Was tun, wenn sich ein Schulleiter hilfesuchend an seine Schulrätin wendet, weil zwei seiner Lehrkräfte seit längerer Zeit einen Konflikt haben? Wie kann sie die Klärung des Konfliktes unterstützen? Wer kann noch helfen? Darf der Schulleiter eine Konfliktklärung anordnen? Was passiert, wenn einer der Beteiligten sich verweigert?
Viele solcher Fragen tauchen auf, wenn Anfragen zu Konflikten bei der Schulaufsicht landen. Ziel der Fortbildungstagung in Stuttgart war, Schulrät/innen und Schulpsycholog/innen, die in den Staatlichen Schulämtern häufig unter einem Dach und doch mit ganz unterschiedlichen Aufträgen für die Schulen in ihrer Region tätig sind, eine Orientierung für ein gemeinsames Vorgehen zu geben. Im Mittelpunkt stand die Frage, wer bei der Bearbeitung von Konflikten an Schulen welche Rolle übernehmen kann und muss. Als methodische Basis der Fortbildung diente die Klärungshilfe, eine effektive, eigenständige Methode der Mediation, also der Vermittlung bei Konflikten im beruflichen und privaten Bereich.
Christian Prior, der seit über 20 Jahren als Klärungshelfer und Systemberater in Unternehmen, Ministerien und Kliniken tätig ist, gab einen Einblick in die Grundlagen der Klärungshilfe und ordnete die Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten in die Hierarchie der Schulverwaltung ein. Eine seiner wichtigsten Botschaften lautete: „Konflikte sind Chefsache“. Abgesehen davon, dass in einem Konfliktfall direkte Vorgesetzte aufgrund ihrer Fürsorgepflicht verpflichtet seien, aktiv zu werden, sei es auch ethisch und systemisch betrachtet klug, Konfliktfälle nicht zu delegieren, empfahl Prior. Führungskräfte würdigten dadurch den Ernst der Lage und signalisierten Wertschätzung. Da sie ohnehin für die Lösungen die Verantwortung tragen müssten, sei es sinnvoll, Lösungsideen von Beginn an zu begleiten. Auch könnten auf diese Weise Anteile der Führungskraft am Konfliktgeschehen besser aufgearbeitet werden. Nicht zuletzt diene eine Führungskraft, die sich für die Klärung von Konflikten einsetze, als positives Modell für die nachfolgenden Hierarchieebenen und sei damit die Schlüsselfigur für die Entwicklung einer positiven Konfliktkultur in der Schule.
Und wer sollte bei einem Konfliktklärungsgespräch dabei sein? Neben dem direkten Vorgesetzten sollten alle Personen dazukommen, die direkt am Konflikt beteiligt oder auch indirekt betroffen sind (z. B. Teamkolleg/innen). Es kann auch hilfreich sein, als neutralen Unterstützer den Personalrat einzubeziehen. Wenn direkte Vorgesetzte involviert sind, sollte der nächsthöhere Vorgesetzte einbezogen werden. Und dann natürlich Schulpsycholog/innen oder Schulrät/innen als Klärungshelfer/innen und neutrale Moderator/innen. Zur Frage der Freiwilligkeit positioniert sich die Klärungshilfe eindeutig: Auch, wenn im Idealfall alle Beteiligten aus freien Stücken zum Klärungsgespräch kommen, können zumindest die Mitarbeiter/innen zu einer Teilnahme in der Arbeitszeit verpflichtet werden. Sie werden als stumme Beobachter eingeladen, am besten noch verdeutlicht durch einen zurückgesetzten Stuhl. In aller Regel, referierte Prior, überwiege im Gespräch schnell das Bedürfnis, die eigene Sichtweise einzubringen und das anfängliche Schweigen werde aufgehoben.
Das Klärungsgespräch selbst folgt einer festen Dramaturgie (siehe Abbildung 1 (JPG)): In der Anfangsphase (1) begrüßt zunächst die Leitungsperson und fasst die Gründe für den Termin zusammen. Dann übergibt sie das Zepter an die Moderation, die die Methode der Klärungshilfe vorstellt. Es folgt eine Phase der Selbstklärung und Sammlung (2), in der alle Anwesenden ihre subjektive Sicht schildern können.
