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Guter Weg zu einer persönlichen Handschrift

Im Dezember 2016 verbot die Kultusministerin die Grundschrift. In einem Schreiben wurde den Grundschulen mitgeteilt, dass sie die vom Grundschulverband entwickelte Schrift nicht mehr einführen dürfen. Die Erprobungsschulen wehren sich dagegen, weil ihren Erfahrungen nach die Kinder damit leichter und genauso gut schreiben lernen. Hans Dörr berichtet über ein Gespräch mit dem Kultusministerium.

Der GEW-Kreisvorsitzende und HPR-Mitglied David Warneck fragte Kultusministerin Susanne Eisenmann bei einer CDU-Veranstaltung Anfang April 2017 im Esslinger Rathaus, warum sie in ihrem „Orthographie-Schreiben“ vom Dezember 2016 den Grundschulen die Einführung der Grundschrift untersagt habe. Die Kultusministerin antwortete: „Weil sich an den Versuchsschulen kein Mehrwert der Grundschrift ergeben hat.“
Diese lapidare Antwort veranlasste mich, die Kultusministerin in einem Brief zu fragen:
•    „Woher wissen Sie, dass sich an den „Versuchsschulen kein Mehrwert“ ergeben haben soll? Mit wie vielen Versuchsschulen wurde seitens des Ministeriums gesprochen?
•    Gab es eine seriöse Befragung oder gar eine wissenschaftliche Begleituntersuchung bei den Versuchsschulen oder den „Abnehmerschulen“?“  
In meinem Schreiben führte ich auch aus, dass das Verbot der Grundschrift keinerlei wissenschaftliche Grundlage habe und verwies auf KMK-Beschlüsse, den baden-württembergischen Bildungsplan von 2016 und die Bildungspläne und Vorgaben von 10 anderen Bundesländern (siehe Info-Kasten: Blick über Landesgrenze). Daraufhin bot die Kultusministerin ein Gespräch mit den Mitarbeiterinnen des zuständigen Referats an. Mitte September fand das Gespräch statt. Teilgenommen haben Ilse Petilliot-Becker, Referatsleiterin des Referats Grundschule, Frühkindliche Erziehung und Bildung, ihre Stellvertreterin, Sabine Ruppel, die Rektorin der Grundschrift-Erprobungsschule Herderschule Esslingen, Margarete Teuscher, die Koordinatorin der Erprobung an den Schulen, Heidrun Dietrich, David Warneck und ich.
Margarete Teuscher und Heidrun Dietrich widersprachen beim Gespräch im Kultusministerium der These vom fehlenden Mehrwert der Grundschrift kenntnisreich und vehement. Die Zielvorgabe des neuen Bildungsplanes, aus der Ausgangsschrift Druckschrift eine flüssige, gut lesbare, formklare, verbundene persönliche Handschrift zu entwickeln, lasse sich nach ihren jetzt siebenjährigen Erfahrungen mit der Grundschrift für die Schüler/innen leichter erreichen als mit der Lateinischen Ausgangsschrift. Beide Lehrerinnnen hatten die Lateinische Ausgangsschrift ihrem Unterricht auch sehr lange vermittelt. Der für viele Schüler/innen belastende Bruch zwischen dem Erwerb der Druckschrift und dem Erlernen der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) oder der Lateinischen Ausgangsschrift (LA) sei nicht mehr vorhanden. Die herkömmlichen Schreibschrift-Lehrgänge würden langwierige, sich wiederholende Übungsphasen ohne merklichen Lernzuwachs erfordern. Dies falle weg. Der Verlust der Schreibfreude sei nicht mehr zu beobachten. Auch aus Inklusions- bzw. Integrationsklassen konnten die Lehrerinnen aus ihrer Erprobungsschule positive Erfahrungen berichten. Insgesamt bleibe mehr Zeit für andere Bereiche des Deutschunterrichts: Übungszeiten für Lernwörter, Zeit für das freie Schreiben, mehr Lesezeiten und vor allem Zeit für die Rechtschreibung. Kolleginnen der Klassen 3 und 4 würden feststellen, dass sich die Schüler/innen beim Schreiben von Geschichten mehr auf die Darstellung des Inhalts und auf die Orthografie konzentrieren könnten, da sie früher flüssig und geläufig schreiben könnten. Dadurch würden sie auch längere und gut leserliche Texte schreiben.
Selbstverständlich treffe auch auf die Grundschrift zu, was die Kultusministerin in ihrem Antwortschreiben formuliert habe: Eine sorgfältige Einführung der Buchstaben sowie die intensive Übung des Bewegungsablaufs sei auch beim Erlernen der Grundschrift notwendig. Wie beim Erlernen anderer verbundener Schriften seien regelmäßige Übungsphasen, vor allem bei den Buchstabenverbindungen, unerlässlich. Eine individuelle Begleitung der Kinder beim Schreibenlernen durch die Lehrkraft sei wie beim Erlernen von Vereinfachter Ausgangsschrift (VA) oder der Lateinischen Ausgangsschrift (LA) notwendig.

Referatsleiterin Petilliot-Becker und ihre Stellvertreterin Sabine Ruppel zeigten sich beeindruckt von den engagierten Darlegungen und den vorgelegten Schreibproben. Sie betonten, die intensive Arbeit der Erprobungsschulen werde sehr geschätzt und solle deswegen an den bisherigen 17 Erprobungsschulen auch weitergeführt werden können. Dennoch würden derzeit keinerlei wissenschaftliche Vergleichsstudien vorliegen, die einen Vorteil der Einführung und Verwendung der Grundschrift gegen der VA oder der LA belegen würden. Aus diesem Grund habe die Kultusministerin abschließend entschieden, dass es neben der VA und der LA keiner weiteren Alternative bedürfe.