oder hybrider Form durchführen zu können. Dies hat zunächst für manche Lehrkräfte organisatorische Vorteile, gerade für Teilzeitbeschäftigte oder Menschen mit Care-Aufgaben. Die Option birgt aber auch die Gefahr, dass demokratische Diskussionsprozesse durch die mit Online-Konferenzen und Hybridsitzungen einhergehenden Nebenwirkungen beeinträchtigt werden. Nicht zuletzt dadurch, dass geheime Abstimmungen für digital Teilnehmende so gut wie unmöglich sind und somit nicht mehr ohne Weiteres beantragt und durchgeführt werden können. Ein wichtiges Instrument demokratischer Entscheidungsprozesse, gerade da die Schule eine hierarchische Struktur besitzt, wird somit zukünftig (noch) seltener eingesetzt, wenn digitale oder hybride Sitzungen der Normalfall werden sollten.