So Gabriele Frenzer-Wolf, stellvertretende Landesvorsitzende des DGB Baden-Württemberg. Die IHK-Lehrstellenbörse zeige, dass Jugendliche mit Hauptschulabschluss schon bei der Ausschreibung von Ausbildungsstellen diskriminiert werden. Das Berufsbildungsgesetz schreibt für den Zugang zur dualen Ausbildung keine formalen Voraussetzungen vor. In den letzten Jahren hätten sich die Betriebe aber daran gewöhnt „leistungsstarke“ Jugendliche mit höherwertigen Schulabschlüssen als Auszubildende einzustellen. „Die Einstellungspolitik hat sich sehr stark auf die Bestenauslese konzentriert“ so die DGB-Vize. Nur knapp ein Drittel der ausgeschriebenen Ausbildungsstellen in den Oberzentren im Land können nach einer Untersuchung des DGB-Bezirks mit einem Hauptschulabschluss angetreten werden.
Bei den baden-württembergischen Oberzentren geht die Rote Laterne an Baden-Baden. Dort können nur 8,5% der in der IHK-Lehrstellenbörse gelisteten Ausbildungsstellen mit einem Hauptschulabschluss angetreten werden. Mit Abstand folgt Freiburg mit 18,5%, Pforzheim mit 21,7%, Reutlingen und Tübingen mit knapp 28% der angebotenen Stellen, Stuttgart und Heidelberg mit jeweils knapp 29% und Karlsruhe mit 31,3%. Villingen-Schwenningen liegt mit 36,4% der Angebote, die auch für Hauptschulabsolventen zur Verfügung stehen, über dem baden-württembergischen Landesschnitt von 32,2%. Es folgen Ulm mit 37,7%, Mannheim mit 40%, Heilbronn und Ravensburg mit je 41,2%, Konstanz mit 50% und Lörrach mit 53%. Bessere Bedingungen für Bewerber mit Hauptschulabschluss bieten Weingarten und Friedrichhafen mit 55,2% bzw. 56,8%. Spitzenreiter ist Offenburg. Hier stehen 68% der in der IHK-Lehrstellenbörse gelisteten Ausbildungsstellen auch Hauptschülern zur Verfügung.
Diese Ergebnisse bestätigen sich auch bei den Vertragsabschlüssen. Seit 2010 profitieren vor allem Bewerber mit Realschulabschluss oder Hochschulzugangsberechtigung in Baden-Württemberg von der Auswahl durch die Betriebe. Der Anteil der Gymnasiasten an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ist 2014 auf inzwischen 23% (2010: 16,4%) gestiegen, Bewerber mit Realschulabschluss machen inzwischen 47,3% (2010: 46,1%) aus. Der Anteil der Hauptschüler ist in den letzten Jahren dagegen gesunken und liegt nur noch bei 27,2% (2010: 35,2%).
Auch die Statistik der Arbeitsagentur zeigt die Benachteiligung auf. Der Anteil der Bewerber mit Hauptschulabschluss lag 2014 bei 24,4%. Der Anteil der Hauptschüler an den Bewerbern, die erfolgreich in Ausbildung eingemündeten lag aber nur bei 23,9%. Bei den unversorgten Jugendlichen dagegen bei mehr als 29,2%.
„Die Betriebe können nicht einerseits den drohenden Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsstellen beklagen und andererseits die Potentiale der Jugendlichen nicht nutzen. Den Betrieben stehen heute vielfältige Hilfen der Bundesagentur zur Verfügung“, so Frenzer-Wolf. Unter anderem stünden die Assistierte Ausbildung als neues Regelinstrument und ausbildungsbegleitende Hilfen zur Verfügung. Mit dieser Unterstützung könnten die Betriebe auch weniger leistungsstarken Jugendlichen ein Ausbildungsangebot machen. Betriebe und Betroffene erhalten dabei professionelle Hilfe beim Abbau von Sprach- und Bildungsdefiziten, bei der Entwicklung und Förderung von Schlüsselkompetenzen und eine sozialpädagogische Begleitung, die auch im Betrieb stattfindet.
„Kurz vor Ausbildungsbeginn im September sollte sich jeder Betrieb überlegen, ob er einem Absolventen der Hauptschule nicht doch noch ein Angebot machen oder eine 2. Chance geben kann“, forderte die DGB-Vize. Nur durch eine höheres Ausbildungsangebot der Wirtschaft könne die Zahl der mehr als 36.000 Jugendlichen im Maßnahmen und Bildungsgängen des Übergangssystems nachhaltig verringert werden.