Zum Inhalt springen

Bildungspolitik

Hausaufgabenliste der Kultusministerin

Theresa Schopper ist seit Mai 2021 die 14. Kultusminister*in in Baden-Württemberg. Michael Hirn und Maria Jeggle sprachen mit ihr über ihr neues Amt, die notwendigen Veränderungen im Bildungssystem und die größten Herausforderungen.

Kultusministerin Theresa-Schopper (Foto: © Evi Maziol)
Kultusministerin Theresa-Schopper nahm sich Ende August für das Interview mit der b&w-Redaktion eine Stunde Zeit. (Foto: © Evi Maziol)

Frau Schopper, Sie sind jetzt seit gut 100 Tagen im Amt. Wie geht es Ihnen?

Theresa Schopper: Mir geht es gut. Bei den Glückwünschen zu meinem Amt wurde mir meist mitvermittelt, was für ein schweres Amt das sei. Mir ist schon klar, dass das kein Spaziergang ist, mit den Herausforderungen von Corona schon gar nicht. Mir macht es aber viel Spaß, weil es ein Ministerium ist, das für die Zukunft und die Bildung der Kinder zuständig ist. Und was gibt es Schöneres?

Als Staatministerin hatten Sie schon einen groben Überblick über die Bildungspolitik im Lande. Was hat Sie trotzdem überrascht?

Schopper: Es ist jedes Mal ein beherzter Kampf und eine gut überlegte Abwägung, welche Schritte wir mit Corona wagen können.

Mir war wichtig, dass am Ende des letzten Schuljahrs noch etwas Normalität einzog, dass Schulen noch feiern konnten oder eintägige Ausflüge machen. Das ist pädagogisch sinnvoll, doch die Anfeindungen, die uns dazu auch erreicht haben, sind immens. Auch wenn ich damit gerechnet habe, überrascht es dann doch. Die Tonart in den sozialen Medien ist mitunter eine raue Nummer. Es redet halt jeder gerne mit: Wie der Fußball 80 Millionen Bundestrainer*innen hat, habe ich ein Amt mit elf Millionen Kultusminister*innen. Weil alle selbst in der Schule waren, haben viele eine Meinung dazu, was gerade wichtig wäre und warum schlecht ist, was gerade passiert.

Es gibt einen großen Wunsch nach Normalität. Was steht den Schulen im neuen Schuljahr bevor?

Schopper: Man vergisst sehr schnell, welche Fortschritte wir in der Pandemie gemacht haben. Wir hatten vor einem Jahr keine einfachen, flächendeckenden Tests, der Impfstoff war nur ein Silberstreif am Horizont. Das ist ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zum letzten Schuljahr.

Trotzdem müssen wir die Schulen vor Infektionen schützen. Daher gilt die Maskenpflicht und es wird weiter getestet. Aufgrund der Stiko-Empfehlung können nun auch Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden, was hoffentlich vor allem die älteren Jahrgänge annehmen. Wir sehen, dass in dieser Altersgruppe die Inzidenzen besonders stark steigen.

Wir tun aber alles, um die Klassenzimmer sicher zu machen. Daher haben wir beispielsweise das Programm mit den Luftreinigern aufgelegt. Ich hoffe auf eine hohe Impfquote bei den Lehrkräften. Sie durften sich in Baden-Württemberg sehr früh impfen lassen. Bei den Kindern, vor allem bei den Jüngsten in Kitas und Schulen, hoffen wir, dass wir über eine hohe Impfquote der älteren Schüler*innen und der Erwachsenen die Ansteckungsgefahr minimieren.

Die Infektionszahlen vor den Ferien zeigen, dass wir in den Klassen ein relativ geringes Infektionsgeschehen hatten, sodass wir auch mit den neuen Quarantäne-Regeln einerseits Sicherheit bieten und andererseits keinen Lockdown durch die Hintertür haben.

Jetzt wird das große Programm „Lernen mit Rückenwind“ aufgelegt, um fehlende fachliche und sozial-emotionale Entwicklungen der Schüler*innen auszugleichen. Glauben Sie, das reicht aus?

Schopper: Die zweijährige Laufzeit ist schon mal ein langer Zeitraum. Nach den Ferien sollen die Schüler*innen zunächst in der Schule und ihren Klassen gut ankommen. Danach schaut man mit Lernstandserhebungen, wo Defizite liegen, und dann können Schulen mit dem Programm gezielt nachsteuern. Wir haben nach Lösungen gesucht, dass Schulen Personen einsetzen können, die sie schon kennen. Wir ermuntern Lehrkräfte und Assistenzkräfte, ihre Deputate aufzustocken, und Lehramtsstudierende können unterstützen.

