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Digitale Bildungsplattform

Der zweite Anlauf

Der erste Versuch einer digitalen Bildungsplattform in Baden-Württemberg ist mit „ella“ grandios gescheitert. Nun zeichnet sich ab, wie das Vorhaben in einem zweiten Anlauf aussehen soll.

Ziel ist, dass die Lehrkräfte mit einer Anmeldung auf alle Anwendungen zugreifen können. (©imago)
Ziel ist, dass die Lehrkräfte mit einer Anmeldung auf alle Anwendungen zugreifen können. (©imago)

Am Ende kommt es darauf an, dass die Schulen und die Lehrkräfte ­davon profitieren können. Die neue digitale Bildungsplattform soll modular aufgebaut sein. Mit den Lernmanagementsystemen Moodle und itslearning sowie dem Messengerdienst Threema stehen die ersten Module schon fest. Offen sind dagegen noch die Einführung einer dienstlichen E-Mail-Adresse, die Bereitstellung von Office-Anwendungen und ein Datenspeicher. Damit alle Bausteine auf einer Plattform genutzt werden können, fehlt schließlich noch ein Identitätsmanagement. Die geplanten Anwendungen werden dabei in die Bereiche „Unterricht und Lernen“, „Sichere Kommunikation“ und den „persönlichen Arbeitsplatz“ eingeteilt (s. Abbildung). Aktuell läuft die zweite Phase der Plattform. Dabei sollen alle Module auf einer Plattform zusammengeführt werden. Ziel ist, dass die Lehrkräfte mit einer Anmeldung auf alle Anwendungen zugreifen können (Single-Sign-On). Dieses so genannte Dashboard (Kachelübersicht) soll zu Beginn des Schuljahres 2021/22 zur Verfügung stehen. Bis zum Frühjahr 2023 möchte das Kultusministerin (KM) zusätzliche Dienste einbinden und die Plattform optimieren.

Zwei Lernmanagementsysteme stehen den Schulen zur Wahl

Seit dem ersten Lockdown im März 2020 wurde allen Schulen das Lernmanagementsystem Moodle über das Landeshochschulnetz (BelWü) zur Verfügung gestellt. Dadurch nutzen mittlerweile etwa 1.500 Schulen den ersten Baustein der digitalen Bildungsplattform. Hinzu kam das Videokonferenzprogramm BigBlueButton, das in Moodle eingebunden werden kann. Das KM hat sich aber auch dazu entschlossen, ein alternatives Lernmanagementsystem anzubieten. Nach einer europaweiten Ausschreibung hat der norwegische Anbieter itslearning den Zuschlag erhalten. Bis Ende März konnten sich Schulen für eine Testphase bewerben. Insbesondere die Grundschulen zeigten hier großes Interesse. Vermutlich ist damit die Hoffnung verbunden, dass sich itslearning besser für den Einsatz bei jüngeren Kindern eignet.

Schließlich begleitet das KM ein Modellprojekt mit der Software eKlassenraum. Dabei steht vor allem die barrierearme Nutzung im Fokus. Zu den ausgewählten Schulen zählen daher in erster Linie Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren.

Wichtig ist, dass die Schulen wissen, welches dieser Systeme sie ­rechtssicher im Unterricht einsetzen können. Zugleich muss gewährleistet sein, dass es für alle Anwendungen im Rahmen der ­digitalen Bildungsplattform ausreichend Fortbildungsangebote, praxistaugliches Material zur Unterstützung und einen angemessenen Support gibt. Schließlich braucht es aus Sicht der GEW auch Verlässlichkeit. Viele Lehrkräfte haben sich in den letzten Monaten intensiv in Moodle eingearbeitet, Kurse entwickelt und sich weitergebildet. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sich die Arbeit gelohnt hat.

