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Koalitionsvertrag zur Beruflichen Bildung

Die Aussagen im Koalitionsvertrag zur Berufliche Bildung sind vor allem geprägt von Kontinuität. Das begrüßt die GEW. Problematisch ist jedoch, dass keinerlei Aussagen zu Ressourcen gemacht werden.

Am 2. Mai legten die grün-schwarzen Koalitionsunterhändler ihren neuen Koalitionsvertrag vor. Insgesamt 140 Seiten umfasst das Werk – die schiere Länge kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass doch vieles im Unverbindlichen bleibt.

Schuldenbremse in die Landesverfassung

Die zentrale Aussage des Koalitionsvertrages findet sich bereits im Vorwort und im ersten Kapitel. Dort bekennt sich die neue Koalition unmissverständlich zur Einhaltung der Schuldenbremse als zentralem politischem Ziel:

„Wir werden die Vorrangigkeit dieser Zukunftsaufgaben am grundgesetzlich vorgeschriebenen Schuldenverbot ab dem Haushaltsjahr 2020 messen und entsprechende Prioritäten bilden. [...] Für alle finanzwirksamen Maßnahmen gilt ein Haushaltsvorbehalt. Die Koalition verpflichtet sich, strukturelle Einsparungen in Höhe von rund 1,8 Milliarden Euro in der Endstufe bis 2020 zu realisieren. Diese werden im Zuge der Haushaltsaufstellungen sowie der damit einhergehenden Mittelfristigen Finanzplanungen quantifiziert und mit verbindlich einzuhaltenden Maßnahmen unterlegt. Wir wollen die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern.“

Grün-schwarz macht damit deutlich, dass sie dort weitermachen will, wo grün-rot 2014/15 - nach langen Protesten v.a. auch der GEW – aufgehört hat: Die Einhaltung der Schuldenbremse und die damit verbundene Kürzungspolitik wird zum dominierenden politischen Ziel der neuen Regierung erklärt. Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert werden soll. Dieses Vorhaben ist verfassungsrechtlich völlig überflüssig, da diese bereits im Grundgesetz steht. Offenkundig will grün-schwarz damit aber ein deutliches politisches Signal setzen.

Die GEW kann die neuen Koalitionäre nur nachdrücklich davor warnen, einen solchen Weg zu beschreiten.

Bemerkenswert ist, dass an keiner Stelle des Koalitionsvertrages wirklich sichtbar wird, wo die 1,8 Mrd. € gekürzt werden sollen, dies soll vielmehr im jeweiligen Haushaltsjahr beschlossen werden. Darüber hinaus bedeutet dies auch, dass alle weiteren Aussagen im Koalitionsvertrag unter Haushaltsvorbehalt stehen, d.h. es sind unverbindliche Absichtserklärungen. Die Frage, ob und in welchen Zeiträumen diese überhaupt realisiert werden, ist völlig offen.

Berufliche Schulen – Kontinuität steht im Vordergrund

Die Aussagen zur Berufliche Bildung sind zunächst v.a. geprägt von Kontinuität. So sollen die Empfehlungen der Enquete Kommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“ weiterhin umgesetzt werden. Die Koalition bekennt sich dazu, die Unterrichtsversorgung an den Beruflichen Schulen weiter zu verbessern, die Modellregionen zur Neugestaltung des Übergangsbereiches auszuweiten, an den Vollzeitschularten verstärkt Ganztagesangebote anzubieten, die bestehenden Lernfabriken 4.0 und das Tabletprojekt zu verstetigen.

Diese Aussagen sind an sich wenig überraschend, sie bedeuten im Wesentlichen, dass die Projekte, die in den vergangenen fünf Jahren begonnen wurden, fortgeführt werden sollen. Sie sind aber trotzdem wichtig, weil sie Kontinuität an den Berufliche Schulen ermöglichen. Problematisch ist jedoch, dass im Koalitionsvertrag keinerlei Aussagen zu Ressourcen gemacht werden. So erhalten z.B. die Beruflichen Schulen jährlich 5 Mill. € für die Umsetzung der Enquete-Empfehlungen, ohne diese Mittel ist das Bekenntnis zur Enquete wenig wert. Im Rahmen der Reform der Übergangssystems kofinanziert das Wirtschaftsministerium eine sozialpädagogische Fachkraft (AV-Begleiter/in), welche die Schulen bei der Betreuung dieser Schüler/innen unterstützt. Auch hier gibt es keine Aussage zur Weiterfinanzierung. Und schließlich bleiben auch die Aussagen zum weiteren Abbau des strukturellen Unterrichtsdefizites mehr als vage.

