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Direkteinstieg in Grundschule und Sekundarstufe I

Neue Wege ins Lehramt

Das Land will Personen mit einem anderen Studium einen Weg in das Lehramt öffnen. Die ersten Stellen für den neuen Direkteinstieg waren im April bereits ausgeschrieben. Das ZSL und die Seminare arbeiten unter Zeitdruck an einer Konzeption.

Foto: Shutterstock/GEW

Obwohl der Mangel an Lehrkräften seit Jahren bekannt ist, hat die Landesregierung lange nichts dagegen getan. Inzwischen liegen neue Vorschläge des Kultusministeriums (KM) vor. Deshalb müssen das Zentrum für Schulqualität und Lehrkräftebildung (ZSL) und vor allem die Kolleg*innen an den Seminaren für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte unter immensen Zeitdruck die Inhalte und Konzepte für den Direkteinstieg entwickeln. Das Kultusministerium hat das ZSL und die Seminare erst Mitte April beauftragt, die Konzeption für die beiden Direkteinstiege zu entwickeln. Sie muss bis 20. Juli fertig sein.

Über den Direkteinstieg können Menschen, die ein Bachelor- beziehungsweise Masterstudium abgeschlossen haben, in drei Jahren einschließlich des Vorbereitungsdienstes die Lehrbefähigung Grundschule beziehungsweise Sekundarstufe I (außer Gymnasium) erwerben. Bei den Beruflichen Schulen gibt es den Direkteinstieg schon lange.

In den ersten beiden Jahren werden die Direkteinsteiger*innen am Seminar pädagogisch geschult. Außerdem hospitieren und unterrichten sie an ihrer Schule. Dabei steigt der Anteil des selbstständigen Unterrichts stetig von neun auf 20 Wochenstunden.

Die Direkteinsteiger*innen sollen zum Anfang des Schuljahrs eingestellt werden. Die Bewerber*innen können sich auf schulscharf ausgeschriebene Stellen bewerben. Die Stellen für den Direkteinstieg dürfen nur besetzt werden, wenn keine originär ausgebildeten Bewerber*innen vorhanden sind. Die Direkteinsteiger*innen erhalten einen Vertrag mit einer auflösenden Bedingung, falls die pädagogische Schulung nicht erfolgreich abgeschlossen oder die Bewährung an der Schule nicht festgestellt werden kann. Nach dem Erwerb der Laufbahnberechtigung ist eine Verbeamtung möglich.

Rahmendaten Direkteinstieg Grundschule:

  • Abschluss Bachelorstudium mit zwei Fächern aus dem Fächerkanon der Grundschule; bei einem Fach müssen mindestens 50 Creditpoints (CP), beim anderen mindestens 30 CP aus dem Bachelorstudiums anrechenbar sein; eins der Fächer muss Deutsch oder Mathematik sein
  • dreiwöchiges (Schuljahr 2023/2024) beziehungsweise sechswöchiges (ab 2024) Praktikum an einer Grundschule oder „in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen“
Grundschule – Unterrichtsverpflichtung
  1. SCHULJAHR 2. SCHULJAHR
  1. Halbjahr 2. Halbjahr 1. Halbjahr 2. Halbjahr
Hospitation / begleitender Unterricht circa 6 Std. / Woche circa 2 Std. / Woche circa 2 Std. / Woche
selbstständiger Unterricht circa 9 Std. / Woche circa 11 Std. / Woche circa 20 Std. / Woche circa 20 Std. / Woche

Rahmendaten Direkteinstieg Sekundarstufe I:

  • Abschluss Bachelor-Masterstudium mit zwei Fächern aus dem Fächerkanon der Sekun­darstufe I; das Erstfach muss einem jährlich vom KM definierten Mangelfach entsprechen, beim Erstfach müssen mindestens 65 Creditpoints (CP), beim Zweitfach mindestens 30 CP anrechenbar sein
  • dreiwöchiges (Schuljahr 2023/2024) beziehungsweise sechswöchiges (ab 2024) Sozialpraktikum „in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen“
Sekundarstufe I – Unterrichtsverpflichtung
  1. SCHULJAHR 2. SCHULJAHR
  1. Halbjahr 2. Halbjahr 1. Halbjahr 2. Halbjahr
Hospitation / begleitender Unterricht circa 6 Std. / Woche circa 2 Std. / Woche circa 2 Std. / Woche
selbstständiger Unterricht circa 9 Std. / Woche circa 11 Std. / Woche circa 19 Std. / Woche circa 19 Std. / Woche

Wie die pädagogische Schulung im ersten Halbjahr aussieht

Im 1. Halbjahr erhalten die Direkteinsteiger*innen eine pädagogische Schulung, bei der sie die im Studium nicht erworbenen Kenntnisse in Fachwissenschaft, Fachdidaktik, Schulpädagogik und Bildungswissenschaften am Seminar erwerben sollen. Diese Kenntnisse sollen in circa 190 Zeitstunden Ausbildung am Seminar (2/3 Präsenz; 1/3 asynchron digital) erworben werden. Die Anteile der pädagogischen Schulung im 1. Halbjahr könnten nach Auffassung des KM so verteilt werden:

  • je Ausbildungsfach ca. 60 Stunden Didaktik und Methodik
  • circa 60 Stunden Pädagogik
  • circa zehn Stunden Schulrecht

Ein Kommentar von Michael Hirn, stellvertretender GEW-Landesvorsitzender und Mitglied im Hauptpersonalrat GHWRGS

Für die GEW ist es überfällig, dass für mehr und nicht originär ausgebildete Lehrkräfte ein Weg in die Arbeit als voll qualifizierte Lehrer*innen geschaffen wird. Die GEW schlägt dies seit Jahren vor. Deshalb ist auch der Direkteinstieg grundsätzlich ein sinnvoller Weg.

