Es ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang: Die Landesregierung beauftragte den Landesrechnungshof mit einer „gutachtlichen Äußerung“ zur Ressourcensteuerung im Geschäftsbereichs des Kultusministeriums und zu Einsparmöglichkeiten im Lehrkräftebereich. Seit 30 Jahren ist das der erste Auftrag einer Landesregierung an den Rechnungshof. Qualitätsansprüche und Arbeitsbedingungen kommen dabei unter die Räder.
Beim Gutachten des Rechnungshofs waren die beruflichen Schulen, die Struktur und Organisation der Schulverwaltung, die Lehrereinstellung und die Lehreraus- und Lehrerfortbildung ausgenommen.
Der Rechnungshof kritisiert in seinem Gutachten fehlende Transparenz und Fehler in der Ressourcendarstellung des Kultusministeriums mehrfach. Neben der Analyse spricht der Rechnungshof zahlreiche Empfehlungen aus, mit denen sich das Kultusministerium jetzt auseinandersetzen wird.
Die „Sonderverwendungen“ von Lehrerstellen sollen reduziert werden. Für den Rechnungshof sind Lehrkräfte aus allen Schularten einschließlich der beruflichen Schulen im Umfang von landesweit 10.000 Stellen nicht im Unterricht eingesetzt. Dazu gehören unter anderem das allgemeine Entlastungskontingent, Altersermäßigungen, Freistellungen für Personalratsarbeit, Schwerbehindertenvertretung und Beauftragte für Chancengleichheit, die Ermäßigungen für die Schwerbehinderten selbst, die Stunden für Fachberater/innen und Beratungslehrkräfte, Stunden für die Betreuung von Unterrichtscomputern und die Kooperation Grundschule/Kindergarten, die Abordnungen in die Schulverwaltung, an das Landesinstitut für Schulentwicklung und an die Seminare für Lehrerausbildung. Allein die Anrechnungen für Schulleitungen machen ein Drittel der 10.000 Stellen aus.
Empfehlungen des Gutachtens
- Der Rechnungshof moniert, dass viele nichtunterrichtliche Tätigkeiten von Lehrkräften während der Unterrichtszeit stattfinden und dass deshalb Unterricht ausfällt. Diese Tätigkeiten sollen in die unterrichtsfreie Zeit der Lehrkräfte einschließlich der Ferien verlagert werden.
- Mit Verweis auf seine Denkschrift im Jahr 2002 zur Erfüllung der Deputatsstunden durch Lehrkräfte an Gymnasien empfiehlt der Rechnungshof, die Lehrerarbeitszeit nicht mehr nach Wochendeputaten, sondern über ein schuljahrübergreifendes Jahresdeputat zu berechnen. Dies ermögliche, „dass zunächst ausgefallener Unterricht innerhalb des Schuljahres nachgeholt werden kann“.
- In Bezug auf den Organisationserlass spricht der Rechnungshof zwei Empfehlungen aus. Das alternative Zuweisungsmodell auf der Basis eines Schülerkoeffizienten im Schulamtsbezirk Tübingen (normalerweise wird der Bedarf einer Schule nach der Anzahl der Klassen berechnet) soll modifiziert fortgeführt werden. Modifiziert, weil sonst das neue Modell laut Rechnungshof bei einer landesweiten Umsetzung zu einem Mehrbedarf von mindestens 900 Stellen führen würde. Für die Ausstattung kleinerer Standorte reicht die Zuweisung nach Koeffizient nämlich nicht aus. Grundsätzlich soll sich die Zuweisung von Lehrkräften am möglichst sparsamen Umgang mit Lehrkräfteressourcen orientieren. Die Zuweisung von Lehrkräften zur Abdeckung des Pflichtbereichs hält der Rechnungshof für sachgerecht.
- Auffällig waren für den Rechnungshof die erheblichen Unterschiede der regionalen und schulartspezifischen Verteilung der Lehrkräfteressourcen. In allen Regierungspräsidien ist der Versorgungsgrad der Grund-, Haupt- und Werkrealschulen sowie der Realschulen deutlich schlechter als an den Gymnasien. Außerdem liegt an diesen Schularten in den Regierungspräsidien Stuttgart und Freiburg die Direktzuweisung unter 100 Prozent und es ist dort kein Ergänzungsbereich mehr vorhanden. Bei der Betrachtung der regionalen Verteilung der Ressourcen sind die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren und die Beruflichen Schulen nicht einbezogen.
- Der Rechnungshof stellt fest, dass seine Untersuchungen keinen Zusammenhang zwischen Versorgungsgrad und Bildungserfolg erkennen lassen. Bei den Grundschulen stellt der Rechnungshof allerdings eine statistische Relevanz zwischen dem Versorgungsgrad der Schulen und dem Bildungserfolg der Schüler/innen fest. Er fordert die Einführung eines aussagekräftigen Bildungscontrollings.
- Stellen, die über einen längeren Zeitraum für einen bestimmten Zweck in Geld umgewandelt („monetarisiert“) wurden, sollen gestrichen werden. Bisher bleiben diese Stellen erhalten. Das würde eindeutig eine Reduzierung von Lehrerstellen bedeuten.