Das wird aber aller Voraussicht nach nicht reichen. Zusätzlich akquirieren wir deshalb mit Hochdruck Personal aus den Volkshochschulen und den Nachhilfeinstituten. Trotzdem: Wir werden nicht alles Versäumte nachholen können. Wichtig ist, dass wir gute Lernmöglichkeiten schaffen, vor allem für die Kinder, die massiv unter dem Lockdown der Schulen gelitten haben.

Die GEW fürchtet, dass es nicht genügend qualifizierte Personen gibt, die für „Rückenwind“ arbeiten können. Vor allem sind sie nicht gleichmäßig im Land verteilt. Wie stellen Sie ein flächendeckendes Angebot sicher?

Schopper: Die Kritik kam oft beim Programm „Bridge the Gap“ auf. Wobei wir nie gesagt haben, dass das ein flächendeckendes Projekt ist. Dafür kamen Lehramtsstudierende im Umkreis der Pädagogischen Hochschulen und der Schools of Education zum Einsatz. Für „Rückenwind“ haben wir den Kreis geöffnet und suchen nicht nur pädagogisch, sondern auch fachlich versierte Kräfte. Wir haben eine weitverzweigte wissenschaftliche Landschaft mit Hochschulen, auch im ländlichen Raum. Wer Medizintechnik studiert, kann durchaus Hilfestellungen in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern geben, natürlich in einem integrierten Konzept mit den bewährten Lehrkräften vor Ort.

Auch Volkshochschulen und Nachhilfeinstitute sind flächendeckend im Land vertreten. Mit ihnen können wir den Bedarf überall abdecken, damit kein Stadt-Land-Gefälle entsteht.

Allein der Verwaltungsaufwand wird groß werden, wenn so viele verschiedene Kräfte an die Schulen kommen sollen.

Schopper: Das war auch die Befürchtung aus der Verwaltung, dass sie in Arbeit versinken. Es wird aber personelle Verstärkung geben und wir haben zudem möglichst schlanke Verfahren gesucht, beispielsweise mit dem Einbezug von Kooperationspartnern.

Wäre es nicht ein guter Zeitpunkt, in Dauerstellen für Assistenzkräfte an Schulen zu investieren, statt immer wieder verschiedene Personen mit kurzfristigen und kleinen Verträgen an die Schulen zu holen?

Schopper: Wir haben für das Programm Geld für zwei Jahre. Schulassistent*innen können aufstocken, ohne dass Deputatsstunden von Lehrkräften wegfallen. Für strukturelle, also dauerhafte Maßnahmen, das muss man ehrlich sagen, fehlen in der aktuellen Situation die finanziellen Mittel. Für den nächsten Doppelhaushalt bemühen wir uns aber darum. Wobei die finanziellen Korridore für jedes Ministerium im Land allerdings eng sind und aufgrund von Corona mit einer Diät zu rechnen ist. Jeder vierte Euro im Staatshaushalt geht schon in die Bildung. Da sind wir auch stolz drauf. Es ist aber kein Selbstläufer, dass wir einen Zuschlag nach dem anderen bekommen.

Schulleitungen sind in Coronazeiten noch mehr belastet als schon zu normalen Zeiten. Der Koalitionsvertrag hat Hoffnungen für Besserungen geweckt. Kommt in den nächsten Monaten etwas?

Schopper: Ja, da kommt sicherlich etwas. Wir sind über die zweite Stufe des Konzepts zur Entlastung der Schulleitungen in Verhandlungen mit dem Finanzministerium. Aber auch diese müssen erst geführt werden.

Das Konzept war schon geplant, bevor Corona kam. Aussage von Frau Eisenmann war, dass 2022 die zweite Stufe des Schulleitungskonzepts umgesetzt wird. Die Landesregierung hat dem nie widersprochen.

Schopper: Corona hat gerade im finanziellen Bereich viel durcheinander gebracht, viele Mittel mussten zur Bewältigung der Pandemie eingesetzt werden. Tests, Masken, Impfzentren – das gibt es nicht kostenlos. Und dann kann man nicht so einfach tun, als wäre nichts passiert. Ich bin froh, wenn wir die zweite Tranche auf den Weg bekommen.

Werfen wir einen Blick in die Legislaturperiode, unabhängig von Corona. Was sind für Sie persönlich die wichtigsten Ziele für die kommenden vier Jahre?

