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Fortbildung Nichterfüller*innen

Kleine Schritte gegen Lehrkräftemangel

Seit Jahren arbeiten tausende Menschen an Schulen, die nicht oder nicht voll als Lehrkräfte qualifiziert sind. Bisher gab es für sie keine Fortbildungen. In diesem Schuljahr wurde ein GEW-Vorschlag umgesetzt – und eine Fortbildungsreihe gestartet.

Zwei Männer nehmen an einer Fortbildung teil.
Die neuen Fortbildungen für Lehrkräfte ohne vollständige Lehramtsausbildung sind eine gute Nachricht. (Foto: © imago)

Die Landesregierung hat es versäumt, rechtzeitig genug Studienplätze für die Lehrämter Sonderpädagogik und Grundschule an den Pädagogischen Hochschulen zu schaffen. Jahrelang wurden viele junge Menschen abgelehnt, die sich für einen Studienplatz beworben hatten. Deshalb fehlen seit Jahren an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) und an den Grundschulen tausende qualifizierte Lehrkräfte.

Die freien Stellen werden teilweise mit Menschen besetzt, die keine oder keine vollständige Lehramtsausbildung haben. Die Spannbreite ist weit: Manche haben eine andere Lehramtsausbildungen abgeschlossen, andere stammen aus sehr schulfernen Berufen wie Verkäufer*innen. Alle werden mit befristeten Verträgen als, wie der Tarifvertrag sagt, „Nichterfüller*innen“ eingestellt.

Bisher wurden die Nichterfüller*innen für ihre Arbeit an den Schulen überhaupt nicht qualifiziert. Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten die notwendigen Fortbildungen anbietet, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Das würde auch die aufwändige Einarbeitung der Nichterfüller*innen für die Schulleitung und die anderen Lehrkräfte erleichtern. Und nicht zuletzt sollte das Land durch Fortbildungen ein Mindestmaß an Qualität des Unterrichts sicherstellen.

Lange Entscheidungswege, hastige Umsetzung

Die GEW hat bereits 2018 ein umfangreiches Ideenpaket vorgelegt, in dem kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen gegen den Mangel an Lehrkräften beschrieben wurden. Darin wurde auch ein Konzept für die Qualifizierung von Nichterfüller*innen mit modularen Fortbildungsangeboten beschrieben. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung diese Vorschläge nicht oder viel zu langsam aufgreift.

Über vier Jahre nach dem GEW-Vorschlag hat nun das Zentrum für Schulqualität und Lehrkräftebildung (ZSL) im Auftrag des Kultusministeriums (KM) ein Fortbildungskonzept gestartet. So lange hat die Landesregierung gebraucht, um über den Rahmen und die Finanzierung des Konzepts zu entscheiden. Als die politische Entscheidung gefallen war, mussten die verantwortlichen Kolleg*innen am Kultusministerium, am ZSL und die Fortbildner*innen an den Seminaren das Konzept unter hohem Zeitdruck entwickeln, damit es noch in diesem Schuljahr gestartet werden konnte.

Große Nachfrage

Im Oktober 2022 wurden die Nichterfüller*innen an den SBBZ über das neue Angebot informiert. Innerhalb kurzer Zeit bewarben sich hunderte Kolleg*innen, die beim KM und ZSL inzwischen PoL (Personen ohne Lehramtsausbildung) genannt werden. Rund 250 wurden für den ersten Durchgang zugelassen.

Auch an den Grundschulen und an den Schulen in der Sekundarstufe I (ohne Gymnasien) gibt es inzwischen eine Fortbildungsreihe. Auch sie soll so schnell wie möglich beginnen.

Ziel der beiden Reihen ist eine grundlegende Fortbildung für die Nichterfüller*innen. Sie umfassen rund 38 Zeitstunden, die in ganztägige Fortbildungen in Präsenz, halbtägige Onlineveranstaltungen und Selbstlernphasen gegliedert sind. Die Themen sind in elf Module und drei Blöcke strukturiert. Das ZSL erwartet, dass die Teilnehmer*innen alle Module absolvieren. Am Ende erhalten die Teilnehmer*innen ein Zertifikat. Rechtliche Vorteile (zum Beispiel für einen Anschlussvertrag) haben die Teilnehmer*innen durch die Fortbildung nicht.

Organisation und Durchführung belastet die Seminare

Das ZSL hat die Seminare für die Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte (SAF) mit der Durchführung der Fortbildung beauftragt.

Durch den hohen Zeitdruck und durch die bereits bestehende Arbeitsbelastung der Kolleg*innen an den Seminaren stellen die Organisation und Durchführung der Fortbildungsreihen für die Fortbildner*innen eine immense Herausforderung dar.

Vorschläge der GEW

Bei den Fortbildungen wurden zahlreiche Vorschläge, die GEW-Mitglieder im Hauptpersonalrat (HPR) Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen sowie Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (GHWRGS) gemacht haben, nicht aufgenommen. Sie konnten aufgrund des Zeitdrucks oder des fehlenden politischen Willens nicht mehr geprüft und umgesetzt werden. Dazu gehören:

  • Trennung der Fortbildung in eine erste Grundqualifikation vor Beginn der Tätigkeit an der Schule und weiterführende Angebote während des Schuljahrs:
    Für die Grundqualifikation muss das Arbeitsverhältnis künftig ein bis zwei Wochen vor der Arbeit an den Schulen beginnen. Diese Zeit könnte für die Fortbildung genutzt werden.
  • Eine Differenzierung der Teilnehmer*innen je nach Vorqualifikationen:
    Es sollte berücksichtigt werden, ob die Teilnehmer*innen pädagogische Vorerfahrungen mitbringen oder bereits als Vertretungslehrkraft gearbeitet haben.
  • Die Fortbildungsreihe sollte Teil einer modularen berufsbegleitenden Qualifizierungsreihe sein. Sie sollte den Teilnehmer*innen eine Perspektive bieten, nach Abschluss der Qualifizierung und einer Bewährung in eine unbefristete Beschäftigung als Lehrkraft wechseln zu können.
  • Die Qualifizierung ist sehr zeitaufwändig und sollte um Hospitationsmodule und kollegiale Beratung erweitert werden. Dafür sind Anrechnungsstunden für die Teilnehmer*innen und eine Begleitung durch Mentor*innen sowie die Schulleitungen an den jeweiligen Schulen notwendig.
  • Die Seminare müssen für diese Aufgaben personell verstärkt werden. Es rächt sich, dass bei der Gründung von ZSL und IBBW (Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg) Leitungs- und Verwaltungsstellen an den Seminaren gestrichen wurden. Diese Stellen müssen an den Seminaren nun neu geschaffen werden, damit sie ihre zunehmenden Aufgaben erfüllen können.

Der HPR GHWRGS wird diese Vorschläge in die Diskussion über eine Weiterentwicklung der Fortbildungsreihen einbringen. Für einen verantwortungsvollen Arbeitgeber und im Interesse der Schüler*innen sollte es selbstverständlich sein, dass die Fortbildungen noch verbessert werden.

Kontakt
Michael Hirn
Stellvertretender Landesvorsitzender und verantwortlicher Redakteur der b&w