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Grundschulempfehlung

NAVI 4 – ein übles Ende für eine schlechte Geschichte

Das neue Übergangsverfahren NAVI-4 ist eine Katastrophe für die Grundschulen und die Viertklässler*innen, meint Grundschulrektor Ulrich Bürgy.

Es war einmal vor vielen Jahren in einem uns allen wohlbekannten Land, da riefen Forscher*innen und Arbeitgeber unisono, dass die Abiturient*innen in Deutschland zu alt seien, wenn Sie endlich ins Erwerbsleben eintreten. In vielen Bundesländern, auch in Baden-Württemberg, wurde die Schulzeit zum Abitur  auf 8 Jahre – also insgesamt auf 12 Jahre - verkürzt. 

Das wiederum erzürnte andere, die sich über das Niveau der Schüler*innen Sorgen machten. Die Kultusministerkonferenz beschloss daher, dass bei einem achtjährigen Abitur die Gesamtstundenzahl gleich wie beim 9-jährigen Abitur bleiben muss. Dies führte zu einer durchschnittlichen Wochenstundezahl von 34 Unterrichtsstunden in G8, eine Zahl, die noch weitaus größer werden konnte, wenn einzelne Schulen die Stundentafel so einteilten, dass die unteren Klassen nicht so stark belastet werden - und die höheren Klassen dadurch umso mehr.

Von Anfang an beklagten sich nun wiederum Eltern von Gymnasiast*innen, dass die Belastung in G8 zu hoch sei, dass keine Zeit für Hobbys und Persönlichkeitsentwicklung bliebe. In Baden-Württemberg wurde als Reaktion darauf in 44 Gymnasien das G9 als „Modellversuch“ eingerichtet. Die 44 G9-Gymnasien brauchten sich fortan um Anmeldezahlen nicht mehr zu sorgen.

Dass es die ganze Zeit einen 9-jährigen Weg zum vollwertigen Abitur gab, über Realschule und berufliche Gymnasien, wurde nie richtig wahrgenommen. Erst recht nicht, dass die seit 2012 bestehenden Gemeinschaftsschulen die ab Klasse 5 ebenfalls auf gymnasialem Niveau  arbeiten, wurde zum Großteil ignoriert.

Ebenfalls seit 2012 konnten die Eltern der Viertklässler*innen frei entscheiden, auf welcher Sekundarschulart ihre Kinder ihre schulische Laufbahn fortsetzen. Diese Öffnung sorgte übrigens statistisch gesehen für wesentlich weniger „Fehlentscheidungen“ (die durch frühe Schulwechsel ablesbar sind), als befürchtet und von Befürworter*innen der verbindlichen Grundschulempfehlung“  bis heute behauptet wird.

Es formierte sich eine überaus laute Elterninitiative („G9 jetzt“) gegen das 8-jährige Regelgymnasium, die dann auch in einem Volksantrag die erforderlichen Unterschriften pro G9 sammelte. Auch ein per Zufallsprinzip ausgewähltes Bürgerforum empfahl die Rückkehr zu einem G9.

Dieses G9 wird nun zum Schuljahreswechsel 24/25 aufwachsend in Klasse 5 und 6 eingeführt – im Rahmen einer umfassenden Änderungen des Schulgesetzes zu Bildungsplänen, Stundentafeln, Fächern, Kooperationen und Verbünden und einiges mehr.

Um nun aber den befürchteten Zustrom zum vermeintlich einfacheren G9 zu regulieren, entschloss sich die Landesregierung, das bisherige System der Grundschulempfehlung grundlegend zu verändern und zumindest teilweise wieder verbindlich zu machen. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist NAVI 4. 

Die Eltern dürfen nicht mehr frei entscheiden, sondern sind von mindestens einem von zwei weiteren Faktoren abhängig: Der Empfehlung der Klassenkonferenz (bzw. der Notenschnitt, wie vor 2012) oder dem Ergebnis von Kompass 4, ein neu eingeführter Test mit zentral gestellten, vom IBBW entwickelten Aufgaben.

Meine NAVI-4-Wertung:

NAVI-4 ist eine Katastrophe für die Grundschulen und die Viertklässler*innen. Ein derart formalisiertes Übergangsverfahren spricht den Grundschulen jede Kompetenz, Schüler*innen beurteilen zu können ab. Für viele Kinder bedeutet der Test Stress und löst Ängste aus. Und dies, obwohl längst klar ist, dass es unredlich ist, zu einem so frühen Zeitpunkt  valide Aussagen zum künftigen Bildungsweg von Kindern zu treffen.

Dass die Mehrzahl der Eltern sich an die so genannte Grundschulempfehlung hält, geht dabei völlig unter.