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Realschule

Impulse für eine Schulart im Umbruch

Seit der Aufnahme des G-Niveaus im Bildungsplan 2016 kann an der Realschule auch der Hauptschulabschluss abgelegt werden. Das brachte neben organisatorischen Veränderungen auch eine verstärkte Heterogenisierung der Schülerschaft mit sich.

Kernkompetenz der Realschule war es schon immer, Lernenden aus allen Bildungsschichten einen Zugang zu einem Abschluss zu ermöglichen, der ihnen alle weiteren (Aus-)Bildungswege eröffnet. „Das wollen wir auf jeden Fall erhalten und die Realschule entsprechend weitereinwickeln“, so Heike Ackermann, Realschullehrerin in Kornwestheim. Ackermann leitet gemeinsam mit Jenny Apfel die Landesfachgruppe Realschule der GEW. Die Schulart leide unter den gleichen Problemen wie alle Schularten: hoher Klassenteiler, nicht genug Raum für individuelles Betreuen und Begleiten der Schüler*innen, enormer Zuwachs an administrativen und sozialpädagogischen Aufgaben sowie Lehrkräftemangel. „Durch die neuen Herausforderungen im Rahmen des Umbaus der Schulart fallen diese aber noch deutlicher ins Gewicht“, betont sie.

In Klasse 5 und 6 (sogenannte Orientierungsstufe) muss mittlerweile ausschließlich auf dem M-Niveau (Mittleres Niveau, vergleichbar Realschulniveau) benotet werden. „So entsteht aber bereits ein massiver Leistungsdruck, der bei vielen Kindern zu Frustration und Verhaltensproblemen führt“, erklärt Ackermann. Gerade hier sei für eine pädagogisch sinnvolle Arbeit eine frühere Möglichkeit zur Niveaudifferenzierung notwendig. Hierbei könne man beispielsweise auf die Ergebnisse der Lernstandserhebung in Klasse 5 zurückgreifen. Schließlich sei es zwingend notwendig, Frustration und Motivationsverlust entgegenzuwirken. „Es müssen dringend bis Ende Klasse 6 unterschiedliche Niveaus zugelassen werden“, stellt die Realschullehrerin aus Kornwestheim klar. Schließlich sei es der Sinn der Orientierungsstufe, dass Schüler*innen ihren Begabungen gemäß lernen dürften. „Ab Klasse 7 wiederum sollten die Schulen ihre bisher erprobten und für gut befundenen Konzepte fortführen können“, fordert sie.

Ein Kommentar von Dominik Steiner

„Quo vadis, Realschule? Das fragen sich alle Beteiligten regelmäßig. Der Umbau der Realschule war und ist ein Schritt in die richtige Richtung, um diese tragende Säule der Schullandschaft langfristig zukunftsfähig zu machen. Nur ist auf diesem Wege noch einiges mehr nötig, als nur einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Die von der Politik immer wieder eingeforderte Qualität muss eben gesichert werden – dies ist eine Planungs- und Ressourcenfrage. Stößt man alte bildungspolitische Strukturen um, ist man auch in der Pflicht, die neuen tragfähig zu gestalten, anderenfalls lastet der Druck auf den Schultern von Lehrkräften und Schulleitungen – und letztlich auf den Schüler*innen, denen es gerecht zu werden gilt.

Anstatt den Umbau der Realschule aber kritisch zu evaluieren, neue Konzepte zu erarbeiten und Ressourcen bereitzustellen, zieht sich die Politik aus der Verantwortung. Anders sind die peinlichen Fehler in gut planbaren Bereichen wie der Einführung und Durchführung der neuen Abschlussprüfungen nicht zu erklären.

