Zum Inhalt springen

Antidiskriminierung: Neue Online-Beratung hilft landesweit

Die Beratungsstelle „adis e.V.“ aus Tübingen/Reutlingen hat eine Online-Plattform für Antidiskriminierungsarbeit in Baden-Württemberg gestartet. Die Beratung per E-Mail, Chat oder Video ist kostenfrei und kann anonym erfolgen.

Sozialminister Manne Lucha spricht auf der Auftaktveranstaltung für adis-online in Tübingen. Eine Frau übersetzt ihn simultan in Gebärdensprache. (Foto: © Ulrich Metz)
Foto: © Ulrich Metz

Um eine Beratung gegen Antidiskriminierung flächendeckend anbieten zu können, hat die Beratungsstelle „adis e.V.“ aus Tübingen/Reutlingen eine Online-Beratung gestartet. In einer Veranstaltung in der Universität Tübingen wurde Mitte Juni das Beratungsportal aus der Taufe gehoben. Diskriminierungsschutz im Bildungsbereich fehlt immer noch.

Die Online-Beratung soll Menschen, die direkt oder indirekt von Diskriminierung betroffen sind, Unterstützung bieten. Sie richtet sich an Ratsuchende, die nicht in der Nähe einer bestehenden Beratungsstelle wohnen, oder die aufgrund ihrer persönlichen Situation die Beratungsstelle vor Ort nicht aufsuchen können. Die Beratung ist kostenfrei, kann anonym erfolgen und eröffnet Handlungsoptionen für die Betroffenen. Beraten werden kann per E-Mail, Chat oder Video.

Im Juli 2013 ist Baden-Württemberg als achtes Bundesland der „Koalition gegen Diskriminierung“ beigetreten. Ziel ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz vor Diskriminierung in allen Bereichen im Land politisch verankert wird. Seither sind in Baden-Württemberg an sieben Orten Diskriminierungsberatungsstellen entstanden (Esslingen, Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, Reutlingen/Tübingen und Stuttgart), an zwei weiteren Orten sind Beratungsstellen im Aufbau (Friedrichshafen und Rems- Murr-Kreis).

Alle Stellen beraten als Kernaufgabe unmittelbar von Diskriminierung Betroffene, aber auch Organisationen können sich an die Beratungsstellen wenden. Alle Berater/innen sind qualifiziert, orientieren sich an den Standards des Antidiskriminierungsverbandes Deutschland (advd). Die Qualität der Beratung wird durch Supervision und Intervision gesichert. Alle im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Diskriminierungsgründe sind gleichermaßen schutzwürdig.

Hoher Bedarf für Antidiskriminierungsberatung

Dass ein großer Bedarf besteht, zeigt eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Von 2.000 Menschen, die angeben, Diskriminierung zu erleben, sucht nur einer (!) tatsächlich professionelle Hilfe bei einer Antidiskriminierungsberatungsstelle.

Oft kommen Menschen erst, wenn sie sich bereits in einer ausweglosen Lage sehen. Sie erleben dann das Beratungsgespräch als große Beruhigung und Erleichterung, weil ihr Anliegen ernst genommen wird und ihnen im Verlauf der weiteren Beratung Raum gegeben wird, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und eigenverantwortlich ein Leben in Würde und Teilhabe einzufordern.

AGG in Schulen endlich umsetzen

Diskriminierungen finden auch in Schulen statt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nennt Beispiele:

  • Ein Schüler darf nicht mit zum Schulausflug, weil der Busfahrer ihn aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen will, obwohl es im Bus ausgewiesene Rollstuhlstellplätze gibt.
  • Ein Lehrer wertet die Kenntnisse und Fähigkeiten von Mädchen mit dem Satz ab: „In Physik seid ihr nur Deko!“.
  • Ein Schüler verhält sich gegenüber weiblichen Lehrkräften abwertend und respektlos: „Von Frauen lass ich mir gar nichts sagen“.
  • Ein Schüler, dessen Eltern homosexuell sind, wird vom Klassenlehrer aufgefordert, zu erzählen, wie sich seine Familie von „normalen“ Familien unterscheidet.

Die GEW hat beim Gewerkschaftstag 2017 auf Antrag des BAMA (Bundesausschuss Migration, Diversity, Antidiskriminierung) einen umfassenden Beschluss zum Diskriminierungsschutz im Bildungsbereich gefasst. Darin wird unter anderem gefordert, dass die Landesregierungen die im AGG vorgeschriebenen Beratungs- und Beschwerdestellen für die Beschäftigten endlich auch im Bildungsbereich einrichten. Das AGG ist inzwischen elf Jahre alt, aber bisher hat das Land Baden-Württemberg keine Beschwerdestellen zu Diskriminierung für die Beschäftigten in Schulen eingerichtet.