Auch das Bekenntnis zu einem betriebs- und wohnortnahen Berufsschulangebot, ist keineswegs neu. Die bestehende Rechtsverordnung zur regionalen Schulentwicklung an Beruflichen Schulen hat immer schon Ausnahmen bei der Schließung von Kleinklassen zugelassen, wenn es z.B. um die Erreichbarkeit der Berufsschule oder um den Erhalt von Ausbildungsplätzen geht. Inwieweit von den Ausnahmen Gebrauch gemacht werden wird, wird letztlich von der Haushaltslage abhängen.

 Modellversuch zweiter Berufsschultag

Unter der Überschrift „Duale Ausbildung attraktiver machen“ kündigt schwarz grün einen Schulversuch an mit dem Ziel, leistungsstärkeren Jugendlichen den ausbildungsbegleitenden Erwerb der Fachhochschulreife oder der mittleren Reife über den zweiten Berufsschultag zu ermöglichen. Die GEW fordert bereits seit Jahren einen solchen vollständigen Berufsschultag. Die Verwirklichung eines solchen Schulversuches wäre deshalb aus Sicht der GEW ein wirklicher Fortschritt. Dies gilt auch für die Aussagen, neue dualisierte Berufskollegs schaffen zu wollen.

Kompetenzzentren für Weiterbildung und operative Eigenständigkeit der Beruflichen Schulen

Problematisch ist aus Sicht der GEW jedoch die Aussage, man wolle ein starkes Netzwerk beruflicher Kompetenzzentren für berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung an den Berufsschulen entwickeln. Hier fehlen klare konzeptionelle Aussagen. Berufliche Schulen sind seit langem im Bereich der beruflichen Weiterbildung tätig. Das KM hat zuletzt mit der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV-Zertifizierung) die Möglichkeit geschaffen, Umschüler/innen an den Beruflichen Schulen auszubilden. Die GEW hält dies grundsätzlich für sinnvoll, sie lehnt allerdings die immer wieder geforderte Teilrechtsfähigkeit von Beruflichen Schulen mit dem Ziel, auf dem durch Konkurrenz geprägten Weiterbildungsmarkt als Anbieter tätig zu werden, ab.

Auch das Bekenntnis, „die operative Eigenständigkeit der beruflichen Schulen in Ressourcenverantwortung, Personalauswahl, Fortbildung und Qualitätsmanagement“ weiter ausbauen zu wollen, hinterlässt eher Fragezeichen. An den Beruflichen Schulen gibt es seit Jahrzehnten ein strukturelles Unterrichtsdefizit und in vielen Fächern einen Mangel an Bewerber/innen. Die weitere Verlagerung von Ressourcenverantwortung auf die Schule wird daran nichts ändern, es verlagert lediglich die Verantwortlichkeiten auf die Einzelschulen. Und in Sachen Qualitätsmanagement gilt nach wir vor: Ohne zusätzliche Ressourcen wird auch das beste Qualitätsmanagement wenig bewirken. Wenn die neue Landesregierung die Qualität von Unterricht Schule verbessern möchte, dann muss sie zunächst ihre eigenen Hausaufgaben machen, den Schulen ausreichend Mittel zur Verfügung stellen und die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessern.

Fazit: Viel Lyrik – und einige konkrete Ansätze

Nimmt man den Aussagen im Koalitionsvertrag zur Beruflichen Bildung für sich, dann bietet er durchaus eine Grundlage für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen und für sinnvolle neue Akzente und Entwicklungen. Wohin die Reise aber wirklich gehen wird, wird wohl erst mit den nächsten Haushaltsberatungen deutlich werden.

Kontakt
Magdalena Wille
Referentin für Berufliche Bildung und Weiterbildung
Telefon:  0711 21030-21
Mobil:  0160 90565239