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Genug gespart! – Bildung stärken

Ministerpräsident Kretschmann hat die Marschroute für den ersten grün-schwarzen Haushalt festgelegt: „Grün-Schwarz wird auf Anhieb die schwarze Null schaffen. Das geht nur mit einem ambitionierten Sparprogramm.“ Dagegen wehrt sich die GEW.

Finanzministerin Sitzmann geht von einem strukturellen Defizit von 2,6 Milliarden Euro aus. Berücksichtigt man Steuermehreinnahmen, Überschüsse aus den Vorjahren und dass die Kosten für Geflüchtete niedriger als erwartet sind, bleibt ein Kürzungsbedarf von 800 Millionen Euro. Davon sollen 370 Millionen in den Ministerien eingespart werden. In welchem Umfang das Kultusministerium betroffen sein wird, ist derzeit noch unklar. Weitere 430 Millionen sollen wohl vor allem bei den Kommunen und bei Beamt/innen gekürzt werden.

Mittlerweile ist eine weitere geheime Nebenabsprache der Koalition mit Kürzungsmaßnahmen für die gesamte Legislaturperiode bekannt geworden. 500 Millionen Euro sollen durch Eingriffe bei der Besoldung und weitere 50 Millionen durch eine Absenkung des Pensionshöchstsatzes bei Beamt/innen gespart werden. Darüber hinaus sollen 5.000 Stellen abgebaut werden.
Es geht folglich um Kürzungen vor allem bei den Einkommen der Beschäftigten des Landes und auch in der Bildung. Auf diesem Weg soll 2017, um bis 2020 die Schuldenbremse einzuhalten, rund ein Drittel des strukturellen Defizits abgebaut werden. Dies hat Grün-Schwarz im Koalitionsvertrag zum zentralen politischen Ziel erklärt.

Ideologie der Schuldenbremse
Begründet wird diese Politik mit dem Hinweis im Koalitionsvertrag: „Grüne und CDU eint auch das Bestreben, die finanziellen Gestaltungsspielräume zu- künftiger Generationen zu erhalten. [...] Wir wollen weder in finanzieller noch in ökologischer Hinsicht auf Kosten unserer Kinder leben.“ Diese Argumentation ist nicht neu und wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Sie suggeriert, dass die Schulden des Landes daher rühren, dass die Bevölkerung, die Landesbeschäftigten oder die Jugendlichen „über ihre Verhältnisse“ gelebt hätten.
Die GEW weist dies entschieden zurück. Die Schulden der öffentlichen Hand sind das Ergebnis einer jahrzehntelangen Umverteilungspolitik von unten nach oben.
1996 ließ z.B. die Regierung Kohl die Vermögenssteuer – eine Ländersteuer – auslaufen. Mitte der neunziger Jahre nahm das Land jährlich ca. 600 Millionen Euro an Vermögensteuer ein. Nach Berechnungen der GEW könnte Baden-Württemberg derzeit ca. 2,9 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Seit 1996 stieg die Verschuldung um ca. 21 Milliarden Euro an – ein guter Teil des Schuldenanstiegs geht also auf das Auslaufen der Vermögenssteuer zurück.
Die Liste der Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand durch Steuergeschenke, Schlupflöcher oder Steuerhinterziehung ließe sich beliebig verlängern. Allein die Steuerrechtsänderungen seit 1998 haben von 2000 bis 2010 bundesweit zu Steuerausfällen von mehr als 300 Milliarden Euro geführt. Profitiert haben vor allem Unternehmen, Vermögende, Spitzenverdiener/innen und reiche Erben.
Auf der anderen Seite haben weder Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger noch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – Miterfinder der Schuldenbremse – gezögert, Milliardenkredite aufzunehmen, um die Spekulationsverluste der LBBW auszugleichen oder Milliardenschutzschirme für die Banken oder den Euro aufzuspannen.

Diese Umverteilungspolitik hat die Löcher in den öffentlichen Haushalten gerissen. Mit Schulden wurden die Löcher gestopft. Und die nächste Runde wird bereits vorbereitet: So hat die CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung Steuersenkungen bis 2020 um mindesten 30 Milliarden Euro gefordert. Es ist schon mehr als zynisch, dass ausgerechnet die schärfsten Verfechter der Schuldenbremse die derzeit sprudelnden Steuereinnahmen dazu nutzen wollen, um erneut die Steuern zu senken.

Den Vertretern der Schuldenbremsenpolitik geht es nicht ernsthaft um solide Staatsfinanzen. Die ganze Debatte über die Schuldenbremse und eine nachhaltige Finanzpolitik entpuppt sich als bloße Ideologie, die dazu dient, die Folgen dieser Umverteilungspolitik mit Haushaltskürzungen auf die Bevölkerung und die Beschäftigten abzuwälzen und rechtfertigen zu können. Fakt ist, dass in Baden-Württemberg seit mehr als zwei Jahrzehnten ein Kürzungshaushalt nach dem anderen beschlossen wurde. Tatsächlich sind die Schulden alleine von 1990 bis 2014 von 18,9 auf 46,3 Milliarden Euro gestiegen. Ganz offensichtlich muss man nach zwei Jahrzehnten Sparpolitik festhalten: Sparhaushalte führen keineswegs zu soliden Staatsfinanzen – im Gegenteil.