Schopper: Persönlich treibt mich an, wie wir die Lücke zwischen Kindern aus bildungsfernen und bildungsintensiven Familien verkleinern können. Dafür braucht es eine gute Qualität in der frühkindlichen Bildung, vor allem in der Sprachbildung. Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung hat Baden-Württemberg eine gute Qualität von Kitas attestiert. Wobei wir bei der Gewinnung von Fachkräften auch noch weiter nachlegen müssen.

Denn Bildung ist der Schlüssel für ein gutes Leben. Man muss nicht alles wissen, man muss aber am Ende der Schulzeit wissen, wie kann ich mir Wissen besorgen und wie kann ich es einordnen, damit ich halbwegs stabil durchs Leben gehen kann. Das müssen wir Kindern mit auf den Weg geben.

Woran werden die Menschen merken, dass zum ersten Mal eine Kultusministerin der Grünen für die Bildung in Baden-Württemberg verantwortlich ist?

Schopper: Der Koalitionsvertrag hat schon eine deutlich grüne Prägung. Die Bildungsherkunft spielt bei uns eine wichtige Rolle. Auch die Politik des Gehörtwerdens ist uns wichtig. Diskussionen mit den Betroffenen und Beteiligung nehmen wir ernst. Ich glaube, wir schaffen einen Qualitätssprung nur, wenn wir die Menschen einbinden.

Der Koalitionsvertrag ist aber auch während Corona entstanden. Selbst wenn Corona jetzt vorbei wäre, wirkt die Pandemie noch mindestens zwei Jahre nach. Jetzt müssen wir schauen, dass die Kinder nicht unter die Räder kommen, sowohl emotional als auch fachlich. Auf der anderen Seite ist eine große Herausforderung, unser Bildungssystem zukunftsfest aufzustellen, mit den Ressourcen, die wir haben.

Die Bedeutung der frühen Bildung haben Sie betont. Seit 2005 gibt es den sehr guten Orientierungsplan für die Kitas. Er ist aber nach wie vor nicht verbindlich. Werden Sie daran etwas ändern?

Schopper: Der Orientierungsplan wird momentan evaluiert. Er war ein Meilenstein und ist ein ganz wichtiger Schritt für die frühkindliche Bildung. Wir betonen die Bedeutung des Plans auch, wenn wir jetzt mit den Trägern darüber diskutieren. Der fehlende Haken liegt nicht an uns.

Sie haben schon auf die jüngste Bertelsmannstudie verwiesen und die fehlenden Fachkräfte benannt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2030 rund 40.000 Fachkräfte an Kitas fehlen. Dort wird auch gefordert, dass die Ausbildungskapazitäten sofort erhöht werden müssten. Da sind Sie sicher schon dabei?

Schopper: Mit der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) für Erzieher*innen werden wir bundesweit kopiert und ja, wir sind dabei, die Kapazitäten aller Ausbildungsplätze, nicht nur von PiA, zu erhöhen. Das reicht aber nicht. Es dauert einige Jahre, bis eine Fachkraft ausgebildet ist. Wir versuchen nun, mit Direkteinsteigerprogrammen nachzurüsten, wissen aber, dass das nicht einfach ist, denn die Qualität in der frühkindlichen Bildung, für die Baden-Württemberg regelmäßig gelobt wird, wollen wir nicht schleifen lassen.

Der Fachkräftemangel ist lange bekannt, dafür hätte es auch keine Studie gebraucht. Im Grunde läuft man immer dem Bedarf hinterher. Warum ist die Politik da so träge?

Schopper: Die Nachfrage nach den Plätzen hat sich massiv verändert. Gleichzeitig ist auch die Akzeptanz der frühkindlichen Bildung deutlich gewachsen, das frühere Bild von der Krippe als sozialistischer Verwahranstalt existiert Gott sei Dank nicht mehr. Insgesamt haben sich die Plätze die letzten sieben Jahre verdoppelt und es ist viel passiert. Wir haben auch die Plätze in der Erzieherausbildung in den vergangenen Jahren verdoppelt, das muss man auch berücksichtigen. Ganz träge sind wir hier nicht.

Einen ähnlichen Mangel an Fachkräften gibt es auch an Schulen. Vor allem an den Grundschulen und den SBBZ fehlen so viele Lehrer*innen, dass die Stundentafeln und der Ganztagsbetrieb gekürzt werden müssen. Was werden Sie kurzfristig dagegen tun?

Schopper: Das ist einer der beunruhigendsten Punkte, die ich bisher auf den Tisch bekommen habe.

Wir müssen dieses Schuljahr so gut wie möglich aufs Gleis setzen und für das nächste Schuljahr Lösungen erarbeiten, die kurzfristig wirken. Wenn wir die Studienplätze noch einmal erhöhen, hilft uns das in dieser Legislaturperiode nichts mehr.

