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Festakt 30 Jahre GEW-AK Lesbenpolitik

Mit Mut und Beständigkeit viel erreicht

Vor 30 Jahren schlossen sich lesbische Pädagoginnen in einem Arbeitskreis in der GEW zusammen. Beim Festakt Ende Oktober im Stuttgarter Hotel Silber machte sich die GEW für die Umsetzung des „Aktionsplans für Akzeptanz und gleiche Rechte“ stark.

Für den Festakt gab es vor allem drei Gründe: 30 Jahre mutiges Engagement des Arbeitskreises (AK) Lesbenpolitik feiern, mit der Politik und der Verwaltung ins Gespräch kommen und im Verbund mit anderen Organisationen und Initiativen weiter daran arbeiten, dass der „Aktionsplan für Toleranz und gleiche Rechte“ umgesetzt wird.

„Wir alle kennen mutmachende Beispiele aus unserem Alltag für Akzeptanz von Vielfalt an Schulen: Die SMV ruft die ‚Woche der Toleranz aus‘, ganze Lehrer*innenkollegien beschäftigten sich an pädagogischen Tagen damit, wie Vielfalt in der Schule gelebt werden kann, das Transmädchen wird von ihrer Klasse wunderbar begleitet. Wir erleben aber auch, dass wir vom Ziel der Gleichstellung weit entfernt sind: Der schwule Kollege outet sich nicht, weil er Angst vor Diskriminierung hat, in Fachschaften entbrennen Streitigkeiten über die Leitperspektive ‚Bildung für Toleranz und Vielfalt‘. Nicht alle sind beispielsweise bereit dazu, verschiedene Familienformen als gleichberechtigt darzustellen. In den Lehrer*innenzimmern und auf den Schulhöfen finden diskriminierende Szenen statt und im Umgang damit herrscht Hilflosigkeit. Wir wollen, dass die Realität eine andere wird, dass Bildungseinrichtungen sichere Räume sind – für alle“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Farina Semler.

Viele, die den Aktionsplan vorantreiben können, haben Semler zugehört. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) saß zusammen mit Carmen Vollrath aus dem Kultusministerium (KM) in der ersten Reihe. Gekommen sind unter anderen Oliver Hildebrand, queerpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion und Gerrit Bopp, die im Sozialministerium für den Aktionsplan zuständig ist. Auch das ZSL war vertreten. Thomas Cleesattel kam für den Präsidenten des ZSL, Thomas Riecke-Baulecke und Patrick Wagner, der im ZSL für die Fortbildungen zur Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Vielfalt“ (BTV) verantwortlich ist.

Die Kultusministerin lobte den Mut und die Tatkraft des AK Lesbenpolitik.

„In den letzten Jahren hat sich vieles bewegt, aber manches ist auch noch verdeckt und Hass und Hetze nehmen zu. Wir müssen schauen, was wir in der Schule mit dem Aktionsplan und der Leitperspektive BTV machen können“, sagte Schopper.

Die verpflichtende Leitperspektive sei ein echter Pusch für mehr Toleranz. Darauf ausruhen könne man sich aber nicht. Sie müsse mit Fortbildungen mit mehr Leben gefüllt werden. „Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt müssen wir in alle Köpfe und Herzen bringen“, betonte die Ministerin.

Jennifer Kurrle und Ruth Schwabe vom AK Lesbenpolitik wünschten sich mehr Verbindlichkeit. Schwabe, die in der Lehrkräfteausbildung arbeitet, erlebt dass viele Lehramtsanwärter*innen die LSBTTIQ-Merkmale nicht kennen. Daher müsse ein Modul dazu in der Ausbildung verpflichtend werden. Kurrle findet Fortbildungen wichtig, Angebote alleine würden aber nicht ausreichen. Es müsse mehr in den Schulen ankommen. In den Schulen sei die Toleranz geringer als in der Gesellschaft.

„Schule ist für Kinder und Jugendliche sehr prägend. Dort darf es keine Diskriminierung oder ein unfreiwilliges Coming-Out geben. Dort sollen alle sich selbst sein können“, sagte Jennifer Kurrle.

Farina Semler wies auch darauf hin, dass nicht geklärt sei, wohin sich Menschen in Schulen wenden können, wenn der Schutz nicht gewährleistet ist. Wo es ein Beschwerdemanagement gibt, konnte auf der Veranstaltung niemand sagen, auch die Ministerin nicht.

Geschichte des AK Lesbenpolitik

Selbst wenn noch viele Verbesserungen anstehen, vieles hat sich in 30 Jahren auch zum Guten gewendet. Der Historiker Andreas Pretzel hat die Geschichte des AK Lesbenpolitik aufgearbeitet.

„Am Anfang ging es um sie selbst. Die lesbischen Frauen wollten sichtbar werden, sich Mut machen und Kontakte knüpfen“, referierte Pretzel.

In seiner Broschüre „30 Jahre AK Lesbenpolitik GEW Baden-Württemberg“ schreibt er über die Gründung des AKL im Juni 1992:

„Die Anbindung des AKL an die Gewerkschaft gewährte nicht nur individuellen beruflichen und rechtlichen Beistand, sondern versprach auch einen Resonanzraum und Unterstützung für eine weitergehende Agenda lesbenpolitischer Themen.“

Wobei der AKL sogar in der GEW gegen Widerstände kämpfen musste. In der b&w beispielsweise konnten die Frauen erst nach einem Jahr einen Artikel platzieren. Anne Huschens erinnert sich, dass ihr erster Artikel zur Gründung des AK abgelehnt wurde. Sie wollte in der Mitgliederzeitschrift auf den AK aufmerksam machen. Im Dezember 1993 schrieb Huschens dann über eine GEW-Frauenfortbildung von und für Lesben. Sie erwähnte darin, dass offenes lesbisches Auftreten am Arbeitsplatz nach wie vor das größte Problem sei.

Pretzel sieht eine „Kette von Juwelen“, die der AK in 30 Jahren mit viel Mut und Beständigkeit erreicht habe. Lesbische Frauen hätten an Sichtbarkeit, Beachtung und Anerkennung gewonnen. Es gebe inzwischen gute Materialien für Beratungen, Schule und Unterricht, und die Leitperspektive BTV habe es in die Bildungspläne geschafft. Annemarie Renftle, eine AK-Mitgründerin, erhält in Pretzels Broschüre das Schlusswort. Das passt auch hier: „Ich habe das Gefühl, dass viel vorbereitet ist. Jetzt sind die politischen Bedingungen so, dass wir hoffentlich den Elfmeterpunkt setzen können, um unsere Ziele voranzubringen. Wenn wir jetzt nicht dranbleiben, dann war die Vorarbeit umsonst.“

Kontakt
Manuela Reichle
Referentin für Frauenpolitik