Zwölf-Punkte-Plan
Grundschulen stärken! Aber wie?
Aus Sicht der GEW-Landesfachgruppe Grundschule braucht es deutlich mehr Ressourcen, um alle Kinder entsprechend ihrer Begabung fördern zu können. Die Forderungen der GEW im Überblick.
Die Grundschulen stärken – das ist das erklärte Ziel der Landesregierung. Das ist grundsätzlich eine gute Idee und freut die GEW.
Diese Stärkung sieht nach der Vorstellung des Kultusministeriums (KM) wie folgt aus:
- „Lernstand 2“, „VERA 3“ und „Kompass 4“ dienen einer lückenlosen Diagnostik während der Grundschulzeit und ermöglichen davon ausgehend eine datengestützte, differenzierte Unterstützung der Schüler*innen. Zusätzliche Ressourcen lösen die Instrumente nicht aus. Die Arbeit wird aus Sicht der Kultusverwaltung nicht mehr, sondern anders.
- Mit „Starke Basis“ soll dafür gesorgt werden, dass künftig alle Kinder die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik erreichen. Die Materialien hierzu unterstützen die Lehrkräfte.
- „BISS-Transfer“ und das umfassende Fortbildungsangebot hierzu stärkt die Lesekompetenz.
- Zukünftig sollen nach den Vorstellungen von Kultusministerin Theresa Schopper Kinder bereits in den Kindertageseinrichtungen hinsichtlich ihrer Sprachkenntnisse diagnostiziert werden, um dann in einem neu zu entwickelnden Fördermodell vor und während der Grundschulzeit entsprechend gefördert zu werden.
Es ist erfreulich, dass die Grundschulen endlich in den Blick genommen werden. Doch reicht das aus, damit Grundschulen wirksam arbeiten können? Bringen uns viele Projekte und dazu passende Fortbildungsangebote für Lehrkräfte an das Ziel, Unterrichtsqualität zu verbessern? Die GEW sagt: Nein!
Um die herausfordernde Arbeit an den Grundschulen gut bewältigen zu können, um alle Kinder entsprechend ihrer Begabung fördern zu können, braucht es vor allem eines: Deutlich mehr Ressourcen für diese Schulart.
Die GEW-Landesfachgruppe Grundschule macht sich für Verbesserungen stark. Sie hat Forderungen erstellt und setzt sich für deren Umsetzung bei den politisch Verantwortlichen ein.
Das fordert die GEW:
- Wertschätzung und Unterstützung für die Arbeit von Grundschullehrer*innen:
An den Grundschulen arbeiten Lehrkräfte mit dem höchsten Deputat, der geringsten Besoldung und zugleich der heterogensten Schüler*innenschaft. An vielen Grundschulen können Stellen von Lehrkräften oder Schulleitungen, teilweise über Jahre, nicht besetzt werden. Bei Ausfällen von Kolleg*innen, gibt es keine Vertretungsreserve, so dass viele Unterrichtsstunden ausfallen, weil sie nicht vertreten werden können. Das führt zu einer Überlastung der Kolleg*innen, die vor Ort die Stellung halten. Es ist zwingend notwendig, die Arbeitsbedingungen an den Grundschulen den veränderten Anforderungen anzupassen. Nur so wird der Beruf wieder attraktiv. - Stunden zur individuellen Förderung und für AG-Angebote:
Obwohl Grundschulen die heterogenste Schüler*innenschaft vorweisen, sind sie die einzige Schulart ohne verbindliche Förderstunden in der Stundentafel. Qualitative Verbesserungen an den Grundschulen lassen sich ohne zusätzliche Ressourcen zur individuellen Förderung nicht erreichen.