Mit Schüler*innen und Eltern in Kontakt bleiben

Im Bereich „Sichere Kommunikation“ wurde bereits der Messenger ­Threema Work eingeführt. Damit können Lehrkräfte und Schulleitungen datenschutzkonform kommunizieren. Die ­Nutzung dieses Dienstes ist freiwillig. Alle weiteren Nutzungsbedingungen ­wurden in einer Ergänzung zur Rahmen­dienstvereinbarung zum Einsatz einer landeseinheitlichen digitalen Bildungsplattform festgelegt. Mittlerweile ­nutzen etwa 35.000 Lehrkräfte Threema Work. Das entspricht einer Quote von etwa 25 Prozent. Doch gerade in Zeiten von Fernunterricht kommt es darauf an, mit Schüler*innen und Eltern regelmäßig und niederschwellig in Kontakt ­bleiben zu können. Allerdings werden diesen beiden Gruppen keine kosten­losen Lizenzen zur Verfügung gestellt. Es wäre daher dringend erforderlich, dass sich das Land mit den Kommunen über eine entsprechende Finanzierung verständigt. Der Preis für ­Threema liegt in den App-Stores bei knapp 4 Euro. Für die GEW ist klar, dass hier die Lernmittel­freiheit gilt und dass das Land und die Kommunen die Kosten für den Messenger tragen müssen. Dann könnte Threema von den Lehrkräften schnell und unkompliziert für die ­Kommunikation mit den Schüler*innen genutzt ­werden. Außerdem könnten so die Lizenzen von den Schulen verwaltet und die Schüler*innen z. B. zu Gruppen zusammengefasst werden. Damit die Schulen Threema als sicheren und unkomplizierten Messenger nutzen können, müssen die Hürden für die Nutzung so gering wie möglich sein.

Ein weiterer Schritt für eine datenschutzkonforme Kommunikation ist die längst überfällige Einrichtung einer einheitlichen dienstlichen E-Mail-Adresse. Vor allem die Schulaufsichtsbehörden und andere Institute der Kultusverwaltung könnten die Lehrkräfte so endlich datensicher erreichen.

Datenschutz nach wie vor ungeklärt

Beim persönlichen Arbeitsplatz der Lehrkräfte, dem dritten Baustein der Bildungsplattform, setzt das KM auf Microsofts Office 365. Neben Word (Textverarbeitung), Powerpoint (Präsen­tation), Excel (Tabellenkalkulation) und Outlook (E-Mail) beinhaltet das Paket das Kollaborationstool Teams sowie als Datenspeicher OneDrive. In einem Pilotversuch testen gerade etwa 30 Schulen diese Anwendungen.

Ungeklärt ist dabei aber immer noch, ob bei dem Einsatz die datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden können. Deshalb wird die Pilotphase auch durch den Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) begleitet. Die Behörde soll prüfen, welche Daten bei der Nutzung an den US-Konzern fließen. Das Ergebnis steht allerdings noch aus. Für die GEW ist klar, dass das KM den Beschäftigten eine rechtssichere Nutzung garantieren muss. Dafür brauchen die Lehrkräfte auch ein Dienstgerät. Es kann nicht sein, dass die datenschutzrechtliche Verantwortung auf die Lehrkräfte übertragen wird, weil viele von ihnen nach wie vor auf ihre privaten Computer zurückgreifen müssen.

Das gilt natürlich auch die Schüler*­innen. Es muss grundsätzlich sichergestellt sein, dass bei der Datenverarbeitung in Bildungseinrichtungen ­ökonomische Vorteile von privatwirtschaftlichen Unternehmen ausgeschlossen werden. Die Kontrolle darüber muss in öffentlicher Hand liegen.

Schulen brauchen eine funktionierende Plattform

2015 wurden den Schulen eine ­digitale Bildungsplattform angekündigt. In der Corona-Krise ist die Notwendigkeit dafür nochmals besonders deutlich geworden. Aber auch danach wird der Bedarf nach einer funktionierenden Plattform hoch bleiben. Momentan sieht das Konzept des KM noch nach einem Puzzle aus, bei dem noch unklar ist, wie die einzelnen Teile zusammenhängen. Vermutlich werden Schulen weiterhin mit ­Moodle und BigBlueButton arbeiten. Andere werden sich für itslearning entscheiden. Gleichzeitig soll es möglich sein, dass Moodle-Kurse in itslearning migriert werden können. Dann wird es Schulen geben, die darauf hoffen, in Zukunft bedenkenlos weiterhin Teams einzusetzen. Andere haben sich während der Pandemie in eigene Lösungen von externen Anbietern eingearbeitet. Ob das Ziel einer digitalen ­Bildungsplattform erreicht werden kann, wird sich frühestens zu Beginn des neuen ­Schuljahres herausstellen. Dann soll das Identitäts­management ­abgeschlossen sein und die einzelnen Module auf eine gemein­same Plattform überführt werden. Anderes, zum Beispiel die Einbindung von SESAM, der Mediathek des Landesme­dien­zentrums, soll noch integriert werden.

Am Ende werden für die Akzeptanz der digitalen Bildungsplattform eine attraktive und einfach zu bedienende Benutzeroberfläche sowie eine leistungsstarke Performance bei der Nutzung der Anwendungen entscheidend sein. Für die Sicherstellung und Weiterentwicklung einer funktionierenden Landeslösung sind deshalb weitere Investitionen notwendig. Dafür wird sich die GEW auch bei der neuen Landesregierung stark machen.