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Schulen, Hochschulen und Kitas

Corona-Pandemie hinterlässt überall Spuren

Es vergeht kein Tag seit der Schließung der Schulen und Kitas, an dem nicht neue Fragen auftauchen. Die GEW meldet dem Kultus- und dem Wissenschaftsministerium regelmäßig zurück, welche Herausforderungen entstehen. Der Überblick.

Foto: Pixabay / CC0

Aus der Sicht der GEW und zahlreicher Schul- und Kitaleitungen waren im Mai die Vorgaben für die Rückkehr großer Gruppen von Schüler*innen beziehungsweise Kindern zu eng und ihre Zahl zu hoch. So lassen sich das Abstandsgebot und die Hygienevorschriften für einen wirksamen Infektionsschutz nicht umsetzen.

Das gilt vor allem für die Grundschulen und Kitas. Die Zusammensetzung der Schülerschaft beziehungsweise Kinder, der Umfang der Notbetreuung, die räumliche Ausstattung und die Zahl der einsetzbaren Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte sind sehr unterschiedlich. Darauf müssen die Leitungen der Schulen und Kitas mit Lösungen reagieren können, die zu den Verhältnissen vor Ort passen. Deshalb sollte das Kultusministerium (KM) eine Regel wie „Klassen 1 und 3 in der einen, Klassen 2 und 4 in der anderen Woche“ nicht landesweit verbindlich vorgeben, sondern nur als Beispiel vorschlagen. Die GEW begrüßte deshalb ausdrücklich, dass für Schüler*innen der Abschlussklassen an Haupt- und Werkrealschulen (HS/WRS), Realschulen (RS) und Gemeinschaftsschulen (GMS) die Gestaltung des Unterrichtsangebots in die Verantwortung der jeweiligen Schule gelegt wurde.

Belastungen der Schulleitungen und Lehrkräfte

An den vielen kleinen Schulen stellt die Personalausstattung eine große Herausforderung dar. Wenn Schulleitungen in den Ferienabschnitten in die Schule gehen müssen, um die E-Mails abzurufen, ist das eine Zumutung.

An vielen Schulen führt der parallel laufende Fern- und Präsenzunterricht zu kaum koordinierbaren Aufgaben und großen Belastungen:

  • Erweiterte Notbetreuung im üblichen zeitlichen Umfang einschließlich Ganztag bei teilweise abgezogenen Ganztagskräften des Schulträgers,
  • Trennung der Gruppen von Notbetreuung und Präsenzunterricht,
  • Präsenz der diesjährigen und nächstjährigen Abschlussklassen und Prüfungsabläufe,
  • Unterricht für Schüler*innen, die weder analog noch digital erreicht werden,
  • Rückkehr weiterer Klassen, die in mehreren Gruppen parallel unterrichtet werden sollen,
  • Fortführung des Lernens mit den Schüler*innen zuhause, innerhalb einer Klasse sowohl in digitaler als auch analoger Form,
  • Vertretung der aus gesundheitlichen Gründen nicht einsetzbaren Lehrkräfte in Prüfungen und im Unterricht,
  • die Fernlernangebote bringen häufig eine zeitliche Entgrenzung der Arbeit mit sich, da Schüler*innen individuell angesprochen, angerufen und betreut werden.

Das Abstandsgebot und die Hygienevorschriften, der Grundsatz, feste Gruppen zu bilden, sind an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) besonders schwer umsetzbar. Hier fehlt eine verlässliche Hilfestellung. An diesen Schulen muss den Lehrkräften und bei Bedarf auch den Schüler*innen zwingend eine erforderliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werden. Auch weitere Beschäftigte wie Schulbegleiter*innen, Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr beziehungsweise Bundesfreiwilligendienst, betreuende und pflegerische Kräfte müssen an den Schulen arbeiten können. Ohne diese Bedingungen kann dort die Schulpflicht und das Bildungsrecht der Menschen mit Behinderung nicht umgesetzt werden. An den SBBZ brauchen die Leitungen einen sehr hohen Spielraum bei der Entscheidung, welche Schüler*innen, Klassen beziehungsweise Gruppen in den Präsenzunterricht an die Schule kommen können. Auch die Schülerbeförderung muss eindeutig geregelt werden. Die gültigen Hygienebestimmungen bilden hier allerdings eine enge Grenze.