Die GEW hat deshalb die Schuldenbremse immer als untaugliches Mittel abgelehnt. Wir treten keineswegs für hemmungsloses Schuldenmachen ein. Wer aber ernsthaft solide Staatsfinanzen will, der muss zuallererst mit der Umverteilungspolitik von unten nach oben Schluss machen. Wir brauchen deshalb keine Schulden-, sondern eine Steuersenkungsbremse. Die GEW hat 2016 erneut ein Steuerkonzept vorgeschlagen. (https://www.gew.de/bildungsfinanzierung/gew-steuerkonzept/) Allein für Baden-Württemberg würde das Konzept Mehreinnahmen von 5,5 Milliarden Euro bringen (vor allem Steuern auf Vermögen, Finanzprodukte und einen effektiven Steuervollzug). Insgesamt würde dadurch der Kürzungsdruck zur Einhaltung der Schuldenbremse entfallen und es könnten notwendige und sinnvolle Ausgaben z.B. im Bildungsbereich getätigt werden.

2011 wurde die CDU in Baden-Württemberg abgewählt, weil viele Menschen nach 57 Jahren CDU Regierung einen grundlegenden politischen Wechsel – gerade auch in der Bildungspolitik – wollten (und noch immer wollen). Dazu gehört aber zwingend auch ein Bruch mit der Schuldenbremsenpolitik und eine andere Finanz- und Steuerpolitik. Bei der Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder der Reform der Erbschaftssteuer geht es nicht einfach um die Frage, wie die öffentliche Hand ein paar Euro mehr einnehmen kann. Es geht grundsätzlich darum, ob die Regierungen bereit sind, die von der Gesellschaft für notwendig erachteten öffentlichen Dienstleistungen – wie die Bildung – ausreichend zu finanzieren und dafür auch große Kapitalvermögen und Einkommen heranzuziehen. Sicher ist es richtig, dass die Länder in der Steuerpolitik nur einen begrenzten Handlungsspielraum haben, die Frage der Steuerpolitik hat deshalb im Bundestagswahlkampf 2013 eine wesentliche Rolle gespielt.  
Kretschmann und Nils Schmid, ehemaliger SPD-Finanzminister, haben 2012 mit der Ankündigung, mehr als 10.000 Lehrerstellen streichen zu wollen, deutlich gemacht, dass sie nicht von der Schuldenbremsenpolitik abrücken wollen. Die Landes-SPD hat dafür in den Landtagwahlen ihren Preis bezahlen müssen. Und die Grünen? Winfried Kretschmann hat auf dem Landesparteitag der Grünen im Dezember 2015 seine Vorstellungen klargemacht: „Die CDU ist die alte Baden-Württemberg-Partei. Sie hat große Verdienste um unser Land, steckt aber immer noch zu sehr im Gestern fest, um kraftvoll die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gestalten zu können. Wir sind die neue Baden-Württemberg-Partei.“

Nach dem klaren Bekenntnis zur Schuldenbremse kommt jetzt genauso klar die Ablehnung der Vermögenssteuer von Kretschmann: „Die Vermögensteuer bekommt man nicht hin, ohne dass es auf Kosten unserer Familienbetriebe geht. Deshalb bin ich strikt gegen die Vermögensteuer.“ Ähnlich kann man das auch bei der CDU nachlesen.

Kretschmann muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass grüne Wirtschafts- und Finanzpolitik lediglich „alter CDU-Wein in neuen grünen Schläuchen“ ist. Schlimmer: hier wird im Kern eine neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik vertreten, die in den vergangenen 25 Jahren massiv soziale Ungleichheit beförderte und regelmäßig zu Krisen führte. Mit „Alternative“ oder „Wechsel“ hat das alles herzlich wenig zu tun.

Die GEW erteilt dieser Politik eine klare Absage. Die GEW wird deshalb in den kommenden Monaten die Initiative „Bildung. Weiter denken!“ starten. Unsere Forderungen sind im Interesse der Bildung, der Zukunftschancen der jungen Menschen und der Beschäftigten in diesem Land notwendig und berechtigt. Wir erinnern daran, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel vor 10 Jahren die Bildungsrepublik Deutschland ausrief und die Bildungsausgaben auf 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen wollte. Davon sind wir noch weit entfernt. Die Forderungen der GEW sind finanzierbar. Wir brauchen aber eine Umkehr in der Finanz- und Steuerpolitik in diesem Land. Dafür wird die GEW mit der „Initiative Bildung Weiter denken“ streiten.