Gutachten der SWK
Kommt Bewegung in die Lehrkräftebildung?
Die Sorge um den Lehrkräftemangel, der Einsatz von nicht voll ausgebildeten Personen als Lehrkräfte und der Zweifel an der Attraktivität des Berufs sind einige Ursachen dafür, dass sich die SWK mit der Lehrkräftebildung intensiv beschäftigt hat.
Das Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ gibt wichtige und diskussionswürdige Anregungen für die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung im Studium, dem Referendariat und der Fort- und Weiterbildung.
Fehlende Daten
Im ersten Kapitel geht es um fehlende Daten für die erste und zweite Phase der Lehrkräftebildung. Die Zahlen der Studienanfänger*innen sind unklar, und die Zahl der Abbrecher*innen und Studiengangwechsler*innen während des Studiums fehlen auch. Es gibt keine verlässlichen Daten dazu, wie viele Lehramtsstudierende nach erfolgreichem Studienabschluss das Referendariat beginnen und wie viele es erfolgreich beenden. Insbesondere fehlen Zahlen auf Bundesebene.
Die SWK empfiehlt, dass systematisch und bundesweit vergleichbare Daten erhoben werden. Dann könnten verlässlichere Prognosen erstellt werden. Vor allem sollen der Vorbereitungsdienst und der Übergang ins Berufsleben stärker in den Blick genommen werden.
Außerdem geht es um die Transparenz von Prognosen. Wie weit werden bildungspolitische Reformmaßnahmen einbezogen? Welche Werte werden zu Grunde gelegt? Wie viele Lehrkräfte verlassen vorzeitig den Schuldienst? Bei der Prognose des Lehrkräftebedarfs auf Grundlage statistischer Daten zur Bevölkerungsentwicklung soll künftig insbesondere der Bedarf in Mangelfächern in den Blick genommen werden.
Alle diese Empfehlungen sind zu begrüßen. Allerdings muss beachtet werden, dass Zahlen Entwicklungen gut beschreiben, aber noch lange nicht erklären können.
Studium
Im zweiten Kapitel des Gutachtens geht es um die Gewinnung von Studierenden für das Lehramt und die „phasenweise Optimierung“ der Ausbildung. Die SWK regt eine bundesweite Werbekampagne für den Lehrkräfteberuf an. Hierbei sollen Bevölkerungsgruppen, die bisher bei Lehrkräften unterrepräsentiert sind, angesprochen werden, zum Beispiel Personen mit Migrationshintergrund. Zulassungsbeschränkungen für Lehramtsstudiengänge sollen aufgehoben werden.
Auch die Lehramtsstudiengänge müssten mehr in den Focus gelangen. Dies gilt vor allem für die Überschneidungsfreiheit der Studienfächer. In den Studienveranstaltungen sollen Inhalte aus dem späteren Beruf stärker berücksichtigt werden.
Die SWK hält es auch für notwendig, ein Teilzeitstudium auszubauen, damit es besser mit familiären Verpflichtungen vereinbar wird. Tätigkeiten als Praxislehrkraft während des Studiums könnten auf Praxisphasen angerechnet werden, wenn sie sie von Mentor*innen an der Schule und der Hochschule begleitet werden.
Ein wichtiger Punkt ist sicher der Ausbau und die Stärkung der Zentren für Lehrkräftebildung bzw. der Schools of Education an den Universitäten. Dazu gehören auch eine eigenständige Mittelverteilung, Forschungsstellen für Fragen der Pädagogik und eine professorale Leitung.
Schließlich fordert die SWK eine bessere phasenübergreifende Kooperation zwischen der ersten und zweiten Phase.
Auf Baden-Württemberg bezogen lässt sich sagen, dass Werbung für den Lehrberuf wichtig ist, sie muss aber auch ehrlich und motivierend sein. Das ist in letzter Zeit nicht immer gelungen.
Wie weit Studierende jenseits der Praxisphasen an den Schulen unterrichten sollten, ist zu hinterfragen. Ohne didaktisch-methodische Begleitung können sich auch Fehlentwicklungen einschleifen, die später nur schwer zu tilgen sind. Im Gutachten findet die besondere Situation des Lehramtsstudiums in Baden-Württemberg mit den Pädagogischen Hochschulen keinen Niederschlag.