Die GEW bedauert, dass sich die Schulen auf den Unterricht in den Kernfächern (Deutsch, Mathematik, Sachunterricht, Fremdsprachen) beschränken sollen. Das führt zu fachfremdem Unterricht und lässt die Potentiale anderer Fächer, vor allem in Kunst und Musik, ungenutzt. Gerade diese Fächer sind für Kinder aus bildungsfernen Familien und als Motivation für alle Schüler*innen sehr wichtig.

Erst nach den Pfingstferien und auch nur an den weiterführenden Schulen werden die Vorbereitungsklassen in den Präsenzunterricht einbezogen werden. Auch dort gibt es Abschlussklassen, die die Schule am Ende des Schuljahres verlassen. Diese Schüler*innen haben wie die vergleichbaren Klassen an beruflichen Schulen in der Zeit der Schulschließungen massiv in ihrer Lernentwicklung eingebüßt. Die Vorbereitungsklassen an Grundschulen sind immer noch nicht für Präsenzunterricht eingeplant, auch nicht die Grundschulförderklassen und Schulkindergärten. Dabei brauchen gerade diese Schüler*innen dringend ein schulisches Angebot.

Kultusministerin Susanne Eisenmann denkt über Sommerferienkurse nach. Diese Angebote können die Lernlücken nicht schließen. Für diese Gruppen und andere förderbedürftige Schüler*innen fordert die GEW ein nachhaltiges Förderkonzept im Schuljahr 2020/21.

Konzepte fürs neue Schuljahr

Auch im neuen Schuljahr wird kein normaler Schulalltag möglich sein. Die Schulen brauchen so schnell wie möglich klare Rahmenbedingungen, wie das nächste Schuljahr verlaufen soll. Mindestens für die Erstklässler*innen des Schuljahrs 2020/21 muss ein Konzept entwickelt werden. Und die GEW und die Personalvertretungen müssen wieder in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

Die Schulen müssen aus dem improvisierten Notprogramm des Fernunterrichtes herauskommen. Dazu bedarf es klarer Konzepte des Kultusministeriums und rechtssicherer Regelungen. Die Beruflichen Schulen können dafür auf ihre Erfahrungen zum Beispiel aus den Tablet-Projekten aufbauen.

Die GEW ist der Auffassung, dass die Umsetzung des digitalen Lernens nicht der einzelnen Schule oder Lehrkraft überlassen werden sollte. Unter anderem muss geklärt werden:

  • Wie Online-Phasen bei der Deputatsplanung berücksichtigt werden.
  • Wie Leistungsbeurteilung stattfinden kann und welche Formen zulässig sind.
  • Wie die notwendigen technischen Voraussetzungen geschaffen werden – sowohl für die Lehrkräfte als auch für die Schüler*innen. Dies schließt auch Datenschutzkonformität mit ein. Es ist weder für die Lehrkräfte noch für die Schüler*innen sinnvoll, mit unterschiedlichen Systemen oder Plattformen zu arbeiten. Die derzeitige ungeklärte Situation der Improvisation droht dazu zu führen, dass jede Schule eigene Wege geht.
  • Wie Lehrkräfte schnell fortgebildet werden können.

Vorbereitungsdienst

Die Organisation der Prüfungen im Vorbereitungsdienst während der Schulschließung stellt für die Kolleginnen und Kollegen im Kultusministerium, in den Außenstellen des Landeslehrerprüfungsamts und in den Seminaren eine immense Herausforderung dar.

Für die Lehramtsanwärter*innen in der Endphase des Vorbereitungsdienstes waren die Rahmenbedingen im April und Mai äußerst belastend. Die GEW setzte sich für Erleichterungen der Prüfungen ein: Mehr Zeit für die Vorbereitung einer mündlichen Präsentation einer Unterrichtsstunde, die eine reale Unterrichtsstunde ersetzen muss und Verzicht auf eine dritte Prüfung als Ersatz für eine schulpraktische Prüfung.

Die GEW will auch erreichen, dass der selbstständige Unterricht von Lehramtsanwärter*innen mindestens bis zu den Herbstferien reduziert und durch Mentor*innen besser begleitet wird, da die Referendar*innen vor den Sommerferien wenig Praxiserfahrung sammeln konnten. Die Seminare werden nach Pfingsten Konzepte für die Umsetzung vorlegen.