Lehrkräfte benötigen auch Zeit für Unterrichtsgänge, Projekte und deren Vorbereitung sowie für Kooperationen und Beratungen aller am Schulleben Beteiligten. - Qualifizierungsmaßnahmen für Personen ohne Lehramtsausbildung:
Alle Menschen, die Lust auf diesen großartigen Beruf haben, sind willkommen und werden gebraucht. Aber sie müssen gut und fundiert ausgebildet oder weitergebildet und begleitet werden. Ohne zusätzliches Personal kann der Lehrkräftebedarf an den Grundschulen aktuell nicht mehr gedeckt werden. Die Qualifizierung von nicht grundständig ausgebildeten Personen kann nicht „nebenbei“ durch das Stammpersonal an den Schulen geleistet werden. Begleitende Mentor*innen benötigen Anrechnungsstunden. Umfangreiche Fortbildungskonzepte für Personen ohne Lehramtsausbildung sind notwendig: Diese müssen vor der Aufnahme ihrer Lehrtätigkeit beginnen und begleitend auf die Unterrichtsverpflichtung angerechnet werden. - Multiprofessionelle Teams:
Im Koalitionsvertrag steht: „Multiprofessionelle Teams etablieren: Wir werden ein Konzept für den Einsatz von multiprofessionellen Teams in den Grundschulen erarbeiten und an Modellschulen erproben. So sollen Kinder besser und umfassend individuell gefördert sowie eine professionelle Zusammenarbeit verschiedener Expertinnen und Experten an Grundschulen ermöglicht werden. In der Erprobungsphase werden Grundschulen mit einer hohen Zahl benachteiligter Schülerinnen und Schüler vorrangig berücksichtigt.“
Die GEW begrüßt die Absicht des Kultusministeriums, die Grundschulen mit multiprofessionellen Teams zu verstärken. Doch diese Ressourcen müssen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Die personelle Ausstattung der Grundschulen in Baden-Württemberg ist allgemein unzureichend, eine „Umverteilung“ von Ressourcen kommt also nicht in Frage. In multiprofessionellen Team müssen ausgebildete Fachkräfte zusammenarbeiten, das können Hilfskräfte und FSJler*innen nicht leisten. Diese können nur zusätzlich unterstützen, niemals aber ausgebildete Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Psycholog*innen, Pflegekräfte und so weiter ersetzen. Die Kooperation mit den verschiedenen Professionen an den Schulen braucht Zeit. Diese muss zur Verfügung gestellt werden. - Eine ausreichende Vertretungsreserve:
Grundschulen müssen neben grundlegender Bildung auch die verlässliche Betreuung sichern. Hierzu müssten zehn Prozent mehr Lehrkräfte eingestellt werden, als der Versorgungsbedarf rechnerisch hergibt, damit Ausfälle nicht zu organisatorischem Chaos führen. Ohne eine angemessene Vertretungsreserve ist die wichtige gesellschaftliche Aufgabe, Schüler*innen verlässlich zu unterrichten, nicht umzusetzen.
- Gute Bedingungen für die Arbeit an Ganztagsgrundschulen:
Die Arbeit an Ganztagsgrundschulen beinhaltet veränderte Lehr- und Lernformen und auch eine andere Zeitstruktur als die der Halbtagsschule. Eine gute Versorgung mit Lehrkräften und pädagogischem Personal ist ebenso unabdingbar wie eine veränderte räumliche Ausstattung, die den Schüler*innen und auch den Lehrer*innen einen Rückzug im Schulalltag ermöglicht sowie auch darüber hinaus den veränderten Anforderungen im Ganztag entspricht.
Besonders in Hinblick auf Chancengleichheit müssen Schüler*innen der Vorbereitungsklassen (VKL) und Grundschulförderklassen (GFK) Zugang zum Ganztag haben. Gerade Schüler*innen, die es besonders schwer haben, profitieren vom Ganztagesangebot.
„Multiprofessionelle Teams“ sind eine gute und wesentliche Unterstützung des Ganztages.
