Tarifrunde TVöD
Gemeinsam für mehr Gehalt und wirksame Entlastung
Im Januar startet die TVöD-Tarifrunde. Für die Beschäftigten beim Bund und den Kommunen fordern die Gewerkschaften acht Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro pro Monat sowie wirksame Entlastungen und erstmals einen Gewerkschaftsbonus.
Am 24. Januar treffen sich die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes zum Verhandlungsauftakt der Tarifrunde beim Bund und den Kommunen mit den Arbeitgebervertreter*innen. Dieser Termin wird, dazu braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten, Startschuss für eine harte Tarifauseinandersetzung sein. „Wir brauchen einen hohen Abschluss, um die Belastung durch die Inflation der letzten Jahre gänzlich auszugleichen und den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen. Geld alleine reicht nicht, deshalb fordern wir auch wirksame Entlastungsmaßnahmen,“ begründete die stellvertretende Landesvorsitzend der GEW Baden-Württemberg Farina Semler die Forderungen. An die Arbeitgeber*innen gerichtet, stellte sie klar: „Wer ausreichend und gut qualifiziertes Personal in Kindertagesstätten und in vielen anderen kommunalen Diensten haben möchte, der muss mutig investieren und darf nicht dogmatisch sparen wollen.“
Nach dem Verhandlungsauftakt sind zwei weitere Verhandlungsrunden am 17. und 18. Februar 2025 sowie vom 14. bis 16. März 2025 geplant. Das Gewerkschaftslager wird in den Verhandlungen von Verdi angeführt.
Gehaltsforderung
Die Gewerkschaften gehen mit einer Forderung von insgesamt acht Prozent mehr Geld, mindestens aber ein Plus von 350 Euro monatlich für Entgelterhöhungen und höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten (unter anderem Überstunden, Schichtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit) in die Verhandlungen.
Die Mindestanhebung von 350 Euro würde bis weit in die höheren Entgeltgruppen einen Anstieg der Gehälter um mehr als acht Prozent bringen (in Sozial- und Erziehungsdienst bis S 17 Stufe 1). Für die Auszubildenden und Praktikant*innen sollen die Entgelte um 200 Euro monatlich steigen, außerdem wird für sie eine Übernahmegarantie gefordert. Die Laufzeit dieser Vereinbarungen soll ein Jahr betragen – dann möchten die Gewerkschaften erneut verhandeln.
Wirksame Entlastung nötig
Zusätzlich zur Gehaltsforderung wollen die Gewerkschaften wirksame Entlastungen durchsetzen. Um hierzu arbeitskampffähig zu werden, wurden neben den Entgelttabellen auch die Regelungen zur Arbeitszeit und zum Urlaub gekündigt. Die Gewerkschaften wollen drei freie Tage zur Erholung durchsetzen, um der zunehmenden Arbeitsbelastung zu begegnen. Kolleg*innen im Sozial- und Erziehungsdienst kennen solche Regelungen schon. Sie sollen jetzt auf alle Beschäftigten beim Bund und in den Kommunen ausgedehnt werden. Im SuE-Bereich würde das im Erfolgsfall zu zusätzlichen freien Tagen führen. Zur Entlastung älterer Kolleg*innen soll Altersteilzeit wieder möglich werden, für besonders belastete Beschäftigte soll eine Vorrangregelung vereinbart werden, um ihnen den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand zu ermöglichen. Das von den Arbeitgebern 2023 durchgesetzte Ende der Altersteilzeit im TVöD war ein Fehler, die hohen Krankenstände gerade älterer Kolleg*innen sprechen für sich.
Innovativ ist die Forderung nach der Einführung eines „Meine-Zeit-Kontos“, um den Beschäftigen eine höhere Zeitsouveränität zu ermöglichen. Auf dieses Konto können Beschäftige unter anderem Entgelterhöhungen, zusätzliche freie Tage, Überstunden, Zeitzuschläge oder Teile der Jahressonderzahlung buchen, um den angesparten Zeitwert später zur Absenkung ihrer Wochenarbeitszeit, für zusätzliche freie Tage oder eine längere Freistellungsphase zu nutzen.
Außerdem soll erreicht werden, dass die Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte bereits bei Überschreitung der individuell vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit gezahlt werden. Bisher werden diese im TVöD erst nach Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten gezahlt.