Was die ‚Realschule 2.0‘ braucht, ist ein offener Dialog und eine echte Unterstützung durch die Politik – in Wort und Tat!“

Ab Klasse 7 werden alle Lernenden in allen Fächern gemäß ihren Leistungen einer der beiden Niveaustufen zugeordnet. Je nach der Schülerschaft und Größe der Schule gibt es hier schon ganz unterschiedliche Modelle. Wo manche Schulen mit gemischten Klassen arbeiten, gibt es an anderen separate G-Klassen (Grund-Niveau, vergleichbar Hauptschulniveau) im Rahmen der äußeren Differenzierung. „Da dies allerdings sehr ressourcenintensiv ist, haben kleinere Schulen deutlich weniger Handlungsspielraum“, erläutert Apfel. Spätestens in Klasse 8 und 9 entstünden in der direkten Prüfungsvorbereitung (Hauptschulabschluss in Klasse 9, Realschulabschluss in Klasse 10) Probleme, wenn Lernende beider Niveaustufen innerhalb einer Klasse adäquat auf ihre unterschiedlichen Prüfungen vorbereitet werden müssen, beschreibt Apfel die Herausforderungen.

Bei der äußeren Differenzierung in den Haupt- und Prüfungsfächern ab Klasse 7 stehen viele Realschulen zu einem Konzept, die Lerngruppen getrennt auf ihre Abschlüsse vorzubereiten. „Kleinere Lerngruppen ermöglichen ein besseres Lernen, zumal die Anforderungen für den Haupt- und Realschulabschluss unterschiedlich sind. Wir müssen unsere Schüler*innen auch passgenau vorbereiten können“, erläutert Jens-Björn Arndt. „Die Differenzierung an der Realschule darf nicht an den Ressourcen scheitern“, fordert der Realschullehrer aus Karlsruhe. Hört man sich an unterschiedlichen Schulstandorten um, wird von den Realschullehrkräften und Schulleitungen eine Binnendifferenzierung in den Prüfungsfächern als wenig zielführend empfunden, da in der Realschule alle Lernenden ausschließlich und durchgehend auf einem Niveau arbeiten, also entweder im G- oder im M-Niveau.

Welche Rolle die Klassengröße spielt

Das alte Streitthema des Klassenteilers gewinnt durch die immer heterogener werdende Schülerschaft erneut an Dringlichkeit, zuletzt befeuert durch eine Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er verkündigte vor einiger Zeit, dass die Klassengröße nichts mit der Qualität des Unterrichts zu tun habe. „Kleinere heterogene Lerngruppen ermöglichen eine viel bessere Förderung Einzelner, das ist schlichtweg logisch“, stellt Andrea Skillicorn klar, die an einer Realschule in Stuttgart unterrichtet.

Auch das Thema Entlastungen spielt in Realschulen eine wichtige Rolle. Hierzu könnten andere Fachkräfte wie pädagogische Assistent*innen, Schulsozialarbeiter*innen oder auch Verwaltungskräfte herangezogen werden. „Wir brauchen in manchen Bereichen eine professionelle Unterstützung, in anderen reicht eine zeitliche Entlastung. Gerade bei Klassenlehrer*innen ist der zeitliche Mehraufwand massiv gestiegen“, erläutert Apfel. Hinzu kämen noch Konferenzen, Kooperationstreffen und so weiter. Dies wiederum mache angemessene Arbeitsplätze für jede einzelne Lehrkraft an der Schule erforderlich. Auch weitere Qualifizierungen seien ein Thema.

Besonders an den neuen Abschlussprüfungen der Realschule muss inhaltlich und organisatorisch nachgebessert werden. „Es darf einfach nicht passieren, dass Korrekturvorgaben laufend geändert werden – wie zum Beispiel geschehen im Fach Deutsch“, stellt Arndt klar. „Bei der novellierten Abschlussprüfung steht seit 2021 der Arbeits-, Lern- und Organisationsaufwand nicht mehr in Relation zu den Anforderungen eines zeitgemäßen Bildungsabschlusses“, moniert er.

Kontakt
Ute Kratzmeier
Referentin für allgemeinbildende Schulen
Telefon:  0711 21030-25
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