Menschen, die jetzt schon befristet an den SBBZ arbeiten, wollen wir beispielsweise fest anstellen und deren Verträge entfristen. Auch andere Berufsgruppen wollen wir hereinholen, wobei wir in einem Bereich fischen, wo man den Grund schon sehen kann. Insofern brauchen wir Personal von außerhalb. Die berufsbegleitende Qualifizierung für Lehrkräfte muss deshalb attraktiver werden. Der Hola-Kurs, Gruppe vier, hat bisher nur eine Auslastung von 20 Prozent – da müssen wir etwas tun. Damit stopfen wir allerdings nur Löcher, eine strukturelle Verbesserung ist das nicht. Deshalb bin ich wieder beim Studium: Wir müssen auch gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium prüfen, wo die Studienanfänger*innen hängen bleiben. Das Interesse am Lehramtsstudium ist da, viele kommen aber nicht in der Schule an.

Es gibt auch erhebliche regionale Unterschiede bei der Unterrichtsversorgung, die einem Sorgen machen müssen.

Schopper: Nicht wenige Dienstanfänger*innen akzeptieren lieber einen befristeten Vertrag in einer beliebten Region, als auf eine Festanstellung in einem nicht so gut versorgten Ort einzugehen. Ich verstehe nicht, warum manche nicht 20 Kilometer weiter fahren wollen. In Baden-Württemberg werden Lehrkräfte traditionell nicht versetzt. In Bayern ist das ein probates Steuerungsmittel.

Wollen Sie das machen?

Schopper: Lehrkräfte sollen dahin gehen können, wo sie sich wohlfühlen. Wir versuchen dann, die regional unterschiedliche Lehrkräfteversorgung ohne Versetzungen auszugleichen.

Die GEW unterstützt die Inklusion an allen Schulen. Der Lehrkräftemangel führt allerdings dazu, dass die Lehrkräfte in inklusiven Bildungsangeboten erleben, dass die Ziele des gemeinsamen Unterrichts nicht erreicht werden können. Es wird schon von einem Scheitern der Inklusion gesprochen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Schopper: Wir haben die letzten Jahre Stufe für Stufe viel Geld für die Inklusion investiert. Jetzt muss man bilanzieren und auch schauen, wo der Weg noch angepasst werden muss.

Wir werden noch über Jahre darauf angewiesen sein, dass nicht voll qualifizierte Lehrkräfte an den Schulen arbeiten. Bisher tun sie das ohne Qualifizierungsangebote und mit befristeten Verträgen. Die GEW fordert seit Jahren, diesen Lehrkräften über eine berufsbegleitende Qualifizierung einen Weg in eine unbefristete Anstellung als Lehrkraft zu ermöglichen. Ist das nicht ein guter Weg, guten Unterricht zu ermöglichen?

Schopper: Auch diesen Punkt habe ich auf meiner Hausaufgabenliste. Das sind bewährte Lehrkräfte, an denen aktuell kein Weg vorbeiführt. Da schauen wir, wie wir Qualifizierungsmöglichkeiten schaffen und wie wir sie entfristen können.

Michael Hirn (links) und Maria Jeggle (rechts) im Gespräch mit Kultusministerin Theresa Schopper (Mitte)
Michael Hirn (links) und Maria Jeggle (rechts) im Gespräch mit Kultusministerin Theresa Schopper (Mitte)

Die GEW startete vor den Ferien die Aktion „Rote Karte für das Kultusministerium“. Ziel ist, Grundschulen zu stärken, immer wieder daran zu erinnern, dass Grundschulen Nachholbedarf haben und beispielsweise die einzige Schulart ohne verbindliche Förderstunden ist. Auch deshalb steht Baden-Württemberg beim Lehrer-Schüler-Verhältnis auf dem erschütternden 16. Platz der 16 Bundesländer. Sind konkrete Schritte geplant, um die Situation an den Grundschulen zu verbessern?

Schopper: Wie in keinem anderen Bundesland gibt es in Baden-Württemberg viele kleine Grundschulen. Die kleinste Schule hat zwölf Kinder. Wir haben aber auch in Städten sehr kleine Grundschulen ganz nach dem Grundsatz: Kurze Beine, kurze Wege. Ich werbe sehr für Verbundlösungen, weil so größere Einheiten entstehen, die den Austausch und die Vertretungen der Lehrkräfte verbessern.

Haben Sie vor, bestehende Ressourcen neu zu verteilen?

Schopper: Wir haben mit Anreizen versucht, Verbünde zu initiieren. Letztlich ist das auch eine meiner wichtigen Hausaufgaben, gute Lösungen zu finden.