Aufbaustudium Sonderpädagogik

Die Kolleg*innen, die 2018 als erster Durchgang das Aufbaustudium Sonderpädagogik (Horizontaler Laufbahnwechsel Gruppe 4) begonnen haben, stehen im 4. Semester unter sehr schwierigen Bedingungen. Durch die Schulschließungen und die Veränderungen im Studium sind diese Belastungen noch gestiegen. Wenn die Teilnehmer*innen nicht umgehend eine Perspektive für eine Entlastung bekommen, das Studium im 5. Semester (Wintersemester) abzuschließen, drohen ernsthafte Überlastung oder weitere Abbrüche. Auch der folgende Kurs und der Kurs, der im Herbst 2020 das Aufbaustudium beginnt, brauchen eine wesentliche Erhöhung der Anrechnungsstunden.

Lehrbeauftragte an Hochschulen

Für die Hochschulinfrastruktur sind Lehrbeauftragte sehr wichtig, denn ohne sie könnte die Lehre ganzer Studiengänge häufig nicht vollständig ausgebracht werden. Sie arbeiten jedoch auf der Basis von Honorarverträgen, meist als Freiberufler*innen, so dass ein Wegfall von Lehraufträgen einem Wegfall der Gesamteinkünfte gleichkommt.

Die GEW setzt sich für Verbesserungen ein:

  • den Zusatzaufwand, der den Lehrbeauftragten durch die Umstellung von Präsenz- auf Online-Lehre entsteht, angemessen vergüten,
  • die Zahl der Mindestteilnehmer*innen für Lehrveranstaltungen im Sommersemester herabsetzen, so dass auch Kurse, die aufgrund mangelnder Auslastung abgesagt würden, stattfinden,
  • Lehrveranstaltungen, die abgesagt werden, dennoch vergüten,
  • weitere Maßnahmen, die dem prekären Status der Lehrbeauftragten über die gegenwärtige Krise hinaus entgegenwirken.

Situation in den Kitas

Unterschiedliche Zuständigkeiten und die offenkundig fehlende Abstimmung zwischen Trägern und Kultusministerium führten zu wachsendem Unmut in Kitas. Sie brauchen mindestens eine Woche Vorlauf, wenn das Kultusministerium die Rahmenbedingungen ändert. Die Erweiterung der Notbetreuung wurde ebenso zu kurzfristig angekündigt wie die Bekanntmachung des reduzierten Regelbetriebs ab 18. Mai mit bis zu 50 Prozent der Kinder. Das weckt Erwartungen, die Kita-Leitungen und Träger unter Druck setzen. Wenn sich die Träger an die Hygieneempfehlungen halten und die Risikogruppen berücksichtigen, kann diese Ankündigung wegen des Personalmangels nicht umgesetzt werden.

Die Kommunikation mit Eltern, die Auswahl der Kinder, die Vermittlung schwieriger Entscheidungen, Personaleinsatz, Infektionsschutz, die Begleitung der Kinder in völlig veränderten Situationen fordern viel Zeit und Einfühlungsvermögen von den Kitaleitungen. Die bisherigen Probleme wie Deregulierung, die fehlende Aufsicht des Landesjugendamtes, zu wenig Zeit für Leitungsaufgaben, die Unterfinanzierung und der damit zusammenhängende Fachkräftemangel erschweren die Situation in Corona-Zeiten massiv.

Ende Juni sollen Schulen und Kitas vollständig öffnen

Ende Mai gab es neue Meldungen. Die Kitas und die Grundschulen sollen spätestens Ende Juni wieder vollständig öffnen. Kultusministerin Susanne Eisenmann sagte am 26. Mai, es werde zügig ein verlässlicher Rechtsrahmen erarbeitet. Sie stütze sich dabei auf erste Erkenntnisse aus einer Studie zu Kindern und dem Coronavirus, an der die Uniklinik Heidelberg mit Partnern arbeitet. Diese Studie signalisiert, dass Kinder bis zehn Jahre als Überträger des Virus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das Ganze erfuhren Kitas und Schulen nur über die Presse, direkt informiert wurden sie auch nach Tagen nicht. Mit der Unsicherheit, ob sie die gerade erstellten Pläne für die Zeit zwischen Pfingsten und Sommer in die Tonne treten müssen, mussten die Schulen leben.

Die GEW ist skeptisch. Gelten dann die Abstands- und Hygieneregeln nicht mehr? Kitas und Grundschulen waren schon vor Corona unterbesetzt, jetzt fehlen zum Teil ein Drittel der Lehr- und Fachkräfte. Wie soll das gehen? Auf die Antworten von Kultusministerin Eisenmann darf man gespannt sein!