Bei der Konzeption für den Direkteinstieg an Grundschulen und Sekundarschulen sind allerdings zwei Dinge völlig unverständlich: Warum bindet das Kultusministerium nicht das Wissenschaftsministerium und die Hochschulen ein? Warum müssen die Kolleg*innen an den Seminaren die Konzeptionen für den Direkteinstieg unter einem so immensen Zeitdruck erstellen?

Im Kultusministerium gibt es Vorbehalte, mit den Hochschulen zusammenzuarbeiten. Angeblich könnten die Hochschulen keine Angebote machen, die sich in berufsbegleitende Ausbildungsmaßnahmen des KM eingliedern lassen würden. Das Beispiel dafür sei der gescheiterte Lehrgang Hola 4, bei dem Lehrkräfte berufsbegleitend das Aufbaustudium Sonderpädagogik absolvieren sollten. Allerdings waren die Rahmenbedingungen für Hola 4 so schlecht, dass die Teilnehmer*innen das Aufbaustudium nicht oder nur mit einer inakzeptablen Arbeitsbelastung absolvieren konnten.

Es wäre sehr wohl möglich, in den Direkteinstieg Angebote der Pädagogischen Hochschulen einzubauen. Sie wären eine sinnvolle und notwendige Ergänzung für die Veranstaltungen an den Seminaren und die Qualifizierung an den Schulen. Das würde allerdings einen ernsthaften Kooperationswillen der beiden Ministerien und ausreichend Zeit für die Erstellung der Konzeption notwendig machen. Den Direkteinsteiger*innen fehlen rund zwei Drittel der Kompetenzen des normalen Studiums. Die Inhalte aus dem fehlenden Lehramtsstudium müssen die Seminare den Direkteinsteiger*innen in rund 190 Stunden vermitteln. Das dies nicht ausreicht, ist offensichtlich. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Direkteinsteiger*innen aus ihrem Studium und mit beruflichen Erfahrungen wertvolle Kompetenzen mitbringen.

Außerdem müssen die Direkteinsteiger*innen alle Kompetenzen des Vorbereitungsdiensts bei einer wesentlich höheren Unterrichtsverpflichtung als die originären Lehramtsanwärter*innen erwerben – so können die Direkteinsteiger*innen nicht optimal ausgebildet werden. Eine riesige Belastung ist es obendrein.

Noch unverständlicher ist, warum sich das KM so lange Zeit gelassen hat, den Direkteinstieg zu beschließen und warum die Seminare die komplexe Konzeption nun in wenigen Wochen erstellen müssen. Und das Ganze nur, damit im Herbst wenige Direkteinsteiger*innen die Ausbildung beginnen können. Auf ein weiteres Jahr für die Erstellung einer besseren Konzeption wäre es nicht angekommen.

Im 2., 3., und 4 Halbjahr nehmen die Direkteinsteiger*innen am normalen Vorbereitungsdienst teil. Im 4. Halbjahr wird analog zum Vorbereitungsdienst (Schulleiterbeurteilung, Schulrechtsprüfung, Hausarbeit, Pädagogisches Kolloquium, Beurteilung der Unterrichtspraxis, fachdidaktische Kolloquien) geprüft, ob die Direkteinsteiger*innen die Schulung erfolgreich abgeschlossen haben. Im 3. Jahr wird an der Schule geprüft, ob sich die Direkteinsteiger*innen im Lehramt Grundschule beziehungsweise Sekundarstufe bewährt haben.

An der Schule müssen sich die Schulleiter*innen und Mentor*innen um die Direkteinsteiger*innen analog zu den Lehramtsanwärter*innen kümmern. Dafür bekommen die Schulen die entsprechenden Anrechnungsstunden. Die Kolleg*innen an den Seminaren bekommen für die Mitarbeit in den Konzeptionsgruppen eine Anrechnungsstunde. Für die Ausbildung der Direkteinsteiger*innen erhalten die Kolleg*innen an den Seminaren die Anrechnungen analog zu den Regelungen im Vorbereitungsdienst.

Das KM verweigert dem Hauptpersonalrat GHWRGS bisher eine förmliche Beteiligung. Deshalb kann der der Hauptpersonalrat keinen Einfluss auf die Gestaltung des Direkteinstiegs nehmen.

Kontakt
Ute Kratzmeier
Referentin für allgemeinbildende Schulen
Telefon:  0711 21030-25
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