Ganztagesschulen müssen für ihre besonderen Herausforderungen und mit Blick auf ihre wichtige Rolle hinsichtlich des Angebotes von Bildungschancen für ihre Schüler*innen besser ausgestattet und unterstützt werden. Ihre Akzeptanz auch durch besonders kritische Eltern hängt maßgeblich von der Qualität dieses Bildungsangebotes ab. - Mehr Unterstützung in der Inklusion:
An den Grundschulen wird Inklusion mit immer weniger – oder auch ganz ohne – Ressourcen aus der Sonderpädagogik geleistet. Dadurch werden wir weder dem Bildungsanspruch der Kinder mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch noch dem der Kinder mit allgemeinem Bildungsanspruch gerecht. Die Versorgung der Kinder mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch an SBBZen und in der Inklusion muss gleichwertig sein. Angesichts einer immer heterogeneren Schüler*innenschaft müssen Kinder mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch beim Klassenteiler doppelt gezählt werden. - Ressourcen für die Kooperation Kita – Grundschule:
Für die Betreuung im Rahmen der Kooperation Kindergarten – Grundschule ist mindestens eine Anrechnungsstunde pro Eingangsklasse in der Grundschule zur Verfügung zu stellen. - Entlastung durch Verwaltungsassistenz:
Aufwändige Verwaltungsarbeit nimmt inzwischen einen sehr großen Anteil der wertvollen Zeit von Lehrkräften und Schulleitungen in Anspruch, die dafür nicht ausgebildet sind. Die flächendeckende Einführung von Schulverwaltungsassistent*innen ist besonders angesichts zahlreicher unbesetzter Schulleitungsstellen zwingend erforderlich. - Die Maßnahmen des Kultusministeriums zur Qualitätsentwicklung müssen entschleunigt werden:
Die vom KM vorangetriebene „datengestützte Qualitätsentwicklung“ muss den schwierigen Ausgangsbedingungen an den Schulen angepasst werden. Die Teilnahme an Projekten wie „Lernstand 2“ und „Kompass 4“ muss freiwillig bleiben. Lehrkräfte sind zunehmend mit administrativen Aufgaben, bürokratischen Anforderungen und der adäquaten Betreuung individueller Bedürfnisse ihrer Schüler*innen konfrontiert, was ihre effektive Zeit für den Unterricht erheblich reduziert.
Soll die Qualität der Schulbildung gefördert werden, müssen die Planungen des Kultusministeriums darauf abzielen, den Lehrkräften dafür mehr Freiraum zu verschaffen. Dies kann gelingen, wenn, Erweiterungen von Aufgaben immer kritisch auf den verbundenen Mehraufwand geprüft und in gleichem Maße mögliche Entlastungen der GS-Lehrkräfte geplant werden. - Wir brauchen mehr Lehrkräfte:
Die Studienplätze für das Grundschullehramt reichen derzeit nicht für alle geeigneten Bewerber*innen aus.
Daher müssen mehr Studienplätze eingerichtet werden!
Die Problematik, dass nicht alle Studienanfänger*innen ihr Studium durch den Eintritt ins Referendariat und dann den Schuldienst beenden, muss untersucht werden und die Ursachen hierfür analysiert und beseitigt werden. Nach Beendigung des Referendariats möchten viele junge Kolleg*innen nicht in Vollzeit in den Beruf einsteigen, weil sie sich schon zu Berufsbeginn überlastet fühlen. Dieses Thema muss ernst genommen und aufgegriffen werden. Die Aufwertung des Grundschulstudiums in ein zehnsemestriges Studium mit Masterabschluss an den Pädagogischen Hochschulen (PH) entspräche den gestiegenen Anforderungen an diesen Beruf.
Besonders in Mangelregionen muss es zusätzliche Anreize für Bewerber*innen geben, da bei weitem nicht alle offenen Stellen im Grundschulbereich besetzt werden können. - A13 / E13 für alle Grundschullehrkräfte:
Es wird höchste Zeit, auch in Baden-Württemberg dem guten Beispiel von 13 Bundesländern zu folgen und gleichwertige Arbeit endlich gleich zu vergüten.