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Frühe Bildung - Stiefkind im Koalitionsvertrag

Die Ausführungen zur frühkindlichen Bildung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag sind ernüchternd und bleiben im Unverbindlichen. Die GEW vermisst Finanzierungszusagen, die für die Qualitätsentwicklung in Kitas nötig sind.

Alles deutet darauf hin, dass das zentrale Ziel der grün-schwarzen Koalition die Einhaltung der Schuldenbremse ist. Die finanziellen Mittel für den Bereich der frühkindlichen Bildung –sollen laut Vertrag nur punktuell bzw. „klug gesteuert“, „bedarfsgerecht“ und „ressourceneffizient“ eingesetzt werden. Unklar bleibt auch, inwieweit die Mittelverteilung zukünftig an ein Kita-Zertifikat bzw. Gütesiegel geknüpft wird.

Aus Sicht der GEW ist es enttäuschend, dass das freigewordene Betreuungsgeld in die Einführung eines Kinderbildungspasses (KiBiPa) für Kinder im letzten Kindergartenjahr fließt und damit nichts zur Qualitätsverbesserung der Kitas und der Entlastung des Personals beiträgt. Es handelt sich um eine Entlastung für die Eltern, die jedoch den Kommunen und somit auch den Kindertageseinrichtungen kein Geld bringt.

Wird am Ende des ersten Abschnitts noch die „besondere Schwerpunktsetzung auf eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung“ aufgeführt, so fragt man sich nach dem nachfolgenden Satz: „Die schrittweise Umsetzung des Orientierungsplans streben wir weiterhin an“, was die neue grün-schwarze Landesregierung denn nun will. Denn gerade die von der GEW seit langem geforderte verbindliche Einführung des Orientierungsplanes würde zur Steigerung der Qualität in Kitas beitragen. Dafür müsste das Land jedoch die erforderlichen Rahmenbedingungen und die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Es wird zwar die Wichtigkeit eines „guten Personalschlüssels“ und von „guten Rahmenbedingungen“ für mehr Zeit für die Kinder erwähnt, wie dies jedoch konkret aussehen soll, wird nicht deutlich. Es finden sich weder Aussagen über die verbindliche Verankerung einer mittelbaren pädagogischen Arbeitszeit, von Leitungszeit, Konzeptionstagen und Praxisbegleitung noch über eine Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation.

Beim Thema Sprache fördern sind die Aussagen mehr als verwirrend: „Bedarfsgerechter und ressourceneffizienter Ausbau“ - „SPATZ neben der Gruppenförderung“ - „alltagsintegriert und stärkenorientiert“ - „Singen-Bewegen-Sprechen“; diese Aufzählung lässt ein Gesamtkonzept für frühkindliche Sprachbildung vermissen.

Die Praxisintegrierte Ausbildung (PIA) soll weiter ausgebaut werden, aber auch hierfür werden entsprechende Ressourcen für die anleitenden Fachkräfte in den Kitas benötigt, denn Ausbildung braucht Zeit. Weiterhin lässt sich nicht erkennen, wie die akademisch ausgebildeten Kindheitspädagogen/innen für die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen gewonnen werden sollen und die steigende Zahl der Schulfremdenprüfungen zurückgefahren werden kann.

Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Fortführung der bestehenden Bildungshäuser kann aus Sicht der Kita-Fachkräfte ebenfalls kritisch gesehen werden, wenn diese - wie bisher - keinerlei zusätzliche (Zeit-)Ressourcen für die Kooperation mit den Grundschulen erhalten.

Ähnliches gilt für die Ausweitung der Kinder- und Familienzentren. Die GEW hat zwar den Ausbau grundsätzlich begrüßt, jedoch will die Koalition „mit einer an klaren Qualitätskriterien ausgerichteten Projektförderung Impulse dafür setzen, dass landesweit ein flächendeckendes Angebot an Kinder- und Familienzentren entsteht.“ Was heißt das nun? Bekommen die Kinder- und Familienzentren dadurch für die zusätzlichen Aufgaben, die sie zu leisten haben, auch die erforderlichen zusätzlichen Fachkraftstellen, Räumlichkeiten, Mittel und die Voraussetzungen für multiprofessionelle Teamarbeit? Leider findet sich auch darauf keine Antwort.

Kritisch zu betrachten ist die erwähnte Einführung einer landesweiten Zertifizierung von Kindertageseinrichtungen, zumal auch hier viele Fragen ungeklärt bleiben. So wird z.B. ein Zusammenhang mit dem KiBiPa hergestellt – worin dieser aber bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Weiterhin ist unklar, wer diese Zertifizierung durchführen soll, wer sie finanziert, nach welchen Kriterien diese stattfinden soll...

Aus GEW-Sicht ist eine Zertifizierung ein untaugliches Instrument zur Qualitätssteigerung. Zertifizierungen oder Evaluation halten bestenfalls einen Zustand fest – ohne zusätzliche Ressourcen oder strukturelle Veränderungen wird sich die Qualität aber kaum verbessern. Im Zweifelsfall dient die Zertifizierung dazu, Druck auf das Personal auszuüben, Mehrarbeit einzufordern oder Arbeit zu verdichten.

Insgesamt gesehen wird die frühkindlichen Bildung im Koalitionsvertrag wie ein Stiefkind behandelt und lässt eine für die Qualitätsentwicklung der Kindertageseinrichtungen verbindliche Ressourcenausstattung und Finanzierung vermissen. Auch der Titel des ersten grün-schwarzen Koalitionsvertrages „Verlässlich. Nachhaltig. Innovativ“ lässt sich kaum übertragen, da völlig offen bleibt wohin die Reise geht.

Kontakt
Heike Herrmann
Referentin für Jugendhilfe und Sozialarbeit
Telefon:  0711 21030-23