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Lieber flexibel als pädagogisch

Die Zahl der Ganztagsschulen steigt weiter. Im kommenden Schuljahr 2018/19 gibt es weitere 31 Grundschulen und 5 SBBZ, die sich auf den Weg zur Ganztagsschule nach dem Schulgesetz machen. Hinzu kommen 5 weiterführende Schulen.

Nach wie vor gibt es nur für Grundschulen und SBBZ die schulgesetzliche Ganztagsregelung. Für die weiterführenden Schulen fehlt sie noch immer. Sie müssen den Ganztagsbetrieb wie in den vergangenen Jahrzehnten über den Schulversuchsparagrafen beantragen. Einer Realschule, drei Gymnasien und einem Schulverbund wurden die Anträge bewilligt.

Mehr denn je tendieren die Schulen dazu, die Wahlform der Ganztagsschule zu wählen. Von den Grundschulen, die im kommenden Schuljahr mit dem Ganztag sukzessive beginnen oder komplett auf ihn umstellen (beides ist nach der letzten Schulgesetzänderung möglich), hat sich nur eine Schule für die gebundene Form entschieden.

Die Flexibilität ist den Eltern offensichtlich ein hohes Gut und sie haben in der Kultusministerin eine starke Unterstützerin. Nicht der „Ganztag“ als Konzept mit pädagogischem Mehrwert überzeugt die Eltern, der Wunsch nach einer möglichst flexiblen Betreuung ist größer. Die GEW bleibt dabei, dass an Ganztagsschulen die Pädagogik im Vordergrund stehen muss und die Umsetzung eines qualitätsvollen Ganztags einen umfassenden und für alle Schüler/innen verbindlichen Betrieb zwingend macht. Ein Ganztag in Wahlform ist nur eine halbe Sache!

Die weiterführenden Schulen verzeichnen einen verhaltenen Zuwachs von fünf Schulen im kommenden Schuljahr. Die gesetzliche Verankerung auch für die Sekundarstufe wird immer dringlicher. Es ist zu hoffen, dass der nächste Ganztagsgipfel des KM am 18. Juni eine Perspektive eröffnet.

Pilotprojekt „Koordinierungsstelle“

Kurz nach Bekanntgabe der neu genehmigten Ganztagsschulen Anfang März eröffnete das Kultusministerium eine weitere Veränderung, nämlich den Start eines Pilotprojekts „Koordinierungsstelle Ganztagsschule“. Diese Stelle hat die Aufgabe, Schulen von Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit der Organisation des Ganztagsbetriebs zu entlasten. An sechs Standorten im Land soll ausgebildetes Verwaltungspersonal vor allem die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern unterstützen. Die GEW begrüßt dies sehr, denn auch bei der GEW gab und gibt es viele Rückmeldungen zum enormen Aufwand, den die Schulen mit der Organisation ihrer oft zahlreichen und wechselnden außerschulischen Partner haben.

Außerdem sollen mit der Koordinierungsstelle die unterschiedlichen Fördermittel für den Ganztag gebündelt werden. Man könnte dies durchaus als Schritt in Richtung Professionalisierung des Ganztags werten, die den Schulen mehr Spielraum für andere Aufgaben verschafft. Man könnte auch dem Vorschlag des Städtetags folgen, die Mittel für das Mittagsband, die Jugendbegleiter und die Kosten der außerschulischen Partner in einem Budget zusammenzuführen, um den bürokratischen Aufwand zu verringern. Allerdings dürften in dieses Budget die für die Monetarisierung von Lehrerwochenstunden vorgesehenen Mittel nicht einfließen, sondern müssen zusätzlich bereitgestellt werden. Dies ist angesichts der Knappheit der Mittel und der schlechten Ausstattung der bereits laufenden Reformen jedoch unwahrscheinlich, weshalb diese Vorschläge mit der gebotenen Zurückhaltung geprüft werden müssen.

Die GEW hat von Beginn der Debatte zur Ganztagsschulgesetzgebung gefordert, keine Lehrerwochenstunden zur Finanzierung des Ganztags umzuwidmen, weil diese für die zahlreichen Reformen gebraucht werden. Inzwischen hat sich die Situation noch einmal deutlich verschärft: Es wäre beim derzeitigen Lehrermangel geradezu fahrlässig, weiterhin an der Monetisierung festzuhalten und dadurch die Qualität von Schule und Unterricht zu verschlechtern.

Skepsis bleibt

Außerdem muss der Vorschlag schon aufgrund der neuerlichen Skepsis gegenüber Schulversuchen nachdenklich stimmen. Zwar nennt sich das Ganze „Projekt“, ist der Intention nach aber nichts anderes als ein „Versuch“. Zur Organisation des Ganztags liegen seit Jahren viele Erfahrungen vor, sei es von den Schulen selbst, sei es von Informations- und Beratungsstellen wie „Ganztägig lernen“ oder vom Ganztagsschulverband. Die Einrichtung von Schul- oder auch Verwaltungsassistenz unter anderem für die Organisation des Ganztags könnten die Schulleitungen sicher auch ohne langwierige Projekterkenntnisse zügig nutzen. Bleibt zu hoffen, dass das Pilotprojekt nicht dazu dient, die dringend benötigte Unterstützungsleistungen für Ganztagsschulen auf die lange Bank zu schieben.