Die SWK fordert auch „eine wissenschaftsbasierte Qualifizierung von Lehrkräften für den Aufbau professioneller Kompetenzen“. Die Realität an den Schulen sieht bisher anders aus: Aufgrund des Lehrkräftemangels arbeiten immer mehr Personen in Schulen, die diesem Anspruch nicht genügen können. Ihre Fortbildung beziehungsweise ihre berufsbegleitende Weiterbildung ist unerlässlich. Hierzu muss die Politik genügend Mittel und Strukturen zur Verfügung stellen. Ohne diese Maßnahmen ist die berufliche Zukunft dieser Kolleg*innen und die Qualität des Unterrichts gefährdet.
Aus den umfangreichen Empfehlungen für die grundständige Lehrkräftebildung könnten in Baden-Württemberg folgende Vorschläge zu deutlichen Veränderungen führen:
- In Studium und Vorbereitungsdienst Grundlagenwissen unter anderem zu den Themen Inklusion, Heterogenität und Digitalisierung
- Unterrichtsverpflichtung im Vorbereitungsdienst: sechs Stunden
- Dauer des Vorbereitungsdienstes: ein Jahr
- Unterrichtsverpflichtung in der Berufseingangsphase in den ersten sechs Monaten um sechs bis acht Stunden reduzieren
Beim Quer- und Seiteneinstieg stört sich die SWK an den vielfältigen Programmen der Bundesländer. Sie fordert, dass die Länder diese Programme einstellen. Stattdessen soll der Quer- und Seiteneinstieg über ein bundesweit einheitliches Masterstudium geregelt werden. Diese Modelle sollen zwei Personengruppen ansprechen: Studierende, die ins Lehramt wechseln wollen, und Berufstätige mit akademischem Abschluss, die den Lehrkräfteberuf für sich entdecken wollen.
Einige dieser Vorschläge werden in der bildungswissenschaftlichen Öffentlichkeit kritisch gesehen. So äußern Mitglieder der Studienseminare Kritik an der Kürzung des Referendariats auf ein Jahr. Die Ausbildung von Quer- und Seiteneinsteiger*innen auf ein Masterstudium zu fokussieren, reicht nicht aus. Die GEW fordert für diese Personen eine substantielle berufsbegleitende Weiterbildung, die sie für das gewünschte Lehramt voll qualifiziert.
Fort- und Weiterbildung
Die SWK plädiert für eine forschungsbasierte Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Dazu werden zahlreiche Einzelmaßnahmen genannt: Auf allen Ebenen soll es bei allen Personen, die in der Fortbildung tätig sind, einheitliche Qualitätsstandards geben. Landesinstitute und Universitäten müssten ihre Zusammenarbeit intensivieren. Lehrkräfte sollen jährlich verpflichtend 30 Stunden an Fortbildungen teilnehmen. Auch die Einführung von Bachelor-Studiengängen für Assistenz-Lehrkräfte wird angeregt.
Dass die Hochschulen systematisch in die Fortbildung von Lehrkräften einbezogen werden, ist eine langjährige Forderung der GEW in Baden-Württemberg. Wichtiger als eine verpflichtende Stundenzahl an Fortbildungen ist ein qualitativ hochwertiges Angebot. Außerdem nehmen derzeit viele Lehrkräfte nicht an Fortbildungen teil, weil die Unterrichtsversorgung an den Schulen zu schlecht ist.
Gesamteinschätzung
Insgesamt ist das SWK-Gutachten sehr stark auf die Hochschulen fokussiert, problematisiert aber wenig Schwachpunkte der universitären Ausbildung. Bedauerlich ist auch, dass Expert*innen der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung zu wenig einbezogen wurden.
Wichtige Fragen werden nicht einmal ansatzweise behandelt. Dazu gehören beispielsweise die Ausbildung nach Schulstufen statt nach Schulformen, ein einphasiges duales Studium oder die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse.
Ein Verdienst des SWK-Gutachtens ist, dass die Lehrkräftebildung auf die politische Agenda kommt. Die KMK beschäftigt sich in der Märzsitzung mit dem Gutachten. Es bleibt abzuwarten, was von den wissenschaftlichen Empfehlungen im politischen Alltag ankommt.
Immerhin: Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olchowski sagte im Februar, dass sie die Einführung des Einfach-Lehramts für das Fach Mathematik anstrebe. Das ist nicht viel, aber immerhin bewegt sich etwas.