Erstmals in einer Tarifrunde im öffentlichen Dienst soll eine Mitgliedervorteilsregelung („Gewerkschaftsbonus“) in Form eines zusätzlichen freien Tags exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder durchgesetzt werden. Gewerkschafsboni sind zulässig und etablieren sich mehr und mehr in Haus- und Firmentarifverträgen. Erstmals hat die IG BCE in diesem Jahr einen Gewerkschaftsbonus (ebenfalls einen freien zusätzlichen Tag) im Flächentarifvertrag für die Chemieindustrie durchgesetzt. Auch wenn von den Arbeitgebern in der TVöD Runde mit deutlicher Abwehr zu rechnen ist, ist die Forderung wichtig und richtig. Gewerkschaftsmitglieder haben eine Anerkennung und eine Besserstellung gegenüber Kolleg*innen, die sich nicht in den Gewerkschaften organisieren, verdient. Gewerkschaftsmitglieder investieren Zeit und Geld für bessere Arbeitsbedingungen. Nur durch ihr Engagement sind Verbesserungen möglich, von denen dann alle Beschäftigten profitieren.
Die Forderungen sind im Vergleich etwa zum Abschluss in der Metallindustrie von knapp sechs Prozent bei einer sehr langen Laufzeit ambitioniert, aber angemessen. Alleine seit 2008 sind die Tarifgehälter in der Metallbranche um fast zehn Prozent stärker gestiegen als im TVöD. Entscheidender ist ohnehin der Blick auf die Inflation, worauf Michael Zebisch, der ehrenamtliche Leiter der GEW-Tarifabteilung im GEW-Podcast hinweist. Danach hat zwar der gute Abschluss der letzten Tarifrunde mit einer durchschnittlichen Steigerung von elf Prozent einen Teil der Verluste durch den Preisschock der Jahre 2022 und 2023 ausgeglichen – aber eben nur einen Teil. Immer noch liegen die realen Löhne im TVöD fast fünf Prozentpunkte unter dem Niveau von 2020. Und auch die Schulden der Kommunen taugen als Gegenargument in der aktuellen Lage wenig, schätzt Zebisch ein: „Zum einen sind viele Kommunen im Westen und gerade in Baden-Württemberg solventer und was ärmere Kommunen betrifft – und die gibt es ohne Zweifel nicht nur im Osten und im Ruhrgebiet, so hat es die Politik in der Hand Abhilfe zu schaffen und für einen faireren Ausgleich zu sorgen. Außerdem werde eine neue Bundesregierung nicht darum herumkommen, die auch volkswirtschaftlich gebotene Lockerung der Schuldenbremse auf den Weg zu bringen.“
Wen die Tarifrunde betrifft
In der Tarifrunde wird für rund 2,5 Millionen Tarifbeschäftigte beim Bund und den Kommunen verhandelt. In der GEW gilt das beispielsweise für Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen sowie Sozialpädagog*innen. In Baden-Württemberg arbeiten über 230.000 Tarifbeschäftigte bei den Kommunen. Darunter sind viele pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, in der Schulkindbetreuung, der Sozialarbeit und der Behindertenhilfe. In der frühkindlichen Bildung arbeiten rund 45.000 Beschäftigte in kommunalen Einrichtungen.
Die Tarifrunde reicht aber weit über die Kommunen hinaus. Sie betrifft auch viele Beschäftigte bei den freien und kirchlichen Trägern, weil sie den TVöD direkt anwenden oder sich daran orientieren. So arbeiten in Baden-Württemberg allein in den Kitas von kirchlichen und freien Trägern knapp 60.000 Beschäftigte. Darüber hinaus sind direkt oder indirekt in Baden-Württemberg weitere 32.000 Beschäftigte in sozialen Diensten und Einrichtungen von den Verhandlungen betroffen.
Vorbereitungen laufen
Aktuell laufen die Vorbereitungen der GEW in allen Landesverbänden auf Hochtouren. Und auch die GEW Baden-Württemberg bereitet sich vor.
Während der Tarifrunde wird es Online-Veranstaltungen zur Tarifrunde geben (unter anderem zum Streikrecht und zum Update über den Verhandlungsverlauf). Wie in den letzten Runden können Kolleg*innen sich auch ins Tarifteam einbringen und dort Aktivitäten der GEW mitgestalten. Und sollten sie nötig werden, ist die GEW natürlich bei den Streiks dabei.