Die Moderation versucht, die entscheidenden Themen zu identifizieren und visualisieren. Erst dann schließt sich die Phase der Diskussion (3) an – „Dialog der Wahrheiten“ genannt. Hier tauschen sich die Anwesenden mit ihren subjektiven Wahrheiten, ihren persönlichen Verletzungen und Gefühlen aus. Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, warum es meist sinnvoll ist, das Klärungsgespräch von einer externen Person moderieren zu lassen. Moderiert die Führungskraft, so muss sie zwei Rollen unter einen Hut bekommen: Als Vorgesetzte muss und will sie inhaltlich und emotional Stellung zum Konflikt beziehen. Als Moderatorin muss sie hingegen allparteilich bleiben. Das kann vor allem dann herausfordernd sein, wenn es – was in Konflikten eher der Normalfall ist – emotional hoch hergeht. Emotionale Zustände, die im professionellen Setting ohne Klärungshilfe eher sozial unerwünscht sind – Empfindlichkeit, Trotz, Aggression, Angst etc. – bekommen mit dieser Methode Raum und erfahren Akzeptanz. Als Souveränität zweiter Ordnung werden sie bezeichnet und es wird anerkannt, dass gerade in Konfliktsituationen die Betroffenen nicht immer zielorientiert und selbstsicher über den Dingen stehen, sondern auch handfeste Schwächen und Fehler zeigen. Der Klärungshelfer führt die Beteiligten durch diesen, manchmal stürmischen Prozess. Vor allem die Methode des Doppelns verlangsamt und strukturiert den Dialog, verhindert Eskalationen und ermöglicht, dass jeder die Kernpunkte des anderen versteht. Ziel ist es, dass jede Konfliktpartei ihren Anteil an der Gesamtentwicklung des Konflikts erkennen kann, dass Feindbilder und verhärtete Gefühle aufgeweicht werden und eine Offenheit für konstruktive Lösungen entsteht (Abbildung 2 (JPG)).
In der Erklärungs- und Lösungsphase (4) bietet die Moderation aus ihrer neutralen Außenperspektive eine Erklärung für den Konflikt an, die ohne Schuldzuweisung die Ursachen und Mechanismen beschreibt. Wenn alle Anwesenden dieser Erklärung zustimmen können, wird gemeinsam nach tragfähigen Lösungen gesucht. In der Abschlussphase (5) wird besprochen, wie es weitergeht. Es bleibt Raum für Manöverkritik und die Moderation gibt das Zepter an die Führungskraft zurück.
Inwieweit können die Beamtenstrukturen, die nur wenig Sanktionsmöglichkeiten bieten, dazu führen, dass die Bereitschaft zur Konfliktklärung geringer ausfällt als in anderen, weniger gesicherten Berufen? Nach Priors Erfahrung sind Haltung und Charakterstärke bei Vorgesetzten in Beamtenstrukturen besonders bedeutsam. Eine Führungskraft könne einfordern, dass ihre Werte mitgetragen werden. Daneben sei es für das Arbeitsklima besser, Gräben zu erkennen und nicht einfach zu ignorieren. Allein diese Klarheit schaffe neuen Handlungsspielraum.
Nach dieser Einführung setzten sich Schulrät/innen und Schulpsycholog/innen in regionalen Gruppen zusammen und versuchten, das Gehörte anhand eigener Erfahrungen einzuordnen. An oft komplexen Fallbeispielen aus ihrer täglichen Praxis diskutierten sie, wie ein abgestimmtes Vorgehen aussehen könnte. Als hilfreich erwies sich meist schon das gemeinsame Strukturieren: Wer sind die Beteiligten? Wo liegen die Verantwortlichkeiten? Wie können die Aufgaben sinnvoll aufgeteilt werden? Zum Abschluss wurden im Plenum die Chancen diskutiert, die sich durch eine klare Rollenzuordnung mit einer externen Moderation in schulischen Konflikten eröffnen.
Die Veranstaltung war der Auftakt zu einer verstärkten Zusammenarbeit von Schulpsycholog/innen und Schulrät/innen bei dem wichtigen Thema Konflikte an Schulen. Als Anregung gab Christian Prior den Teilnehmenden mit auf den Weg, Teamgespräche nach der Methode der Klärungshilfe schon präventiv einzusetzen. Eine institutionalisierte Metakommunikation in Kollegien, moderiert von der Führungskraft, beuge Konflikten vor und fördere die Motivation.