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Hochschule und Forschung

An den Hochschulen ändert sich zu wenig

Immer noch sind mehr als 85 Prozent aller Stellen befristet – und die Hochschulen weiterhin unterfinanziert. Der Haushaltsvorbehalt im neuen Koalitionsvertrag lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen: Alles kann, nichts muss. Das ist zu wenig.

Universitätsbibliothek Tübingen
Universitätsbibliothek Tübingen (Foto: © Friedhelm Albrecht / Universität Tübingen)

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode stand bei Grün-Schwarz die Haushaltskonsolidierung im Fokus: Sie führten Studiengebühren für internationale Studierende und Gebühren für das Zweitstudiums ein; sie kürzten die Landesgraduiertenmittel um zwei Millionen Euro und erhöhten teilweise das Lehrdeputat bei akademischen Mitarbeiter*innen in der Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO).

Mit dem ersten Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ versprach die grün-schwarze Landesregierung bis zu 3.800 neue Stellen in der Grundfinanzierung zu schaffen, befristete Stellen endlich zu entfristen und dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Perspektive zu ermöglichen. Viel hat sich hier nicht getan. Nach wie vor sind über 85 Prozent der Stellen befristet und die Hochschulen sind weiterhin unterfinanziert.

Groß war die Hoffnung bei vielen befristeten Hochschulbeschäftigten, dass eine weitere Entfristungsoffensive durch den Hochschulfinanzierungsvertrag II, der bis zu 3.000 neue Stellen ab dem Jahr 2021 versprach, auch umgesetzt werden kann. Der Haushaltsvorbehalt der großen Koalition lässt aber nichts Gutes vermuten.

Nach der Coronavirus-Pandemie will die Koalition die lang vernachlässigte Digitalisierung in Angriff nehmen und laut Koalitionsvertrag „(...) gemeinsam mit den Hochschulen die digitale Transformation vorantreiben – von Online-Lehre über Campus-Management bis hin zu Forschungsdateninfrastrukturen und Hoch- und Höchstleistungsrechnern.“ Das ist auch bitter nötig.

Viele Studierende, die bereits im dritten Semester unter Coronabedingungen studieren, berichten, dass sie, statt sich auf ihr Studium zu konzentrieren, erst einmal technische Probleme lösen müssen. Die Ausstattung mit technischen Geräten und eine gute Internetverbindung können entscheidend für den Studienerfolg sein. Dazu kommen die anhaltende soziale Isolation, finanzielle Nöte, Sorgen um den weiteren Studienverlauf, Zukunftsängste und obendrauf der übliche Prüfungsstress. Schwierig macht Corona zudem die Suche nach einem Praktikumsplatz. Gerade für viele Lehramtsstudierende, die ihr Schulpraxissemester absolvieren müssen, ist dies ein Problem.

Die GEW vermisst im Koalitionsvertrag die Maßnahme, die Überbrückungshilfe der Bundesregierung für Studierende zu verlängern und bei Bedarf die finanzielle Unterstützung bis zum BAföG-Höchstsatz aufzustocken. Im Koalitionsvertrag steht zwar, dass eine „verlässliche Hochschulfinanzierung und gute Arbeit an den Hochschulen [...] für uns Hand in Hand [gehen]“, allerdings steht nirgends, dass Studierende, die an Hochschulen arbeiten, nach Tarif bezahlt werden sollen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich die Landesregierung dazu bekannt hätte, die Regelstudienzeiten bis zum Ende der Pandemie zu erweitern, sofern der Bund die Ausbildungsförderung nach dem BAföG entsprechend verlängert.

Auch vermissen wir berechenbare Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, um dauerhaft im Wissenschaftsbetrieb bleiben zu können, und dass die Tenure-Track Professur weiter ausgebaut werden soll.

Aufgrund des angespannten Haushalts stehen sämtliche zusätzliche finanzwirksame Maßnahmen auch für den Hochschulbereich unter Haushaltsvorbehalt. Das bedeutet: Erst wenn es wieder finanzielle Spielräume gibt, können ausgewählte Maßnahmen – eventuell in Stufen – umgesetzt werden. Oder kurz gesagt: Alles kann, nichts muss. Das reicht der GEW nicht.