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GEW-Umfrage zum Grundschultest

Kompass 4 ist gescheitert

Die GEW hält nach einer landesweiten Umfrage an den Grundschulen den neuen Kompetenztest in Klasse 4 für gescheitert. Der Test führe zu Demotivation und Versagensängsten bei Kindern, mahnt eine Lehrkraft in ihrer Antwort an die GEW.

Taschenrechner in der Grundschule
Foto: Marco Stritzinger

Die Bildungsgewerkschaft GEW hält nach einer landesweiten Umfrage an den Grundschulen den Test Kompass 4 für gescheitert und erwartet von der Kultusministerin den sofortigen Stopp des Verfahrens.

„80 Prozent der befragten Lehrkräfte sehen bei den Ergebnissen größere Abweichungen zur eigenen Einschätzung der Schüler*innen, ein Großteil der Schüler*innen konnte die Mathematik-Aufgaben in der vorgegebenen Zeit nicht beantworten und zwei Drittel der Lehrer*innen bezeichnet das neue Verfahren als überflüssig und wenig sinnvoll. Frau Schopper, hören Sie auf Tausende pädagogische Profis in Ihren Grundschulen, vertrauen Sie in deren Beratungskompetenz und stoppen Sie dieses übereilt eingeführte Verfahren. Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt“, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg, in Stuttgart.

Die GEW hatte landesweit an ihre Mitglieder an Grundschulen in Baden-Württemberg 22 Fragen zum Kompass-Test (PDF) geschickt, die innerhalb einer Woche beantwortet wurden. An den 2.323 öffentlichen Grundschulen werden etwa 100.000 Schüler*innen in den etwa 5.000 vierten Klassen unterrichtet. 1.131 Lehrer*innen haben an der Umfrage teilgenommen.

Mit der Einführung des G9 änderte das Kultusministerium das Verfahren. Eltern können ihr Kind dann am Gymnasium anmelden, wenn entweder die pädagogische Gesamtwürdigung der Klassenkonferenz (bisherige Grundschulempfehlung) dies ermöglicht oder die Kinder bei der Kompetenzmessung (Kompass 4) das entsprechende Ergebnis erzielen. Das Vorgehen wurde eingeführt, noch bevor die entsprechenden Änderungen im Schulgesetz vom Landtag beschlossen wurden. Die GEW erwägt auch eine juristische Prüfung, ob das Verfahren zur Einführung von Kompass 4 überhaupt gegeben war.

Die Lehrkräfte kritisieren in der Umfrage auch, dass Eltern nicht rechtzeitig über Kompass 4 informiert werden konnten (44 Prozent) und die Unterlagen zu spät zur Verfügung standen (68 Prozent). Auch viele Eltern berichten vom hohen Zeitdruck bei den Tests, die im November stattfanden. Das bestätigt die Umfrage: Nur 45 Prozent geben an, dass in ihren Klassen die meisten Viertklässler*innen in der vorgegebenen Zeit fertig wurden. In Mathematik wird die Aufgabenstellung nur von zehn Prozent als zeitlich angemessen und von nur sieben Prozent als inhaltlich angemessen bezeichnet. Nur drei Prozent der pädagogischen Profis in den Grundschulen finden den Test sinnvoll. Im Vergleich der Instrumente zur Kompetenzmessung schneiden „Lernstand 2“ und „Starke Basis“ deutlich besser ab.

Handarbeit: Schulen müssen einzelne Ergebnisse online eintragen

Kritisiert wird auch das Bewertungsschema des Tests. Die Tests seien auch zu lang gewesen, Klassenarbeiten in der 4. Klasse haben meist deutlich weniger als zehn Seiten Umfang. Zur grundsätzlichen Frage, ob ein verpflichtender Test sinnvoll ist, gehen die Meinungen auseinander. Gut 40 Prozent sehen dies als hilfreich an, knapp 60 Prozent bewerten es negativ.

Die Schulleitungen und Sekretariate monieren den hohen Verwaltungsaufwand. Die Aufgaben mussten an drei verschiedenen Tagen online heruntergeladen und ausgedruckt werden. Nach dem Test müssen die Ergebnisse der einzelnen Schüler*innen von Hand aus einer Excel-Tabelle in das Verwaltungsprogramm des Kultusministeriums übertragen werden.

„Der Zeitdruck führte zu Verunsicherung und Stress.“

„Die Kinder waren sehr schnell fertig, aber nur, weil sie die Aufgaben nicht verstanden haben.“

„Kinder haben sich beeilt, um fertig zu werden, und dabei viele Fehler gemacht.“

„Einige Kinder haben geweint und sind jetzt verunsichert.“

„Der Test führt zu Demotivation und Versagensängsten bei Kindern, Eltern und Lehrkräften.“

„Was soll ein Test am Anfang der 4. Klasse mehr aussagen als drei Jahre und ein paar Monate Grundschule?“

„Die Aufgaben waren deutlich zu schwer, gerade in Mathe.“

„Einige ‚Gymnasialkinder‘ erreichten nur Stufe G in Mathematik. Das spiegelt überhaupt nicht die echten Leistungen wider.“

„Die Ergebnisse stimmen besonders in Mathematik in keinster Weise mit den Leistungen der Kinder im Unterricht überein.“

„Die Bewertung muss fair sein, es geht überhaupt nicht, wenn Kinder einen Rechenfehler machen, aber der Rechenweg stimmt und es gibt null Punkte.“

„Ein Kind von 19 wurde in meiner Klasse fertig.“

„Einige wurden fertig, weil sie die Uhr im Blick hatten und durch die Aufgaben gehechelt sind.“

„Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, konnten die Fragestellungen in Mathe auch mit Wörterbuch nicht verstehen.“

„Es ist keine Sprachsensibilität für Schülerinnen mit nicht Deutsch als Muttersprache gegeben.“

„Kompass 4 nicht weiter fortführen. Es macht viel zusätzliche Arbeit, großen Druck und Stress für die Kinder und ihre Familien.“

„Kompass und VERA 3 streichen und stattdessen einen Lernstand vor den Herbstferien in Klasse 2 bis 4.“

„Aufgabenstellungen, die den Kindern aus den Mathe-Lehrwerken etwas geläufiger sind, wären schön.“

Die GEW ist mit 50.000 Mitgliedern die größte bildungspolitische Interessenvertretung in Baden-Württemberg und hat gut 12.000 Mitglieder an Grundschulen.

Kontakt
Matthias Schneider
Landesgeschäftsführer, Pressesprecher
Telefon:  0711 21030-14
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