Sprachförderung im Übergang Kita – Grundschule
Landesregierung ringt um Konzept
Für die Kultusministerin haben die Grundschule und die Sprachförderung vor der Einschulung die höchste Priorität. Dorthin sollen Ressourcen fließen – und so mehr Kinder als bisher die in der Grundschule geforderten Basiskompetenzen erreichen.
Am 15. März 2024 hat das Kultusministerium (KM) über das aktuelle Konzept zur Sprachförderung im letzten Kita-Jahr und ersten Grundschuljahr informiert: Ab September 2024 soll das Programm mit etwa 450 Gruppen starten. Zunächst an den 200 Standorten des Projekts „Schulreifes Kind“. Die Teilnahme daran ist für die Kitas, Schulen und Kinder vorerst freiwillig. Das Konzept wird aufwachsend und wahrscheinlich ab 2027/2028 flächendeckend und verbindlich auf ganz Baden-Württemberg übertragen.
Bei der bestehenden Einschulungsuntersuchung (ESU), die verpflichtend für alle Kinder im Alter von viereinhalb Jahren stattfindet, ist ein Spracherhebungstest integriert. Wenn dadurch bei Kindern ein erhöhter Sprachförderbedarf festgestellt wird, ist eine verpflichtende Sprachförderung in Gruppen von durchschnittlich acht Kindern von vier Stunden pro Woche im letzten Kindergartenjahr geplant. Das KM geht davon aus, dass dies etwa 30 Prozent der Kinder betreffen wird, also rund 30.000 Kinder. Sobald das Angebot flächendeckend besteht, soll die Teilnahme daran für die betreffenden Kinder verpflichtend sein. Vermutlich sollen die Grundschulen diese Sprachförderpflicht überwachen und im Zweifelsfall auch durchsetzen, dass die Kinder an der Förderung teilnehmen.
Ein Kommentar von Monika Stein, GEW-Landesvorsitzende
Gut ist, dass die Sprachförderung in den Fokus genommen wird. Gut ist auch, dass frühe Bildung und Grundschulen an dieser Stelle wenigstens ein Stück weit gemeinsam gedacht werden.
Einiges am Konzept der Landesregierung ist aber noch so unklar, dass ich es kaum bewerten kann. Offen ist, woher bei dem herrschenden Fachkräftemangel in Kitas und den Grundschulen die Fachkräfte für die Sprachförderung kommen sollen. Offen ist auch, ob sie an Kitas oder Grundschulen stattfinden soll, und es ist noch nicht klar, zu welcher Tageszeit oder wie oft pro Woche die vierstündige Sprachförderung angeboten wird, noch wie sie inhaltlich gestaltet sein soll. Auch der Zeitpunkt für die zweite Spracherhebung vor der Einschulung, das einzusetzende Verfahren oder wer den Test durchführt, sind noch unklar.
Was aber klar ist: Wenn Schulleitungen die Pflicht zum Besuch der Sprachförderung durchsetzen sollen, brauchen sie dafür zusätzliche zeitliche Ressourcen. Das gilt auch für die Lehrkräfte, die das Konzept umsetzen sollen.
Das Sprachförderkonzept wirkt sich auf die bestehende Kooperation von Kita und Schule aus. Diese Kooperation läuft ein ganzes Schuljahr, ist sehr personalintensiv für die Kolleg*innen in den Kitas und den Grundschulen und mit zu knappen Ressourcen ausgestattet. Sie hat sich über viele Jahre entwickelt. Auch hier spielt die Spracherhebung und die Sprachförderung eine wichtige Rolle. Wie wird diese Kooperation in das neue Konzept eingebunden sein? Es liegt auf der Hand, dass die Koop-Lehrkräfte zusammen mit den Kolleg*innen an den Kitas die Sprachförderung gemeinsam gestalten und koordinieren sollten. Dafür brauchen sie ausreichend Zeit.
Auch dem KM ist klar: Besser als das geplante Sprachförderkonzept wäre es, früher und integrierter anzusetzen. Für viele Familien wäre der Ausbau einer aufsuchenden und wesentlich niederschwelligeren Unterstützung nach der Geburt eines Kindes sinnvoll und notwendig. Auch der Ausbau der alltagsintegrierten Sprachförderung, wie sie die letzten Jahre mit den Sprachkitas aufgebaut wurde und die in allen Kitas wesentlich ausgebaut werden müsste, ist in den ersten Skizzen des KM-Konzepts noch nicht erkennbar.
Dabei wäre eine personell und konzeptionell gut ausgebaute alltagsintegrierte Sprachförderung in den Kitas der richtige Weg für Kinder im Kita-Alter. Der Landesregierung fehlt auch noch ein Plan, wie der Anteil der Kinder, die eine Kita besuchen, gesteigert werden kann. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren nämlich von 98 Prozent auf nur noch etwa 90 Prozent abgesunken. In erster Linie müssen dazu die Plätze an den Kitas ausgebaut und das notwendige Personal ausgebildet werden. Dann wäre eine sinnvolle, alltagsintegrierte und niederschwellige Sprachförderung an allen Kitas möglich.
Wir bieten dem Kultusministerium an, die Expertise der GEW stärker miteinzubeziehen. Am besten bevor weitere Rahmenbedingungen des Konzepts öffentlich festgeklopft werden.
Unklar ist die genaue Ausgestaltung der Sprachförderung. Sie soll in Gruppen stattfinden, die vorrangig in einer Kita, ansonsten in der zuständigen Grundschule angeboten werden. Eine besonders fortgebildete pädagogische Fachkraft oder eine besonders fortgebildete Lehrkraft sollen die Sprachförderung von vier Stunden in der Woche übernehmen. Vorher und nachher sind die Kinder in ihrer jeweiligen Kita oder zu Hause. Wenn die Sprachförderung in einer Kita nicht möglich ist (weil zum Beispiel Räume oder Personal fehlen), soll sie für Kinder aus verschiedenen Kitas zusammen mit Kindern, die keine Kita besuchen, in Gruppen in Grundschulen stattfinden. Regelungen über die Beförderung der Kinder, die Räumlichkeiten und über die Durchsetzung der Pflicht beziehungsweise die den Eltern wärmstens empfohlene Teilnahme muss das KM noch entwickeln. Die Finanzierung des Personals, die Kinderbeförderung und die Sachkosten sind laut Kultusministerium bereits sichergestellt.
Wenn bei einem zweiten Sprachtest im letzten Kita-Jahr weiterhin ein erhöhter Förderbedarf festgestellt wird, sollen diese Kinder nicht in eine reguläre erste Klasse eingeschult werden. Sie sollen vom Schulbesuch zurückgestellt und in sogenannten Juniorklassen 22 oder eventuell auch 25 Stunden pro Woche Sprachförderung erhalten und in Basiskompetenzen und schulischen Vorläuferfähigkeiten gefördert werden. So soll erreicht werden, dass sie nach dem Jahr in der Juniorklasse erfolgreich in der Grundschule lernen können. Die Juniorklassen werden an Grundschulen gebildet und starten nach den bisherigen Plänen im Schuljahr 2026/2027. Sie sollen die bisherigen Grundschulförderklassen ablösen. Das KM rechnet damit, dass drei- bis viermal so viele Kinder künftig eine Juniorklasse besuchen, wie im Moment in den Grundschulförderklassen gefördert werden. Die Juniorklassen sollen in das Ganztagsangebot der Grundschule einbezogen und die Schüler*innen gegebenenfalls in die Schule befördert werden – zwei alte Forderungen der GEW werden damit erfüllt.