- Der Rechnungshof kritisiert, dass die regionale Schulentwicklung von der Verwaltung nicht zur aktiven Steuerung genutzt wird. Gleichzeitig soll die Erhöhung von Mindestschülerzahlen unter dem Aspekt eines effektiven und effizienten Ressourceneinsatzes geprüft werden. In dem Zusammengang werden die hohen Kosten kleiner Grundschulen, aber auch kleiner Gymnasien thematisiert. Im Gutachten des Rechnungshofs wird detailliert dargelegt, wie viele Lehrerstellen durch die Schließung kleiner Grundschulen und Gymnasien eingespart werden könnten. Schulschließungen nur aus Einspargründen lehnt die GEW ab. Die pädagogische Qualität und bei Grundschulen die Wohnortnähe müssen Vorrang haben.
- Schließlich stellte der Rechnungshof fest, dass die Kosten je Schüler/in zur Erlangung der Hochschulreife über das allgemeinbildende Gymnasium teurer seien als über die Realschule und das berufliche Gymnasium. Ursache sind die niedrigeren Kosten an der Realschule je Schüler/in bis Klasse 10.
- Der Rechnungshof hat sich auch die Schulversuche angesehen. Nur rund 25 der 140 Schulversuche betreffen die allgemeinbildenden Schulen. Den größten Ressourcenanteil hatten dabei die Ganztagsschulen, die alle bis 2015 als Schulversuche liefen sowie die 44 G9-Gymnasien.
- Im Landeshaushalt sollen zwei eigenständige Kapitel für die Grundschule sowie Hauptschule und Werkrealschule geschaffen werden. Das soll sicherstellen, dass diese Schularten eigenständig mit ihrer Ausstattung erfasst werden.
Pädagogische Angebote infrage gestellt
Die Zusammenstellung der Empfehlungen macht deutlich, wo nach Meinung des Rechnungshofs die Axt anzulegen ist: an den Arbeitsbedingungen und an den Unterstützungs- und Beratungsangeboten für die Schulen! Er stellt fast ausnahmslos Stunden infrage, die pädagogisch und für das Funktionieren von Schule notwendig sind. Aber für die GEW müssen diese Stunden erhöht und nicht gekürzt werden! Wohin kurzsichtige Streichungen führen, erleben wir in diesen Monaten.
Es ist naiv und nur eine Umverteilung des Mangels, wenn im Auftrag der Grünen und der CDU Abordnungen von Lehrkräften beendet werden, um den hausgemachten Lehrermangel an den Schulen zu beheben. Lehrkräfte sind nicht aus Luxus abgeordnet. Sie übernehmen außerhalb des Unterrichts notwendige Aufgaben. Diese Aufgaben müssen auch künftig pädagogische Profis übernehmen.
Das Gutachten des Rechnungshofs ist realitätsfern. Die Umsetzung der Empfehlungen würde die Qualität des Unterrichts beeinträchtigen und die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte weiter verschärfen. Über die Schwerpunktsetzung des Gutachtens kann man sich nur wundern. Warum äußert sich der Rechnungshof beispielsweise nicht zum Einsatz von Schulverwaltungsassistent/innen zur Entlastung der Schulleitungen? Auch eine bessere Förderung von Schüler/innen und in der Folge weniger Sitzenbleiber wäre ein Beitrag zu zielgerichtetem Ressourceneinsatz.
Die GEW ist irritiert, dass und wie die Landesregierung das Gutachten beauftragt hat. Der Rechnungshof kommt nur zu quantitativen Ergebnissen, die Qualitätskriterien bleiben außen vor. Eine sinnvolle Ressourcensteuerung muss die Qualitätssicherung und die Senkung der Arbeitsbelastung zum Ziel haben – auch damit der Lehrerberuf attraktiv bleibt.
Die Vorschläge des Rechnungshofs sind kein Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht. Sie lenken von der fehlenden Unterstützung für die vielfältigen Herausforderungen und dem Lehrkräftemangel in vielen Schularten ab. Es ist abenteuerlich, dass sich der Rechnungshof erlaubt, den Einfluss des Versorgungsgrads mit Lehrkräften auf den Bildungserfolg zu verneinen.
Falsche Annahmen
Die Betrachtung der Unterrichtsversorgung geht von falschen Annahmen aus. Bei der Darstellung der Pflichtstundenzuweisung wird nicht erwähnt, dass an den weiterführenden Schulen Poolstunden zu den Pflichtstunden gehören und damit die gesicherte Grundausstattung erhöhen. An den Grundschulen ist das nicht so. Es ist ein großer Unterschied, ob Grundschulen oder weiterführende Schulen keinen zusätzlichen Ergänzungsbereich haben. Die Benachteiligung der Grundschulen wird so verschleiert.
Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann wartete ungeduldig auf die Empfehlungen des Rechnungshofs. Es bleibt zu hoffen, dass nicht sinnloses Einsparen von Ressourcen, sondern Unterstützung der pädagogischen Arbeit und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für sie und die Landesregierung handlungsleitend werden. Diese Wende in der Bildungspolitik brauchen wir!