Zusätzliche Ressourcen sind nicht geplant?

Schopper: Wir suchen ja schon händeringend Leute, die an Bord gehen können. Die Ressourcen sind da. Es geht um eine intelligentere Steuerung.

2012 wurden in Baden-Württemberg die ersten Gemeinschaftsschulen gegründet. Seither gibt es eine weitere Schulart in der Sekundarstufe I und die Komplexität ist größer geworden. Haben Sie vor, ordnend in die Schulstruktur einzugreifen?

Schopper: Im Koalitionsvertrag steht, dass wir keine Strukturdebatten führen. Ich bin froh, dass wir die Gemeinschaftsschulen haben. Der erste Abiturjahrgang hat sehr erfreulich abgeschnitten. Man sieht, diese Schulart hat eine Perspektive. Sehr positiv ist auch, dass von dort die Schulabgänger*innen mit Handkuss überall genommen werden.

Für Frau Eisenmann war die Bewertung auf M-Niveau in Klasse 5 und 6 der Realschulen keine Strukturfrage. Sie hat das einfach eingeführt. Die GEW hat das massiv kritisiert. Da könnten Sie auch kraft ihres Amtes als Kultusministerin sagen: „Das ändern wir wieder.“

Schopper: Wir Grünen haben auch bei den Koalitionsverhandlungen darum gerungen, dass man in Klasse 5 anders anfängt. Die CDU wollte das Bestehende beibehalten. Wir wollen daher mit dem wissenschaftlichen Beirat zu besseren Lösungen kommen. Der aktuelle Stand stellt auch die Realschulen nicht zufrieden.

Ein wichtiger Punkt für die GEW ist die unterschiedliche Bezahlung der Lehrkräfte an Haupt- und Werkrealschulen, obwohl sie die identische Arbeit leisten. Haben Sie vor, das zu ändern?

Schopper: Ich weiß, dass das schwierig ist. Ich kann aber aufgrund der Situation im Haushalt keine Versprechungen geben. Strukturell würde das circa 40 Millionen kosten. Das ist aber auch für das Land kein Portokostenbeitrag, wie manche meinen.

Eins der wichtigen Projekte der letzten Landesregierung war die Qualitätsoffensive mit der Gründung der Institute ZSL (Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung) und IBBW (Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg). Der Zwischenstand ist nicht befriedigend. Vor allem das ZSL kann aufgrund fehlender Personen und Strukturen noch nicht so arbeiten, dass es seinem Anspruch gerecht wird. Wir haben uns gewundert, dass das Kultusministerium dem ZSL sehr weitreichende Kompetenzen abgegeben hat. Können Sie noch genügend steuern?

Schopper: Die Gründung des ZSL und des IBBW war ein massiver Umbau in der Kultusverwaltung. Wir werden das evaluieren und gegebenenfalls nachsteuern. Die Grundstruktur des ZSL und die Aufgabenverteilung mit der Schulverwaltung ist für mich ein Teil der Evaluierung. Eine Frage ist, wo wir die Bürokratie unnötig aufgebläht haben. Das muss man nochmal genau unter die Lupe nehmen. Das ZSL muss jenseits des Wasserschadens in den ersten Monaten coronabedingt noch einen zusätzlichen Rucksack schultern. Und dahinter stecken dann noch sehr große Aufgaben für die Legislaturperiode, da brauchen wir noch Zeit. Bei der Lehrerfortbildung, insbesondere im digitalen Bereich hat das ZSL aber in einer schwierigen Situation viel auf die Beine gestellt.

Sie sind seit dieser Woche auf Sommertour. Was versprechen Sie sich davon, Einrichtungen vor Ort zu besuchen?

Schopper: Ich bekomme so einen guten Eindruck, was die Menschen vor Ort bewegt. Es ist mir absolut wichtig, zu sehen, wie wir in der Breite zu Bildungserfolgen kommen. Grundsatz sollte sein: Niemand soll die Schule ohne Abschluss oder Anschluss verlassen.

Das Interview führten Maria Jeggle und Michael Hirn.

Die Kultusministerin nahm sich Ende August für das Interview mit der b&w-Redaktion eine Stunde Zeit. Alle wichtigen Anliegen der GEW im großen Feld der Bildungspolitik konnten nicht thematisiert werden.

b&w wird sie wieder fragen, wenn hoffentlich Corona nicht mehr so vieles überschattet und andere Themen mehr Platz finden.

Kontakt
Maria Jeggle
Redakteurin b&w
Telefon:  0711 21030-36